Kapitel 5 - Shoppen?

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Einige Augenblicke starrte Dudley sie an. Wieso hatte diese Ginny Wealsey ihn angesprochen? Nach einer kurzen Pause, in der er überlegte, ob und was er sagen sollte, murmelte er: "Erstes Jahr. Glaube ich."

Er hatte nicht vor, ein "Schön, dich Kennenzulernen" hinzuzufügen, das hatte er noch nie getan. "Du siehst aber schon größer aus", sagte Ginny. Tatsächlich war Dudley wesentlich größer und breiter als man es von einem Erstklässler erwartete. "Ich bin trotzdem einer, klar?", fauchte er. Ginny sah in entschuldigend an, allerdings nicht, ohne dabei die Augen zu verdrehen. "Sorry." Nach einigen Sekunden fügte sie hinzu: "Du hast mir noch gar nicht gesagt, wie du heißt."

Dudley wollte gerade den Mund öffnen und ihr eine Beleidigung an den Kopf werfen, so wie er es bei jeder Person tat, die er neu kennenlernte - doch etwas ließ ihn zögern. An seiner alten Schule war er von den meisten bewundert worden. Zumindest hatten die meisten aus Angst so getan, das wusste er. Doch er hatte nur einen richtigen Freund gehabt, einen Jungen Namens Piers, und da Dudley stark bezweifelte, dass dieser auch eine Einladung nach Hogwarts erhalten hatte... musste er Piers irgendwie ersetzten. Und Ginny Weasley eignete sich doch gut für die Rolle als Freundin. Also musste er jetzt nett sein... und dann, in einigen Wochen, würde er wieder ganz der alte werden. Er hatte es inzwischen komplett vergessen, dass seine Eltern - und er selbst eigentlich auch - nicht wollten, dass er nach Hogwarts ging.

"Ich bin Dudley Dursley", sagte er. Ginnys Augen wurden groß. "Du bist Harry Potters Cousin, oder? Er hat mir erzählt, dass du ein totales Arschloch bist."

Dudley war so geschockt, dass er kurz vergaß, zu atmen. Sie kannte Harry?! Sie wagte es, SOWAS zu ihm zu sagen!? Doch statt wütend zu sein, fühlte er sich irgendwie... verloren. "Woher kennst du ihn?", flüsterte er. "Oh wow, das scheint dich ja richtig getroffen zu haben... Tut mir leid", sagte Ginny und klang dabei aufrichtig. "Und woher ich ihn kenne? Er wohnt seit einer Woche bei meiner Familie. Weißt du das nicht?" Dudley erstarrte. "Du... du gehörst zu denen, die Harry letzte Woche mitgenommen haben?" "Ja", sagte sie. "Aber er hat mit gar nicht erzählt, dass du... auch einer von uns bist." "Ich wusste es ja selbst nicht", murmelte Dudley. Seine Hoffnungen, sich mit Ginny anzufreunden, waren geplatzt. Harry hatte ihr bestimmt alles Schlimme über ihn erzählt. Nach kurzer Stille sagte Ginny: "Du kommst mir aber eigentlich ganz nett vor." In diesem Moment rauschte Madame Malkins wieder in den Raum.

Als Dudley mit einem frischen, schwarzen Umhang in einer Tasche aus dem Laden trat, sah er, dass McGonagall schon auf ihn wartete. Sie trug eine Kiste, in der sich, wie Dudley feststellte, Kessel und Bücher befanden. "Das habe ich Ihnen schonmal besorgt", sagte sie. "Jetzt brauchen Sie nur noch Ihren Zauberstab. Sie finden ihn bei Ollivanders... ich bringe Sie hin." Dudley nickte dankbar.

McGonagall führte in durch die Straße und blieb vor einem alten, kleinen Gebäude stehen. "Gehen Sie einfach rein", sagte sie. "Ich warte hier. Und... hier sind noch einpaar Galleonen, ich schätze, die müssten reichen für einen Zauberstab." Sie drückte ihm  einige Goldmünzen in die Hand und Dudley betrat zögernd das Geschäft. Es bestand aus einem einzigen, verstaubten und dunklen Raum. Lange Regalreihen, in der sich Schachteln stapelten reichten bis zur Decke.

Dudley erschrak, als ein silberhaariger, alter Mann aus einer dieser Reihen trat. "Willkommen", murmelte er. "Ich bin Ollivander. Wie ist Ihr Name?" "Dudley Dursley", stotterte Dudley. Er hatte noch nie gestottert. "Ahhh..." Ollivander verschwand zwischen zwei Regalreihen, was Dudley irritierte, doch nach kurzer Zeit tauchte er wieder auf, mit einer Schachtel in der Hand. "Diesen Zauberstab bot ich vor einem Jahr Ihrem Cousin an. Vielleicht passt er ja zu Ihnen?" Er öffnete die Schachtel, zog einen feinen Holzstab heraus und gab ihn Dudley. "Schwingen Sie ihn!", rief er.

Dudley tat, was Ollivander sagte, auch, wenn er sich lächerlich dabei vorkam. Nichts passierte. "Dann wohl ein anderer...", sagte der Zauberstabverkäufer, verschwand erneut und tauchte mit einer hellen Schachtel wieder auf, aus der er einen kurzen, leicht gebogenen Zauberstab hervorholte. "9 Zoll, Lärchenhholz, Drachenherzfaser - leicht flexibel." Er betrachtete Dudley von oben bis unten. "Ja, das müsste passen." Er gab ihm den Stab und Dudley schwang auch diesen. Die Spitze des Zauberstabs fing an, zu glühen und sprühte einige Funken, bis er schließlich aufhörte. "Wow", murmelte Dudley. Er war ehrlich beeindruckt. Noch vor wenigen Minuten hatte er gedacht, diese vielen Zauberstäbe würden ihm Angst machen - und das taten sie auch, doch neben dieser Angst war noch etwas, ein pulsierendes, wunderbares Gefühl, das er noch nie zuvor gespürt hatte. Und Dudley lächelte. "Er passt!", freute sich Ollivander. "14 Galleonen, bitte." Dudley war kurz verwirrt - dann kramte er das merkwürdige Geld aus seiner Tasche und gab es dem Verkäufer, ohne nur einen Blick draufzuwerfen. Erstaunlicherweise hatte er wohl den richtigen Preis bezahlt: Ollivander bedankte sich und Dudley verließ mit dem Zauberstab den Laden. McGonagall wartete direkt vor der Tür.

"Das Schuljahr beginnt sehr bald", sagte sie, während die beiden durch die Winkelgasse zurück zum Tropfenden Kessel gingen. "Übermorgen. Ich bringe Sie nun zu Ihren Eltern, sagen Sie Ihnen, dass Sie zum Bahnhof Kings Cross müssen. Hier ist Ihre Fahrkarte nach Hogwarts."

Sie gab Dudley die Fahrkarte. Er wunderte sich nicht darüber, dass Gleiß 9 3/4 darauf stand; Dudley erinnerte sich noch gut an den Tag vor knapp einem Jahr, als seine Familie Harry dorthin gebracht hatte. Er hoffte, Ginny im Zug wiederzusehen, sie war ihm ganz nett vorgekommen - obwohl sie anscheinend auch mit Harry befreundet war.

McGonagall und er verließen den Tropfenden Kessel, und eine Frage brannte Dudley auf der Zunge. "Denken Sie...", fing er an, "denken Sie, dass es in Hogwarts einen Unterschied macht, dass meine Eltern normale Menschen sind?" McGonagall sah Dudley von der Seite an. "Sie meinen sicher Muggel, nicht 'normale Menschen', oder?" Sie seufzte. "Nein, nein, es macht keinen Unterschied."

Was wäre wenn... | Harry Potter ffWhere stories live. Discover now