Kapitel 4 ~Die magersucht wird offensichtlich~

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Wir hatten im Heim einen langen großen Spiegel im Flur vor dem ich viel Zeit verbrachte. Ich war sehr kritisch und fand immer etwas das mir nicht passte. Mein Bauch schwabbelte zu sehr, meine Oberschenkel waren zu breit, mein Gesicht zu rund, meine Arme triefend vor fett. Alles schwabbelte an mir. Dabei war ich damals schon sehr schlank und im leichten Untergewicht. Aber ich konnte mich ja erinnern mal dünner zu sein... es gab einige Mädels dort die sehr kritisch über ihren Körper sprachen. Wir begannen uns auszutauschen. Ich achtete wieder mehr auf meine Ernährung und ließ Dinge wie Butter wieder weg. Aß nichts süßes mehr. Ich war immer sehr sportlich und Sport begeistert. Aber in den guten Phasen lief ich nur zum Spaß, wir hatten den Wald direkt vor der Tür, ich verbrachte viel Zeit dort. Auch im Stall verbrachte ich extrem viel Zeit. Damals war ich trotz der Mangelernährung noch fit, ich hatte das ja noch nicht allzu lange gemacht und es kam eben nur in Schüben. (A-typische Essstörung) viele Dinge die ich tat sind mir erst sehr spät aufgefallen als mich zwei Betreuerinnen darauf aufmerksam machten. Gerne frieren zum Beispiel, es stimmte, es verbrannte Kalorien. Ich fror gerne weil ich das wusste. Ich hatte es nur lange unbewusst gemacht. Ich lernte meine Fähigkeit der selbstreflexion besser einzusetzen und mein eigenes Verhalten zu analysieren. Mahlzeiten stressten mich und ich zählte streng Kalorien und wog mein Essen ab. Wenn ich dran war mit kochen gab es nur Salat. Ein Mädchen das mit mir dort wohnte hatte ebenfalls auf diese Schiene gefunden allerdings ohne im Untergewicht zu sein weshalb sie keinen Ärger dafür bekam und ich schon. Wir sprachen uns ab und schlossen wetten. Wer nahm schneller ab? Wer war die dünnste? Wer aß am wenigsten? Wer machte am meisten Sport? Wer schaffte es in einer vorgegebenen Zeit ein bestimmtes Gewicht zu erreichen? Usw usw usw... langsam aber sicher begann ich es körperlich zu merken. Ich machte das ja schon ein paar Jahre nur eben hatte ich es noch nie so verbissen und lange am Stück gemacht. Wie gesagt, ich hatte das meist nur in Schüben. Aber die guten Phasen blieben immer öfter aus. Ich wurde darauf hingewiesen, immer wieder. Die betreuer klärten mich auf was ich mit meinem Körper tat, das ich irgendwann daran sterben würde, sie legten mir zahlen und Fakten auf den Tisch, sie sprachen viel und lange mit mir, aber es kam nichts bei mir an. Ich war nicht krankheitseinsichtig und nahm das alles nicht ernst. Ich konnte ja selbst nicht sehen wie weit ich mich bereits runter gehungert hatte. Eine meiner liebsten Betreuerinnen sagte immer man könne mich beim laufen schon Klappern hören. Ich habe darüber gelacht und abgewunken, so schlimm sei es dann doch nicht. Jetzt weiß ich das sie recht hatte. Leider war sie und eine andere die einzige die es früh genug ernst nahmen als alle noch dachten es sei „nur a-typisch" und damit nicht schlimm. Akute su*zi*alität stand zu oft im Vordergrund. Depressionen und Borderline. Ich habe beides einiegrmaßen gut im Griff mittlerweile eigentlich alles drei denke ich, nur das Essen ist geblieben. Es wurde nie behandelt. Ich bereue das ich damals nicht auf meine Betreuer gehört habe. Anfangs wog ich mich täglich und manchmal auch mehrmals wenn ich glaubhaft sagen konnte das ich noch nicht gewogen worden bin. Später durfte ich nur noch einmal die Woche. Oft stresste mich das. Wenn ich mein Gewicht nicht wusste, konnte ich nicht einschätzen wie viel ich am Tag essen durfte also hungerte ich manchmal nur deshalb weil ich mein Gewicht nicht wusste. Schwindel und Müdigkeit begannen. Ich fror schneller. Ich war trotzdem nicht einsichtig. Teilweise ließ meine Reitlehrerin mich nicht mehr in der Stunde mitreiten denn auch sie hatte die Essstörung früh erkannt. Meine mum war und ist nach wie vor nicht einsichtig. Das triggerte mich weil ich dachte das das bedeuten würde sie würde denken ich sei dick. Alle konnten mir sagen ich sei dünn, ich habe keinen geglaubt denn ich wollte es nur von zwei Menschen hören, meiner mum und ihrem Stiefvater. Sie sagte es aber erst als ich bereits so dünn war, das mein Körper längst angefangen hatte sich zu wehren. Da war es zu spät. Ich hatte zumindest von ihr bereits die Bestätigung die ich immer haben wollte, aber ich konnte nicht mehr aufhören. Dafür war ich zu tief drin, dafür war Ana ( die damals noch keinen Namen für mich hatte) schon zu sehr ein Teil von mir geworden. Ich war trotzdem nicht krankheitseinsichtig. Ich konnte kaum noch joggen gehen, in den Stall durfte ich kaum noch und meine konzentration war hinüber, und manchmal aß ich einfach fast 50 Stunden gar nichts mehr. Ich notierte streng meine Kalorien und achtete darauf genug zu verbrennen. Ich hatte immer schon einen sehr hohen Bewegungsdrang, als Kind schon. Das machte es mir noch leichter. Depressive Phasen wurden wieder mehr, ich aß zu wenig um wirklich Freude empfinden zu können. In der Schule viel es auch auf. Ich versuchte meinen schäbigen Körper unter zu großen Klamotten zu verstecken und lutschte Eiswürfel wie es nur ging. Trieb Sport, zählte Kalorien und machte wechselduschen. Ich fastete, machte Wasser bzw Saft Diäten und schnitt mir viel die Arme auf. Ich hasste meinen Körper, hasste mich, hasste mein Spiegelbild. So sehr hasste ich es. Es war mein allergrößter Feind. Anfang diesen Jahres flog ich aus dem Heim raus. Es war zu viel geworden, ich war nicht mehr handelbar ich war komplett am eskalieren zusammen mit einem anderen Menschen. Ich hatte mich an keine Regel gehalten hatte auf keinen gehört und mich runtergehungert. Ich weiß bis heute nicht wieso ich das alles getan habe, es war mein erstes richtiges zu Hause. Vielleicht war genau das das Problem. Ich hasste mich und hatte einen sehr selbstzerstörerischen Drang. Außerdem nahm ich , wie gesagt, keinen Ernst. Warnungen kamen nicht bei mir an. Ich dachte mir würde schon nichts passieren. Wie bei der Magersucht auch. Dann kam der Tag an dem ich am Boden zerstört, verzweifelt und weinend auf dem Boden im Büro lag als meine beiden liebsten Betreuer mir sagten das ich rausfliege und zwar am selben Tag, zwei Stunden später. Ich hatte es übertrieben. Ich dachte in dem Moment wirklich es gäbe keinen anderen Weg mehr als su*z*d. Mittlerweile bin ich froh das ich durchgehalten habe. Ich bin dann zwei Wochen zu meiner Oma gekommen die mich ordentlich aufpäppelte. Dort hatte ich mein Höchstgewicht von 52 Kilo. Ich hatte dort keine Waage und musste mich nach diesem wirklich schlimmen Erlebnis erstmal erholen. Essen rutschte somit in den Hintergrund und ich aß einfach. Immer noch deutlich weniger als das ich satt sein könnte, aber genug um zu zu nehmen. Als ich dann nach Hause kam aß ich erstmal so weiter und hatte viele FAs (fressanfälle) ich aß auch nachts und ich aß was ich bekommen konnte. Kotzen war damals keine Option mehr, das hatte ich im Heim einige Male gemacht und es ekelte mich an. Alleine schon dieses aufgedunsene Gesicht danach und das brennen in der Speiseröhre und der ekelhafte Geschmack. Ich sah diese 52 auf der Waage und geriet total in Panik. Alles über 50 war absolutes Panik Gewicht. Ich hasste mich. Wie konnte das passieren?? Ich fand mich eigentlich ganz hübsch, aber als ich die Zahl sah und dann in den Spiegel schaute fand ich mich nur noch ekelhaft und fett. Ich musste etwas ändern. Sofort. Nicht morgen. Nicht später. Sofort. Am liebsten hätte ich mir alles fett vom Körper geschnitten. Wo waren meine Knochen? Man konnte sie nur erahnen. Jeans wurden eng. Das durfte nicht sein. Es musste sich etwas ändern.

Ana~??Where stories live. Discover now