Gefühlschaos

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Behutsam nehme ich das Foto von Louis und einer Frau in die Hand und betrachte es. Sie trägt ein Hochzeitskleid und sieht einfach wunderschön aus. Louis trägt einen dunkelblauen Anzug und hat den Arm um sie gelegt, während er in die Kamera strahlt. Mit einem Lächeln will ich es gerade zurück legen, als ich spüre, wie sich jemand hinter mich auf den Boden hockt. Louis' Parfum steigt mir in die Nase, sodass ich mich gar nicht umdrehen muss, um zu wissen, wer es ist. „Ist das deine Mum?", frage ich ihn und merke, dass er sich setzt.
„Ja.", sagt er und nimmt mir das Foto aus der Hand, um selbst einen Blick darauf zu werfen. „Das war auf ihrer Hochzeit." Augenblicklich sieht Louis wieder so aus, wie das erste Mal, als ich ihn getroffen habe.
„Sie ist wunderschön."
Louis beginnt bei meinen Worten zu lächeln.
„Ja, das ist sie."
„Sie war krank, hab ich gehört." Und mit gehört meine ich, dass ich es im Internet gelesen habe, bevor ich nach Louis gesucht habe.
„Krebs.", kommt es traurig über seine Lippen, während er mit dem Daumen über das Gesicht seiner Mutter fährt.
„Genau wie meine.", bemerke ich, als ob ihn das irgendwie trösten würde. „Aber sie hatte Glück."

„Nicht so wie meine, meinst du?"

Mein Gesicht wird bleich und ich wette, dass ich gerade aussehe, als würde ich einen Herzinfarkt erleiden. Doch so habe ich meine Worte gar nicht gemeint. „Nein, so war das nicht... Gott, Louis, ich würde nie..."

„Schon gut, Caitlyn. Relax.", unterbricht er mich mit einem leisen Lachen. „Das sollte ein Scherz sein. Vielleicht zu früh?"

Definitiv zu früh. Erleichtert atme ich aus, während ich die anderen Fotos aufsammle. „Du solltest sie aufhängen." Die Fotos seiner Familie reiche ich ihm. „So sind sie immer bei dir."

Louis schenkt mir ein dankbares Lächeln. So langsam kehrt die Normalität wieder zu ihm zurück. Witze gehören wohl dazu und auch wenn ich beinahe umgefallen bin wegen seines Scherzes vorhin, bin ich froh, dass es ihm besser geht. Nachdem wir auch den Rest im Wohnzimmer aufgeräumt haben, beschließe ich Gardinen aufzuhängen, damit es ein wenig gemütlicher aussieht. Liam hat mir dafür die Leiter aus der Garage besorgt, damit ich an die Gardinenstange komme. Während Louis die Leiter festhält, versuche ich die Gardine anzubringen.
„Sind Gardinen nicht eigentlich so ein Frauending?", höre ich Harry vom Sofa aus sagen.
„Und sind Schlaghosen nicht eigentlich aus den Sechzigern?", entgegne ich ihm frech und deute auf seine dunkle Hose.

„Die sind wieder total im Trend!"

„Schön, Gardinen auch, also halt den Mund und lass mich arbeiten."

„Du weißt, ein Tritt gegen die Leiter und du liegst auf dem Boden.", droht Harry mir.

„In meinem Haus findet kein Mord statt, verstanden?", grätscht Louis dazwischen und hebt warnend den Finger.

„Wo sind eigentlich Niall und Grace?", frage ich, weil es mir hier irgendwie viel zu still ist.

„Niall musste mal und Grace ruft Jamie an, um zu fragen, ob im Café alles okay ist.", erklärt Liam mir und kickt einen Fußball von Louis mit seinem Fuß hoch und runter. „Ich geh und sehe mal nach ihr."

Verwirrt runzle ich die Stirn und tausche ein paar Blicke mit Louis, der ebenfalls verwundet zu mir hochsieht. „Gibt es da irgendwas, das du uns sagen willst?"

„Nein, eigentlich nicht." Liam hört auf mit dem Ball zu spielen und sieht uns an. „Und jetzt hört auf mich so anzusehen." Mit diesen Worten verlässt er uns auch schon. Eigenartig.

„Spinn ich oder verbringen die irgendwie viel Zeit miteinander?" Fragend schaue ich zu Louis hinunter, der lediglich mit den Achseln zuckt. Als ein Telefon klingelt, drehe ich meinen Kopf in Harrys Richtung.

„Woher weist du, dass es meins ist?", fragt er mich, während er sein Handy aus der Hosentasche zieht.

„Nur so ein Gefühl. Womöglich hat es dein Klingelton verraten. Madonnas Like a prayer. Lass mich raten, deine Sekte braucht dich."

„Das ist keine Sekte.", murmelt Harry genervt und steht auf, um den Raum zu verlassen.

„Irgendwann killt er dich dafür.", höre ich Louis murmeln.

„Und wenn schon. Dafür hatte ich dann meinen Spaß und bin lachend gestorben." Grinsend mache ich mich wieder an der Gardine zu schaffen.

„Glaubst du etwa nicht an Gott?"

„Doch, aber ich verteile keine Flyer, auf denen Jesus liebt dich steht.", gebe ich achselzuckend von mir.

„Und ich dachte schon, die Bibel bei dir zu Hause sei nur Tarnung, falls deine Eltern dich mal besuchen." Sieh an, Louis ist ja eigentlich ein richtiger Scherzkeks. Lachend schüttle ich den Kopf.

„Jetzt mal im Ernst. Du hast die Leute auf dem Platz nicht gesehen. Oder gehört. Entweder es ist eine Sekte oder Harry gehört einem Hexenzirkel an."

„Dann solltest du vorsichtig sein. Nicht, dass er dich mit einem Zauber verschwinden lässt."

Schmunzelnd steige ich die Leiter wieder hinab. Als ich eine Stufe übersehe, spüre ich plötzlich keinen Halt mehr und falle. Schnell will ich mich noch an der Leiter festhalten, als zwei starke Hände nach mir greifen und mich sicher auf den Boden bringen.
„Vorsicht.", sagt Louis und sieht zu mir runter. Holy Moly, die Temperatur muss gestiegen sein, denn irgendwie ist mir gerade ziemlich heiß. Seine Hände halten mich immer noch fest, während ich ihn einfach nur anstarre wie eine Geisteskranke. „Mir geht's gut." Seit wann hört sich meine Stimme so piepsig an? Und wieso starre ich ihn immer noch an? Atmen, Caitlyn. Ruhig atmen.
„So ich hab alles geklärt." Harrys Stimme lässt uns auseinander fahren wie zwei Magnete, die sich gegenseitig abstoßen. „Der Kirchenchor hatte ein kleines Problem, aber ich glaube, ich hab es gelöst." Als Harry unsere roten Gesichter sieht, bleibt er im Türrahmen stehen und runzelt die Stirn. „Habe ich euch bei irgendwas gestört?"

„Nein.", kommt es einstimmig aus unseren Mündern. Harry steckt seine Hände in die Taschen seiner Hose und blickt zu Niall, der die Treppe nach unten kommt. Auch er sieht verwundert zwischen uns hin und her.

„Alles okay hier unten?"

Sieht man uns das so sehr an?

„Alles bestens. Hilf mir lieber, die Leiter wieder wegzubringen.", sage ich bestimmerisch.

„Zu Befehl, Frau Generalin." Niall salutiert, ehe er nach der Leiter greift und nach draußen verschwindet. Kurze Zeit später kommen Grace und Liam wieder rein.

„Jamie sagt, die neue Aushilfe ist eine Katastrophe, aber er kriegt es hin. Wir sollen uns also keine Sorgen machen.", teilt Grace mir mit, was mich schon mal ein wenig beruhigt. „Was haben wir verpasst?"

„Gar nichts!", kommt es erneut gleichzeitig von Louis und mir, wofür wir seltsame Blicke kassieren.

„Okay" Harry dehnt das Wort, doch plötzlich scheint er einen Einfall zu haben. „Ich glaube, wir müssen uns alle dringend mal entspannen. Und ich hab auch schon eine Idee."

All Over Again (Teil 1)Where stories live. Discover now