Kapitel 20

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Snape führte uns hinunter in sein Büro. Er ging einfach viel zu schnell. Harry konnte noch mit ihm mithalten, aber ich war einfach zu ausgelaugt. Ich stützte mich an der Wand neben mir ab. "Professor! Ich kann..... Ich kann nicht mehr", keuchte ich. Snape blieb stehen und drehte sich zu mir um, ebenso Harry. Mein Bruder kam schon auf mich zu, da drängte sich Snape mit glitzernden Augen an ihm vorbei und nahm mich wie am Ende des trimagischen Turniers einfach hoch. Ohne ein Wort zu sagen lief er weiter und zog Harry hinter sich her. Ich legte meinen Kopf erschöpft auf seine Schulter. In diesem Moment war es mir egal, dass er mein Professor war und Harry ihn nicht leiden konnte. Ich war einfach nur fertig. 

Im Kerker angekommen bugsierte Snape mich auf einen Stuhl und schubste Harry auf einen zweiten. "Anscheinend besteht eine Verbindung zwischen den Gedanken und Gefühlen des dunklen Lords und den Ihren. Noch ist unklar, ob er sich dieser Verbindung bewusst ist oder nicht." Während Snape sprach, hantierte er irgendwas, aber ich schloss nur erschöpft meine Augen und legte meinen Kopf in den Nacken. Harry neben mir keuchte angestrengt. "Beten Sie, dass er unwissend bleibt." "Sie meinen, wenn er das rausfindet, dann kann er womöglich meine Gedanken lesen?", fragte Harry. "Unsere", murmelte ich. "Unsere Gedanken", verbesserte Harry sich. "Lesen, kontrollieren, ins Chaos stürzen." Na das waren ja tolle Aussichten. "In der Vergangenheit hat sich der dunkle Lord gerne einen Spaß daraus gemacht in die Köpfe seiner Opfer einzufallen und Visionen zu erzeugen, die sie derart gefoltert haben, dass sie wahnsinnig wurden. Erst wenn er das letzte, köstliche Quentchen Leiden aus ihnen herausgekitzelt hatte, wenn sie um den Tod bettelten, machte er ihrem Leben schließlich ein Ende."

"Miss Potter." Ich setzte mich augenblicklich wieder richtig hin und blickte meinen Zaubertränkelehrer an. "Mir ist bewusst, dass sie erschöpft sind und nichts lieber wollen als zu ruhen, dennoch kann ich Ihnen dies leider nicht gestatten. Dies hier ist von äußerster Wichtigkeit." Fast bildete ich mir ein, dass Snapes Augen etwas Weiches, Mitfühlendes hatten, aber ich war wohl einfach zu erschöpft. "Bei richtiger Anwendung bietet die Macht der Okklumentik wirksamen Schutz vor dem Eindringen und der Beeinflussung von Außen. Im Zuge dieses Unterrichts werde ich mir alle Mühe geben abwechselnd in Ihren Geist einzufallen. Sie werden sich alle Mühe geben zu wiederstehen. Machen Sie sich bereit, Potter. Mit Ihnen fange ich an."

Harry spannte sich augenblicklich an und auch ich blickte nervös zwischen Snape und meinem Bruder hin und her. So sehr die beiden sich auch nicht leiden konnten, Snape war hier, um uns zu helfen. Hoffentlich verstand Harry das auch und sah diesen Unterricht nicht als weitere Möglichkeit, von Snape gequält zu werden. Eben jener hob nun seinen Zauberstab und rief: "Legilimens!"

Harry stieß immer wieder gequälte Laute aus und wand sich auf seinem Stuhl. Ich krallte meine Hände an die Lehnen des Stuhls. Es war fast nicht zum Aushalten meinen Bruder so leiden zu sehen. "Konzentrieren Sie sich, Potter. Verstanden?", mahnte Snape. So ging es weiter, bis Snape den Zauber nach einigen Minuten abbrach. "Jämmerlich, Potter. Sie haben es kein einziges Mal geschafft, wie eigentlich zu erwarten gewesen war. Hoffen wir, dass Ihre Schwester mehr Glück und Können hat, woran ich nicht zweifle. Machen Sie sich bereit, Miss Potter. Legilimens!"

Meine Finger krallten sich noch mehr in die Stuhllehne, meinen Kopf warf ich nach hinten und konnte einen Schrei nur halb unterdrücken. Bilder strömten auf mich ein. Verursachten einen stechenden Kopfschmerz. Ich sah einzelne Szenen aus dem Waisenhaus, in dem ich die ersten 11 Jahre meines Lebens verbracht hatte. Ich sah mich das erste Mal in der großen Halle. Die erste Begegnung mit Ginny und die erste Begegnung mit Colin. Mein erstes Quidditchspiel. Meine erste Umarmung mit meinem Bruder. Ich bei den Dursleys. Ich mit Pettigrew im Ministerium. Harry und ich bei der Begegnung mit dem Dementor. Harrys Anhörung.

Ich schrie und stemmte mich mit aller Macht gegen die fremde Macht in meinem Kopf. Ich packte sie, versuchte sie wegzudrücken und mit einem letzten Aufschrei schleuderte ich sie aus meinen Erinnerungen. Kraftlos und schwer atmend kippte ich nach vorne. Hände fingen mich auf und legten mich auf den Boden. Ich sah Harrys Gesicht verschwommen über mir. "Fantastische Arbeit, Miss Potter. Sie haben es tatsächlich geschafft", schnarrte Snape. "Ich hab's geschafft?", hauchte ich. Harry nickte wild mit dem Kopf. "Ja, du hast es geschafft", bestätigte er. Nun tauchte auch Snape wieder in meinem Blickfeld auf. "Trinken Sie das, Sie sind für heute fertig. Und Sie wieder zurück auf den Stuhl, Potter." Harry gehorchte und ich trank den Inhalt des Fläschchens, das Snape mir hinhielt. Fast sofort fühlte ich mich etwas besser und ließ mir von meinem Professor aufhelfen. Dieser brachte mich nicht zurück auf den Stuhl, sondern zauberte mit einem Schlenker seines Zauberstabs ein paar Kissen in eine Niesche, in die ich mich gleiten ließ. Dann setzte er die Übungsstunde mit Harry fort. Harry schaffte es kein einziges Mal, zumindest bekam ich es nicht mit, denn ich war irgendwann im Laufe der nächsten Stunde eingeschlafen.

Fröhliche Weihnachten!

Harry Potter und seine kleine Schwester 2Where stories live. Discover now