13.

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Sarah

Was war das? Mein Kopf brummte, als wären darin hunderte von Hummeln. Ich spührte meinen trockenen Hals, der nach Flüssigkeit geradzu ächzte.
Als ich verstand, dass ich offenbar am schlafen gewesen war, versuchte ich meine Augen zu öffnen, scheiterte jedoch kläglich, als mir ein grelles Licht entgegen schien. Also ließ ich sie geschlossen. Was war hier los?
Plötzlich kamen leichte Erinnerungen, an den letzten Abend in mir hoch, die je mehr Alkohol ich intus gehabt hatte, immer verschwommener und unübersichtlicher wurden. Doch an eines konnte ich mich genau erinnern: Wie Kai und Julian mich für zwei Frauen einfach links liegen gelassen hatten. Ich durchforstete meine Erinnerungen, ignorierte die Wut, die wieder in mir aufloderte, als ich plötzlich ein Bild vor Augen hatte, wie Kai, einen mir fremden Mann, böse und wütend ansah. Meine Verwirrung stieg, als das nächste Bild, dass ich vor Augen hatte, Kai und mich zusammen auf einer Straße sitzend, seinen warmen Arm um meine Schulter, zeigte. Ich versuchte das stechen und brummen in meinem Kopf zu ignorieren, während ich versuchte, mich an das Gespräch zu erinnern.
Als ich auch dadran scheiterte, überrannte mich das Bedürfnis, meine Augen erneut zu öffnen, diesmal sogar mit Erfolg. Ich sah mich in dem hellen Raum um. Die viel zu grelle Sonne schien durch das große Fenster herein und sofort erkannte ich, wo ich war.
Ich wandte mich in dem großen Bett in Julians Gästezimmer, um mein Handy zu suchen. Glücklicherweise, lag es auf dem Nachttisch direkt neben mir, weshalb ich mich aufsetzte und mein Handy in die Hand nahm.
Doch bevor ich es auch nur angemacht hatte, traten mir plötzlich Kais Worte in den Kopf. "Was hast du dir nur dabei gedacht?" , fragte er mich, wie durch einen Schleier. Ich strengte mich noch ein wenig mehr an und hörte seine Stimme jetzt klarer.
"Ne mit denen haben wir nur kurz geredet. Die wollten noch ewig bleiben, aber die waren echt nicht so. Irgendwie hatten die was mit einem Talentscout und der hat sich dann noch zu uns gesetzt." Ich versuchte, zu verstehen, in welchem Zusammenhang und wann er mir das gesagt hatte, als ich verstand, dass es sich hier bei um die zwei Blondinen handelte, deren Gesichter ich noch eins zu eins vor mir hatte.
Und ab dann, als hätte ich eine Blockade gelöst, erinnerte ich mich auch an den Rest des Abends. Er war wirklich nicht so verlaufen, wie ich es mir erhofft hatte, doch es war eine Achterbahn der Gefühle. Von losgelöst zu genervt über frustriert und sauer, bis hinzu Erleichterung und wohlfühlen, als ich schließlich in Kais Armen lag.
Nachdem sich meine Augen weitesgehend an die Helligkeit des Zimmers gewöhnt hatten, stieg ich aus dem Bett und lief in Jogginghose und Pulli, an welche ich mich nebenbei nicht erinnern konnte, angezogen zu haben, ins Wohnzimmer. Ich sah mich nach Julian um, erkannte jedoch dunkelbraune Locken auf dem Sofa, was mich dazu veranlasste, näher hinzugehen. Ich sah einen schlafenden Kai, wie er auf dem Bauch liegend sich auf dem viel zu kleinen Sofa versuchte auszubreiten. Auch wenn ich sehr gut im Gästebett hatte schlafen können, wollte ich es Kai das nächste mal anbieten. Auch wenn er wirklich friedlich und dabei zugegebenermaßen auch wirklich süß aussah, konnte dies nicht wirklich bequem sein.
"Na? Lebst du noch?" , hörte ich plötzlich Julians Stimme hinter mir. Als hätte er mich bei etwas verbotenem ertappt, drehte ich mich um und sah verlegen in sein breites Lächeln.
"Mmh, gerade noch so." , entgegenete ich, was auch der Wahrheit entsprach. Abgesehen von meinem brummendem Schädel, machte auch mein Bauch nicht gerade einen stabilen Eindruck, mir war zwar nicht schlecht, ich war aber auch nicht ganz sicher, dass dies heute nicht noch passieren konnte.
Julian deutete mir, zum Tisch zu kommen, was ich nach einem letzten Blick auf Kais vollkommenes Gesicht, auch tat. Ich nahm ihm gegenüber Platz und sah meinen besten Freund fragend an, als er mir zuerst ein paar Tabletten und ein Wasser in die Hand drückte und danach ein Ipad, welches irgendein YouTube Video anzeigte. Ich nahm die Tabletten ohne zu zögern oder zu fragen, was es für welche waren und trank das ganze Glas Wasser schnell aus, während das Video laden musste. Ich war Julian dankbar, dass er nicht viel über gestern sprach, er lächelte nur amüsiert, wahrscheinlich war es ihm keine Überraschung, dass es mir jetzt schlecht ging. Auch wenn ich eigentlich noch eine Entschuldigung für die Sache mit den Barbies erwartete, wollte ich nicht wissen, was ich gestern peinliches unter dem Alkoholeinfluss noch gesagt hatte, also fragte ich auch nicht und Julian sagte ebenfalls nichts.
Als das Video endlich geladen hatte, war zuerst das Logo des Dfb zu sehen, weshalb ich schnell erkannte, um was für ein Video es ging. Nach kurzer Nachfrage an Julian bestätigte er mir diese These und das Video begann. Nach einer kurzen Erklärung des Spiels, wurden immer abwechselnd die einzelnen Gruppen gezeigt, welche auf die Fragen antworteten. Kai und Julian, mein Bruder zusammen mit Mats Hummels und Serge Gnabry zusammen mit Leon Goretzka.
Mein Interesse, war nicht hundertprozentig bei dem Video. Ich versuchte meinen Blick zwar auf dem viel zu hellen Bildschirm haften zu lassen, hatte jedoch das Bedürnis, immer wieder nach Kai zu sehen. Als Julian mich alleine im Esszimmer ließ, um die Spühlmaschine auszuräumen, huschte mein Blick automatisch zu dem Sofa auf dem Kai immer noch friedlich schlief. Ohne, das ich es kontrollieren konnte, stellte ich mir vor, diese Wohnung wäre unsere, seine und meine. Er sei auf dem Sofa eingeschlafen und ich wollte ihn nicht wecken, weshalb ich mich leise davon gestohlen hatte.
Ich schüttelte nur den Kopf. Warum war ich so? Hatte ich etwa immer noch Alkohol intus, welches es mir erschwerte, klar zu denken?
Also sah ich das Video an, die meisten Fragen interessierten mich gar nicht wirklich. Joshua und Mats waren sogar ein ziemlich gutes Team, sie hatten 7 von 10 Fragen gleich beantwortet. Bei Leon und Serge lief das ganze ein wenig schlechter, aber auch nicht so schlimm, sie hatten 5 von 10 richtige Antworten. Doch Kai und Julian waren die besten der 3 Teams, wenn sie die letzte Frage, die nun kam, gleich beantworteten, haben sie alle außer einer gleich, was den Sieg für die beiden bedeutete. Ich muss zu geben, die beiden hatten aber auch ziemlich einfache Fragen, wie zum Beispiel: "Was gehört zu einem  richtigen Jungsabend dazu?" Julian und er hatten natürlich wie aus einem Mund "Fifa" geantwortet, was mich zum lachen gebracht hatte.
"Okay, hier kommt die letzte Frage." , dröhnte es aus dem Ipad, während Julian mir wieder gegenüber Platz nahm. "Wer  ist das schönste Mädchen, dass ihr kennt?" , fragte der Assistent. Was war das denn für eine Frage? Ich sah zu Julian, der nur die Achseln zuckte. Er grinste mich an, was mich zum Nachdenken brachte. Wen würde Julian wohl nennen? Vielleicht seine Schwester? Vielleicht irgendein Model? Und die größere Frage war, was für einen Namen würde Kai wohl sagen? Würde ich die Frau kennen? Würde mich das Eifersüchtig machen?
Die Antwort war klar, als ich im Video in Kais Gesicht sah und er keine Sekunde gebraucht hatte, um sich zu entscheiden. Wie konnte das sein? Er kannte doch so viele Frauen, wie konnte er da überhaupt eine schöner, als die andere finden?
Ich spührte Julians Blick auf mir, als der Assistent bei 0 war. "Sarah Kimmich!" , hörte ich plötzlich Julians und auch Kais Stimme aus dem Ipad.
Mein Herz klopfte wie wild, als ich realisierte, was ich gerade gehört hatte. Sie hatten meinen Namen gesagt. Und das nicht nur Julian, mein bester Freund, sondern auch Kai, der Mann, von dem ich mich auf komische Weise so angezogen fühlte.
Ich sah zu Julian, meine Augen weit aufgerissen, doch er zuckte wieder nur mit den Achseln, ein breites Grinsen im Gesicht.
Ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte. Sollte ich danke sagen, ihn anlächeln, lachen? Ich wusste es nicht, ich war einfach nur überwältigt. Das Julian mich als die hübscheste Frau empfand, die er kannte war ja schon unglaublich und unglaubwürdig, aber Kai? Er kennt doch so viele Frauen. Frauen, die eine bessere Figur haben, als ich, eine schönere Lache, wahrscheinlich kannte er auch so viele Frauen, die auch einen besseren Charakter hatten, als ich. Und trotzdem hatte er meinen Namen gesagt. Der Mann, für den ich wahrscheinlich mehr, als nur Freundschaftliche Gefühlte hatte, empfand mich, als das hübscheste Mädchen, das er kannte. Das konnte nicht wahr sein.
Mein Herz, von dem ich dachte, es könnte nicht noch schneller schlagen, verschnellerte sich plötzlich, als ich eine verschlafene Stimme hinter mir hörte. "Was schaut ihr da an?" , fragte Kai, was mich dazu veranlasste, mich umzudrehen und ihn anzusehen.
Er verstand, um was es geht, als er die Röte in meinem Gesicht und den Bildschirm des Ipads, mit dem Video der beiden sah, welches ich pausiert hatte.
Ich hörte Julians Lache hinter mir, als Kai ganz leicht errötete und sich durch die Haare fuhr und auf den Boden sah.
Ich war immer noch zu überwältigt, zu geschockt, um irgendwie zu handeln, geschweige denn irgendetwas zu sagen.
Als das Video plötzlich weiter lief, drehte ich mich um und sah Julian an, der es wieder weiter laufen ließ, immer noch höchst amüsiert.
Ich wandte meinen Blick auf den Bildschirm, dankbar, Kai nicht mehr ansehen zu müssen, ohne zu wissen, was ich sagen sollte oder wollte.
Der Kai im Video sah Julian schockiert und verwirrt an, was ich nicht ganz verstand, doch Julian fing direkt an zu lachen. Dann schaltete sich die Stimme des Assistenten ein: "Soso, wer ist Sarah Kimmich und in welcher Beziehung steht ihr denn zueinander?"
Julian ergriff nach einem kurzen Blick zu dem schweigenden Kia das Wort: "Sarah ist die Schwester von Joshua Kimmich. Wir kennen uns jetzt schon länger und sind wirklich gute Freunde."
Dann pausierte Kai plötzlich das Video und machte das Ipad ab. Ich sah fragend zu ihm hoch, er stand schräg hinter meinem Stuhl. "Alter, das Video ist noch nicht fertig." , sagte Julian, während er immer noch lachte.
"Sarah, kann ich dir das erklären?" , fragte mich Kai, ohne Julian auch nur anzusehen. Was wollte er denn erklären? Doch, da ich meine Stimme immer noch nicht wieder gefunden hatte, ließ ich ihn reden. "Es tut mir wirklich so leid, ich wollte das alles nicht, du musst-"
"Warte mal kurz!" , unterbrach ich ihn. Entschuldigte er sich gerade etwa dafür, dass er mich hübsch fand? Oder sagte er das jetzt, um das Missverständnis aufzuklären. Wahrscheinlich sagte er mir gleich, er empfand mich garnicht, als das hübscheste Mädchen, er hatte es einfach nur so gesagt. Das würde wenigstens Sinn ergeben. "Entschuldigst du dich gerade bei mir?"
"Ja, es tut mir-" , begann er wieder und setzte sich jetzt neben mich.
"Wieso entschuldigst du dich?" , fragte ich. Ich war komplett verwirrt. Auch wenn ich eine Vermutung hatte, was er gleich sagen würde, ich wollte es von ihm hören. In meinem Kopf schrie ihn eine Stimme gerade zu an: "Los, Kai, brech mir das Herz! Sag mir, du findest mich gar nicht hübsch, sag mir du hast gelogen!"
"Weil, naja, alle die das Video jetzt anschauen, wissen bescheid." , sagte er und sah auf den Boden, seine Stimme leiser werdend.
Ich verstand gar nichts mehr. Ich sah mich nach Julian um, vielleicht verstand er Kai und konnte mir helfen. Doch er war nicht mehr da, er saß mir nicht mehr gegenüber und war auch sonst nirgends im Raum zu sehen. Also wand ich mich wieder Kai zu, welcher mir jetzt nur noch wenige Zentimer entfernt war. "Über was bescheid wissen?" , fragte ich.
Mein Herz klopfte, wie wild, als Kai plötzlich seine große Hand an meine Backe legte. Ich sah in seine grünen Augen, während er immer näher auf mich zu kam. Kurz, bevor seine Lippen meine berührten, brach ich die Entfernung zwischen uns, als hätte eine höhere Macht es mir befohlen  und legte meine Lippen behutsam auf die seinen. Mich durchfuhr die Leidenschaft, wie ein Blitzschlag, als unsere Lippen sich plötzlich gemeinsam bewegten und Kai mein Gesicht zwischen seine Hände nahm, um mich noch näher zu sich zu ziehen.
Als wir uns wieder von einander lösten, spührte ich immer noch eine Wärme, die mich umgab. Ich sah in Kais grünen Augen und lächelte über das gerade eben geschehene. Kai legte seine Stirn behutsam gegen meine, während ich meine kleinen Hände an seine warmen Wangen legte. Er lächelte mich an, was ich erwiderte. Wir saßen ein paar Sekunden einfach nur so dar, lauschten unserer Atemzüge, bis sie nur noch wie einer klangen, als Kai sich wieder ein paar Zentimeter entfernte, um mir in die Augen zu sehen. "Vielleicht ist es doch ganz gut, dass alle Bescheid wissen, dass ich dich hübsch finde." , sagte er mit einem leichten Lächeln auf den Lippen, was auch mich lächeln ließ. "Ich habe nur ein wenig Angst vor deinem Bruder." , sagte er nach ein paar weiteren Sekunden, was mich zum lachen brachte. "Das schaffen wir schon." , sagte ich, bevor ich meine Lippen wieder auf seine legte.

Es war mir egal, was Joshua denken oder sagen würde. Ich dachte nicht an ihn, dachte nicht an Julian oder sonst irgendjemanden, der uns im Weg stehen könnte. Kai und ich hatten uns gefunden und das war alles, was jetzt gerade zählte.

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