Schwarz

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Die hohen Hausfassaden ließen nur eine warme Brise zu, die mein Haar zerzauste. Trotzdem war es eiskalt, frostig in meinem Inneren.
Schwarz. Alles schwarz.
Der Geruch von Sommerblümchen stieg mir in die Nase. Betörend, lockend, doch ich wusste nicht, woher es kam.
Nutzlosigkeit breitete sich in meinem Körper aus und ein dicker Kloß bildete sich in meiner Kehle. Wieso? Wieso ich und nicht die anderen, die sich fröhlich an mir vorbei drängten?
Schwarz. Alles schwarz.
Langsam hob ich eine Hand, strich mit den Fingerspitzen über den rauen Stein des Hauses. Er fühlte sich warm, ja schon fast vertraut an, obwohl ich es nicht sagen konnte. Orientierungslos irrte mein Blick umher, aber erfasste nichts.
Mit vor Schmerz aufgerissenen Augen wandte ich mich ab. Setzte einen Fuß vor den anderen, darauf bedacht, den mir entgegen kommenden Menschen auszuweichen. Jemand streifte meine Hand mit der Seinen. Ein Bild zuckte vor meinem inneren Auge auf und ein wehmütiges Lächeln legte sich auf meine Lippen. Es war eine Sonnenbrille gewesen, die der Fußgänger in der Hand gehalten hatte. Ich brauchte sie nicht mehr, schon lange nicht mehr.
Aber dennoch war es, als würde ich in einen Abgrund stürzen, so pechschwarz und nebelig wie meine Gedanken.
Schon lange schwarz. Schwarz.
Meine Knie zitterten und drohten, unter dem Gewicht, das auf meinem Körper lastete, nachzugeben. Nein, ich durfte dem nicht nachgeben! So straffte ich meine Schultern und stählte den Blick. Ich musste stark bleiben, auch wenn alles schwarz war. 'Für mich ist es normal', versuchte ich mir einzureden, doch es half nicht.
Die Blätter der Ranken am Balkon raschelten tröstend und die Laternen knarzten im Wind. Er ergriff meine Jacke, bauschte sie auf und spielte mit ihr.
Wieso konnte ich das Geschehen nicht sehen?
Tränen stiegen mir in die Augen. Nutzlose Augen.
Denn ich war blind.
Schwarz. Alles schwarz.

Kurzgeschichten-SammlungWhere stories live. Discover now