Kapitel 5: Cui bono?

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Als die Hochzeit vorbei war, wurde Ivy von Elias zu einem schwarzem, glänzenden Wagen geführt. Ivy bemühte sich, so langsam wie möglich auf das Auto zuzugehen. Denn er wusste, dass Elias ihn jetzt in sein eigenes Haus fahren würde; fort in ein anderes Haus an einem anderen Ort, an dem Ivy nicht zuhause war und an dem alle möglichen Gefahren lauern konnten.

Aber Elias zog ihn ungeduldig mit sich mit. „Hör auf so zu schlurfen", knurrte er ärgerlich, und mit einem Blick auf Ivys hängenden Kopf und niedergeschlagene Augen, fügte er hinzu: „Und schau mich an, wenn ich mit dir rede, Omega. Du verhälst dich respektlos."

Das war vermutlich der erste Satz, den Elias bisher direkt an Ivy adressiert hatte. Ivy hob den Kopf und begegnete dem Blick seines Alphas. Für den Bruchteil einer Sekunde spürte der kleine Omega blanken Hass in sich aufsteigen. ICH bin also derjenige, der sich hier respektlos verhält, ja?! , dachte er wütend. Wie immer schluckte er den Zorn sofort herunter. Nun fühlte er nur noch Furcht und Scham. „Entschuldigung", flüsterte er und ließ sich weiter mitschleifen.

Während sie den Rest der Strecke zum Wagen zurücklegten, tastete Ivy unauffällig nach dem Ring an seiner rechten Hand. Seine Finger fuhren über das glatte Metall und probeweise versuchte er, den Ring von seinem Finger zu ziehen – es ging nicht. Egal wie sehr Ivy sich auch konzentrierte, sobald Ivy den Ring bewegen wollte, erstarrten seine Finger und hörten auf ihm zu gehorchen. Er konnte den Ring an seinem Finger nicht mal drehen oder auch nur um einen einzigen Millimeter verschieben. Mit aller Macht kämpfte er die Panik nieder, die ihm die Luft abzuschnüren drohte. Stattdessen ließ er sich mit weiten Augen passiv hinter Elias herziehen.

Kurz bevor sie das Auto erreicht hatten, trat Mister Steel noch einmal auf sie zu, um sich von Ivy zu verabschieden. Widerstrebend ließ Elias Ivy los und Ivy war dankbar für die Verzögerung.

Mister Steel legte Ivy väterlich eine Hand auf die Schulter. „So – nun ist es also so weit", sagte er mit einem breiten Lächeln und einem Blick auf Ivys Ring. „Dein neues Leben beginnt, Ivy."

Ivy hielt den Kopf gesenkt. „Ja, Papa", flüsterte er schwach. Seine Finger öffneten und schlossen sich langsam.

Er sah nicht aus wie ein glücklicher Omega an seinem Hochzeitstag. Er sah aus, als würde er jeden Moment in Ohnmacht fallen. Sein Vater seufzte. „Jetzt mach doch mal kein Gesicht wie drei Tage Regenwetter. Das hier ist dein Schicksal – das Schicksal eines Omegas. Ich bin mir sicher, du wirst bald vollkommen in deiner neuen Rolle aufgehen!"

Ivy blieb stumm und schaute weiter auf seine Füße. Er begann lautlos zu zittern, seine abgekauten Fingernägel bohrten sich in seine Handflächen und seine Lippen bebten. Mit einem Mal füllten seine niedergeschlagenen Augen sich wieder mit dicken Tränen, die seine geröteten Wangen hinunterkullerten.

„Ivy – jetzt hör doch bitte auf zu weinen!", entfuhr es seinem Vater bestürzt. „Was soll dein Mate bloß von dir denken, wenn du immer so emotional bist..."

Elias lächelte, hob eine Hand an Ivys Wange und wischte ihm eine seiner Tränen fort. „Keine Sorge, Mister Steel. Ich denke, Ivy sieht auch weinend wunderschön aus..."

Bei diesen Worten zuckte Ivy zusammen und machte einen Schritt nach hinten, so dass Elias' Hand von seiner Wange fiel. Elias versuchte nicht noch einmal, Ivy zu berühren, aber das überlegene Lächeln blieb.

Ivys Vater versuchte währenddessen unbeholfen, Ivy notdürftig zu trösten. „Na, na, das wird doch alles nicht so schlimm. Jeder Omega wünscht sich doch einen Alpha." Er klopfte Ivy ein paarmal ratlos auf den Rücken. „Eigentlich wollte ich mich jetzt von dir verabschieden, Ivy. Dein neues Leben wartet auf dich. Versprich mir, dass du dein Bestes geben wirst, ja? Mach deinen Alpha glücklich und mich stolz."

Poison HeartsWhere stories live. Discover now