Zwar ließ der Schmerz nicht nach, aber er wurde kontrollierbar. Durch einen Tränenschleier hindurch konnte Nami die besorgten Gesichter der anderen sehen. Prof lag noch immer am Boden, neben ihm eine Wasserflasche, mit der er getränkt wurde. Die Temperatur im Schatten war vergleichsweise erfrischend. Man hatte ihren Armstumpf abgebunden, was die Blutung dämpfte. Sie fühlte sich schwach, als litte sie unter hohem Fieber. Nun war es wohl an ihr, als nächstes abzutreten.
„Es tut mir leid", durchbrach David die Stille.
„Wirst du jetzt rührselig?", blaffte Nami ihn an.
„Diese ganze Sache fängt an, mir über den Kopf zu wachsen ..."
„Dabei bist du doch erst seit Kurzem wieder unter den Lebenden?"
David verengte die Augen, aber er ließ sich nicht auf einen Streit ein. Sie wäre ohnehin kaum in der Lage gewesen, ihn zu führen. Am liebsten hätte sie gar nichts mehr gesagt. Aber sie redete sich ein, sie selbst sein zu müssen. Wenn sie schwieg und in sich versank, würde sie sicher sterben. Wie ein Erfrierender, der in einer Eiswüste nur ein kurzes Nickerchen halten will.
„Unsere Aufgabe bestand in einer längerfristigen Aufklärungsmission. Wir sollten die Schwachpunkte dieser Bestien finden, eine Möglichkeit, ihnen den Hahn abzudrehen. Ich habe meiner Frau versprochen, dass sie sich keine Sorgen machen muss." Er senkte den Kopf, worauf Eddie ihm tröstend den Arm auf das Schulterblatt legte.
„Hast du eine Ahnung, was es bedeutet aufzuwachen und sich im Krieg zu befinden? Tagtäglich fallen Horden dieser Bastarde über uns her. Wir mussten unser Hauptquartier unter die Erde verlegen, um uns zu verstecken. Doch selbst da haben sie uns gefunden, Tunnel gegraben. Es ist wie ein Gefängnis, dem man nicht mehr entrinnen kann. Dort drinnen stirbt jegliche Hoffnung in dir!"
„Und damit begründest du, dass du ein Arschloch geworden bist?" Nami versuchte zu grinsen, aber selbst das Verziehen der Mundwinkel bereitete ihr Schmerzen.
„Das Einzige, was dich hier am Leben hält, ist der Funke Glaube daran, dass wir irgendwann zurückkehren. Vielleicht kennst du das nicht."
Damit hatte er im Grunde Recht. Sie war im Zuge der Mission geboren geworden, ein ungeplanter Teil eines Forschungsprojekts. Es gab niemanden, zu dem sie zurückkehren wollte oder konnte. Selbst wenn ihr Tun von Erfolg gekrönt wäre, würde sich an ihrem Leben nicht viel ändern. Außer vielleicht, dass sie nicht ständig um ihr Leben fürchten musste. Jedenfalls solange sie sich nicht fortpflanzte. Das Alte musste dem Neuen weichen – ein Grundsatz der Kinder des Ares. Entweder man würde sie über ihr Armband töten und jegliche Spur ihrer DNA vernichten, oder ihr Nachkomme würde es tun. Genauso wie sie ihre Mutter hatte beseitigen müssen.
„Und ihr glaubt, dass wir euch helfen können?"
„Unsere Schiffe sind allesamt nur noch Schutt."
„Wenn ihr glaubt, dass wir Freikarten für eine Heimreise zur Erde haben, dann täuscht ihr euch." Sie spuckte einen blutigen Brocken Schleim aus. „Die werden hierbleiben, bis alle Lilim auf Namic III ausgeschaltet sind. Bis ihre Biosphäre derartig geschädigt ist, dass ihnen die Lebensgrundlage fehlt."
„Das würde ihnen doch nur einen Grund liefern, auch die restlichen Lilim zur Erde zu senden!"
Nami zuckte die Schultern. „Selbst wenn – dann sind es zumindest die letzten ihrer Art. Der Nachschub wird stoppen und wir können uns darauf konzentrieren, die Erde von ihnen zu säubern."
„Das ist Wahnsinn!"
Nami antwortete nicht, griff sich eine der Flaschen und leerte sie mit mehreren Zügen aus. Ihre Vorräte schwanden dahin, wie ein Tropfen Wasser in der brennenden Sonne. Sie hatte ihre Aufgabe nie infrage gestellt. Es galt zu tun, was der Computer ihr vorschrieb. Sicherlich hatte irgendein kluger Kopf sich schon etwas dabei gedacht. Oder der immense Arbeitsspeicher eines Hochleistungsrechners.
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Die Kinder des Ares
Science FictionStell dir vor, dein Chef gibt dir den Befehl, deinen einzigen Freund umzubringen. Machst du es mit den Händen oder doch lieber mit der Knarre? Namic III, 3004 n. Christus: Nami ist Teil eines Teams, dessen Aufgabe die schrittweise Vernichtung der h...