21. Kapitel

23 7 7
                                    


„Und wohin jetzt?", wollte Regenpfote von seinem Bruder wissen. Es war ja schließlich seine Idee gewesen.

„Wir springen auf die Mauer und rennen in die Richtung, die Nero genommen hat", verkündete er.

Regenpfote musste einen kleinen Anlauf nehmen, um hinauf zu springen. Sturmpfote folgte ihm dicht auf den Pfoten, doch mit seinen müden Beinen schaffte er es nicht hoch genug. Nun hing er zur Hälfte auf der Mauer und krallte sich verzweifelt an dem Stein fest.

Bevor er weiter abrutschen konnte, spürte er scharfe Krallen in seinem Nackenfell. Regenpfote zog ihn mühsam nach oben.

„Das war aber knapp!", nuschelte er erleichtert durch die Katzenminze. „Du hättest ruhig ein wenig vorsichtiger sein können!", bemerkte Sturmpfote.

Regenpfote hatte seine Krallen bis unter seine Haut gebohrt und das tat entsprechend weh.

Sturmpfote schüttelte seinen Pelz aus und rannte seinem Bruder eilig nach, der schon voraus gelaufen war.

Die beiden Brüder waren schon an drei Gärten an der Mauer vorbeigelaufen und noch immer gab es keine Spur von dem schwarz-weißen Kater.

„Schauen wir mal in diesen da!", schlug Regenpfote beim vierten Garten vor. „Ok!", stimmte Sturmpfote zu und sprang hinab.

„Hallo, Freunde!", miaute auf einmal eine Stimme hinter ihnen. Sturmpfote drehte sich erschrocken um, denn die Katzenminze hatte Neros Geruch überdeckt.

Um seine Unsicherheit zu überspielen, nuschelte er: „Wir sind nicht deine Freunde! Wir brauchen nur deine Hilfe."

„Ah ja? Dann habt ihr euch verlaufen?", fragte er nach.

Sturmpfote und Regenpfote legten ihre Katzenminze ab. Regenpfote stieß seinen Bruder mit dem Kopf in die Seite, um ihn daran zu erinnern, was sie ausgemacht hatten.

Zögernd begann Sturmpfote zu sprechen: „Ja, wir haben uns verlaufen und wir brauchen deine Hilfe!" Regenpfote schnippte mit seiner Schwanzspitze über Sturmpfotes Ohr und sah ihn scharf an. Daraufhin miaute dieser: „Könntest du uns bitte den Weg zurück zum Wald zeigen?"

„Aber natürlich kann ich das! Ich kenn den Zweibeinerort so gut wie meine Westentasche!", meinte er.

„Westentasche? Was ist denn das?", fragte Regenpfote verwirrt. „Das ist so ein Zweibeinerding, wie ihr sie nennt. Sie sagen das so, wenn sie etwas sehr gut kennen", erklärte Nero.

Was für ein komisches Wort. Westentasche, dachte Sturmpfote. Zweibeiner sind eben verrückt.

In dem Moment, in dem die beiden Brüder ihre Bündel Katzenminze wieder aufnahmen, knurrte so laut ihr Magen, dass es sogar Nero hörte.

Er sah die beiden mitleidig an. „Ihr seid ja fast ausgehungert! Kommt erst einmal mit und stärkt euch!", bot er freundschaftlich an. Sturmpfote und Regenpfote wussten nicht so recht, ob sie das Angebot annehmen sollten.

„Wir fressen aber kein Hauskätzchenfutter, nur damit du es weißt, wir sind Krieger!", verkündete Sturmpfote. Regenpfote musste ihm diesmal beipflichten und nickte zustimmend.

„Ich könnte euch sowieso mein Futter nicht geben! Mein Zweibeiner würde euch nicht ins Haus lassen!"

„Du meinst das Zweibeinernest, oder?", fragte Regenpfote nach. „Ja! Also, hinter dem Zweibeinernest, steht eine Scheune. In der wimmelt es nur so von köstlichen Mäusen. Die sind selbst jetzt noch schön fett und saftig!", schwärmte Nero.

Sturmpfote fragte sich unsicher, ob sie das Angebot annehmen sollten. Natürlich hatten sie Hunger, aber das hatte jede Katze im Clan. Auf einer Jagdpatrouille darf man nichts essen, da der Clan zuerst versorgt werden muss, andererseits darf man auf einer Grenzpatrouille das essen, was man fängt.

Wenn es in der Scheune wirklich so viele Mäuse gibt, könnten wir doch welche mitnehmen, dachte er sich. Diesen Gedanken verwarf er jedoch schnell, da sie die Mäuse mit der Katzenminze sowieso nicht würden tragen können.

„Na gut! Aber es darf nicht zu lange dauern!", stimmte Sturmpfote widerwillig zu, als sein Magen wieder laut knurrte.

Nero führte sie einen schmalen Weg am Zweibeinernest vorbei und dann noch eine Art Donnerweg hinauf. Er bestand nicht aus diesem schwarzen Zeug, sondern aus kleinen Steinchen.

Vor ihnen ragte das größte Zweibeinernest auf, das sie je gesehen hatten. Es bestand vollständig aus Holz und war anscheinend schon sehr alt, denn an vielen Stellen war das Holz morsch oder schon ganz weggebrochen.

Sturmpfote blieb vor einem großen Spalt stehen, durch den sicherlich zwei Katzen gleichzeitig durchpassen würden. Ein verführerischer Duft von Mäusen wehte ihm entgegen und ließ ihm das Wasser im Maul zusammen laufen.

Nero ging an ihm vorbei und trat in die schummrige Dunkelheit der Scheune. Regenpfote und Sturmpfote folgten ihm zögernd. „Willkommen im Paradies!", miaute Nero einladend.

Sobald sich Sturmpfotes Augen an das wenige Licht, das durch Ritzen und Löcher ins Innere drang, gewöhnt hatten, konnte er riesige Stapeln von Heu erkennen, die fast bis zum Dach des Nests aufragten.

Sturmpfote konnte es nicht mehr abwarten und ließ seine Katzenminze fallen. Er schoss auf einen Mäuseschwanz zu, der gerade hinter einer Ecke verschwinden wollte, doch als er dort ankam, war die Maus längst verschwunden.

Nero schnurrte amüsiert und miaute: „Ich zeige euch wie es geht!" Dann trabte er gemütlich zu einem kleinen Spalt zwischen zwei Heuballen. Er ließ sich daneben ins Jagdkauern sinken und verharrte ganz still. Sturmpfote und Regenpfote schauten ihm neugierig zu.

Plötzlich erschien eine winzige Maus in dem Spalt. Sie streckte vorsichtig ihre Nase heraus. Nero wartete, bis ihr ganzer Kopf zu sehen war und noch ein kleines Stück. Wie ein Blitz schoss Neros Vorderpfote mit der hervorstehenden Kralle hervor und packte die Maus. Mit einem Schnellen Biss ins Genick tötete er sie und brachte sie zu den beiden Brüdern.

Sturmpfote und Regenpfote staunten nicht schlecht, als er die fette Maus vor ihren Pfoten fallen ließ. „Wie hast du das gemacht?", fragte Sturmpfote überrascht. „Wichtig ist nur, den richtigen Zeitpunkt abzupassen!", antwortete er.

„Die Maus ist für euch!" „Nein, danke. Wir wissen jetzt ja wie es geht und können uns selbst eine fangen, aber trotzdem danke!", miaute Regenpfote höflich und schon war er hinter einem Heuballen verschwunden. Sturmpfote nahm die andere Seite.

Warrior Cats - Düstere SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt