Kapitel 32

44 3 4
                                    

Verständnislos blickte er sie an: "Wie - Woher?" Lumi lächelte. "Als du mir das Bild gegeben hast, hab ich sie direkt wiedererkannt. An ihre blonden Locken erinnere ich mich noch genau. Ich habe jemanden gebraucht, der auf Shi aufpasst. Ich musste jeden Tag arbeiten, um die Wohnung zu finanzieren und Shi war noch zu klein, um alleine zu bleiben. Wir waren erst ganz frisch in Konoha angekommen. Ich habe eine Art Anzeige aufgegeben. Erst hat sich niemand gemeldet, aber irgendwann stand sie vor meiner Tür. Ich fand sie großartig und Shi auch. Sie hat nie irgendwelche Fragen gestellt, warum unsere Eltern nie daheim waren und warum ich arbeiten ging. Fast täglich war sie bei uns. Ich hab mich gerne mit ihr unterhalten, wenn ich nachhause gekommen bin. Sie war immer geblieben, bis ich wieder heimgekommen bin, auch wenn ich ungeplante Überstunden gemacht habe. Ich weiß nicht warum, aber Natsuki hat immer viel mehr getan, als sie überhaupt sollte. Sie hat ständig für uns gekocht. Naja, jetzt weiß ich auch, warum sie das so gut konnte, wenn sie vom Besten gelernt hat", kicherte sie, "Sie hat oft mit uns gegessen. Ab und an hat sie mir über ihren Freund erzählt, der ein klasse Ninja ist und deshalb manchmal länger weg war. Währenddessen hat sie mehr Zeit bei uns verbracht. Sie hat mir bei vielem geholfen und mir unter die Arme gegriffen, wo sie nur konnte. Dann hat sie immer leise vor sich hingesungen, wenn sie mir beim Aufräumen geholfen hat. Ich hab mich immer gefreut, wenn sie gesungen hat. Sie hatte eine wunderschöne Stimme. Weißt du, ich hab sehr zu ihr aufgesehen. Ich wollte immer wie sie sein. Vor allem, als sie mir den Ring unter die Nase gehalten hat, den ihr ihr Freund geschenkt hat. Sie hat immer gestrahlt, wenn sie von dir geredet hat, Kakashi." Ihr Herz zog sich zusammen, wenn sie daran dachte, was mit Natsuki passiert war.
"Als sie schwanger wurde, habe ich sie entlassen. Es war eh schon immer ein Kampf Natsuki ihren Lohn zu geben, da sie ihn nie annehmen wollte, aber als sie der festen Überzeugung war, dass sie weiter jeden Tag bei mir antanzten könnte, obwohl sie schwanger ist, musste ich sie gehen lassen. Ab und zu kam sie noch vorbei, um nach mir und Shi zu sehen, bis sie irgendwann nie wieder auftauchte. Ich wusste nicht, dass sie noch verstorben ist, bevor sie überhaupt ihr Kind hat gebären können."

Kakashi starrte Lumi an, als hätte er einen Geist gesehen. Sie hätte ihm genauso gut von einem roten Elefanten erzählen können, der täglich mit ihr Gassi ging und seine Kinnlade würde nicht weniger tief hängen.
"Du hast sie gekannt?", fragte er perplex und sah wieder auf das Bild in seiner Hand, dann wieder zu Lumi.
"Scheint so", zuckte sie mit den Schultern, konnte sich aber ein Lächeln nicht verkneifen. Es machte sie glücklich, dass er der Freund war, von dem Natsuki immer geschwärmt hatte.
"Dann bist du das kleine Mädchen, über das sie immer geredet hat. Das mit dem Dickkopf!", fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Was war das den für ein bescheuerter Zufall?
"Sie hat immer mit mir gerätselt, was mit deinen Eltern geschehen ist! Wir dachten, ihr wärt von daheim weggerannt, weil sie immer meinte, dass du dich an deine eigene Wohnung rangschlichen hast wie ein Einbrecher, dass dich auch ja keiner sieht. Erst dachte sie, du bist ein bisschen verrückt, aber irgendwann hat sie sich ständig Sorgen um dich gemacht. Sie meinte, sie bringe es nicht übers Herz dich mit dem ganzen Haushalt alleine zu lassen. Und sie hat es nicht ertragen, dass du so dünn bist. Deshalb hat sie immer gekocht!"
Lumi schüttelte ungläubig ihren Kopf.
"Und sie hat nie meinen Namen erwähnt?"
"Sie hat das Mädchen, von dem sie erzählt hat, immer Shirayuki, Schneewittchen, genannt. Sie meinte, etwas stimme nicht mit dir, deshalb wollte sie mir deinen Namen nicht nennen", erwiderte er. Ob sie damals schon alles gewusst hat? Ob sie herausgefunden hatte, dass Uso nicht ihr richtiger Name war? Selbst wenn, hatte Natsuki sie gedeckt und beschützt.

Sie saßen noch eine ganze Weile in der Höhle, eng aneinander gekuschelt und tauschten sich über Natsuki aus. Erst spät in der Nacht packten sie alles zusammen und liefen Hand in Hand ins Freie. Der Mond war schon längst untergegangen, als sie am See entlang liefen. Sie hatten ihre Schuhe ausgezogen und liefen über das weiche Gras, das an ihren Zehen kitzelten. Das Rauschen des Wasserfalls wurde immer leiser und sie genossen den leichten Wind, der ihnen durchs Haar fuhr.

Abrupt blieb Kakashi stehen und drehte sich ihr zu. Sein Gesicht war kreidebleich und sie ahnte, dass er sich gleich übergeben würde.
"Was ist?", fragte sie und strich besorgt mit ihren Fingern über seinen Handrücken.
"Es tut mir leid, was ich zu dir gesagt habe. Ich habe mich nicht eklig gefühlt wegen dir, das musst du mir glauben! Ich hab mich vor mir selbst gewidert, weil ich daran gedacht habe, wie ich Natsukis Leben beendet habe", stammelte er panisch und sie glaubte, dass er jeden Moment gleich wieder anfangen würde zu weinen.
"Das meinst du...", sagte sie und lächelte zaghaft, "Ist schon vergessen."

Er ließ ihre Hand los und griff nach ihrem Kopf. Dann küsste er sie. Sanft. Mit seinem Daumen streichelte er zärtlich ihre Wange und zog sie näher zu sich. Sie legte ihre Hand auf seine Brust und krallte sich in den Stoff seine Pullis, als sie sich auf Zehenspitzen drückte, dass er sich nicht so tief zu ihr runterbücken musste. Der Kuss war zart und intensiv. Würde es nach ihr gehen, würden sie hier für immer stehen bleiben. Doch als ihr Magen knurrte, löste er sich von ihr und sah sie böse an. "Wann hast du zuletzt was gegessen?", fragte er und sie lächelte ihn unschuldig an.
"Wie lang war ich weg?", überlegte sie und wurde von Kakashi als Antwort einfach nur zurück ins Dorf gezerrt.

"Ich hoffe, Ichiraku hat noch auf, wir beide haben da jetzt nämlich ein Date!", verkündete er und hoffte inständig, dass er nicht zufällig Naruto dort antreffen würde. Nachdem er verheult in seiner Wohnung angekommen war und Naruto auf seiner Couch geschnarcht hatte, waren seine Nerven, die er für den Bengel aufbringen konnte, für die nächsten Tage verbraucht. Dass Naruto während er schlief oft redete, oder irgendwelche Jutsus abrief, war ihm nicht neu. Aber als er auf einmal "Rasen Shuriken" geschrien hatte und ein lautes Kreischen zu hören war, war er kurz davor sein Testament zu schreiben.

Als sie bei dem kleinen Imbiss ankamen, brannte tatsächlich noch Licht. Teuchi war gerade dabei die Nudeln für den nächsten Tag vorzubereiten, als Kakashi die Tücher anhob, dass Lumi eintreten konnte.
"Tut mir leid, dass wir so spät kommen, aber wärst du so lieb und würdest uns drei Nudelsuppen machen?", fragte Kakashi und setzte sich auf einen der Hocker.
"Drei?", fragte er, doch nickte zustimmend.
"Ja, meine Freundin hat heut Nacht besonders viel Hunger, vielleicht will sie ja sogar vier essen. Was meinst du, Shirayuki?" Er sah zu Lumi rüber, die neben ihm Platz nahm und die Augen verdrehte. "Ich glaube fünf wäre noch besser, von vier wird doch keiner satt!", scherzte sie und Teuchi sah verwirrt zwischen ihnen hin und her.
"Wisst ihr, ihr beide seid mir ein Rätsel. Man weiß nie, ob ihr es ernst meint!", beschwerte sich der Ladenbesitzer, "Ich mach euch einfach meine Spezialsuppe, dann ist Schluss mit euerm Schabernack." Brummend drehte er sich zu seinem Herd und warf sich ein Geschirrtuch über die Schulter. Grinsend sah Lumi Kakashi an, der nach ihrer Hand griff und sie in beide seiner nahm. Er lehnte sich zu ihr rüber und drückte ihr einen Kuss auf die Wange.
Es hat sich nichts verändert.
Vielleicht würde sie niemals alles über Kakashi wissen, aber vermutlich ist sowas eh unmöglich. Wenn einem schon so viele schreckliche Dinge im Leben passiert sind, dann frisst man manches tief in sich hinein und lässt es nie wieder an die Oberfläche. Lumi kannte das, oft genug hatte sie es selbst getan. Deshalb würde sie auch nicht zulassen, dass Kakashis Vergangenheit ihre gemeinsame Zukunft verändert. Die gehörte schließlich nur ihm und ihr.

Kakashi lehnte seinen Kopf auf ihre Schulter und spielte mit ihren Fingern in seiner Hand. Sein leises Summen drang an ihr Ohr und ihre Haut bitzelte, wo er sie flüchtig streifte. Vermutlich hatte sie über reagiert, als sie sich so lange in der Höhle verkrochen hatte, aber die Zeit hatte sie gebraucht, um nachzudenken. Und auch wenn sie hundemüde war und gerade nichts lieber wollte, als mit ihm zusammen ins Bett zu kippen, war sie sich sicher, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte. Teuchi stellte ihnen eine riesige Schale Ramen vor die Nase und drückte ihnen Stäbchen in die Hand. Dankbar nickten sie ihm zu und schlürften dann die Nudeln.

Kakashi und das Mädchen, das nach den Sternen griff.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt