03 | Love no more

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»The thing you are most afraid to write. Write that.«

Ada gähnte und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. Obwohl es erst nachmittags war, fühlte sie sich jetzt schon ausgelaugt und die Worte, die sie gerade in ihr Word-Dokument eingetippt hatte, verschwammen vor ihren Augen.

Sie zog sich die Brille, die sie nur beim Autofahren oder am Computer trug, aus und legte sie auf dem Schreibtisch ab. Mit einem Seufzen rieb sie sich über das Gesicht.

Heute Morgen war sie hoffnungsvoll in den Tag gestartet, seit Wochen hatte sie dem Kapitel von ihrem Buch, dass sie für heute geplant hatte zu schreiben, entgegengefiebert. Im Kopf hatte sie sich bereits schon lange davor passende Sätze zurechtgelegt.

Doch ihr Tag hatte bisher daraus bestanden, dass sie wie wild Worte tippte und diese dann wenige Momente später wieder löschte. Egal, wie sie es beschrieb, es schien einfach nicht zu den Charakteren und der Stimmung zu passen. Und das frustrierte sie immens. Sie war davon ausgegangen, dass sich die leere Word-Seite wie von selbst füllen würde, aber irgendwie starrte sie immer noch auf ein weißes Blatt.

Ada hätte niemals gedacht, dass es ihr so schwer fallen würde, eine romantische Szene zu beschreiben. Aber wie sie es auch drehte und wendete: Alles, was sie tippte, gefiel ihr letztendlich nicht mehr und mittlerweile war das Mädchen mit den blonden Haaren wirklich genervt von sich selbst.

Sie wollte, dass die Szene perfekt wurde. Sie wollte, dass ihre Leser Herzklopfen bekamen beim Lesen und sich nach dieser Art von Liebe sehnten.

Vielleicht war es für Ada so wichtig, weil auch sie sich danach sehnte. Von der wahren Liebe hatte sie bisher nur in Romanen gelesen, alles was sie selbst erlebt hatte, war eher ernüchternd gewesen. Ihr erster Freund hatte sich als ein Lügner entpuppt, der ihr alles nur vorgespielt hatte und auch sonst sah sie nur Betrug und Beziehungen, die in die Brüche gingen. Sie wollte zumindest, dass es in ihren Büchern anders aussah.

Die ersten Personen, die ihr dieses Bild vermittelt hatten, waren ihre Eltern gewesen. Der einzige Grund, warum sie noch zusammen waren, war die gemeinsame Firma. Sie wollten ihr Einkommen und ihre Firma nicht gefährden und wahrten deshalb den Schein einer perfekten Ehe. Ada konnte sich nichts weniger romantischeres vorstellen.

Je älter Ada wurde, umso klarer wurde ihr, dass ihre Eltern sich auch ihr gegenüber so verhielten. Die ganze Beziehung zu ihrer Mutter und ihrem Vater schien rein geschäftlich. Sie bezahlten ihr die Miete für ihr Zimmer, in der WG, die sie sich mit Daphne teilte und finanzierten ihr das Studium. Sobald Ada alt genug war, wollten sie sie in ihrer Firma einstellen, damit sie diese irgendwann übernehmen konnte.

Ada hatte diese Vorstellung noch nie gepasst. Vielleicht hatte sie deshalb bereits mit zehn Jahren mit dem Schreiben begonnen. Um dieser Realität, die so trüb und fad erschien, zu entfliehen.

Wenn sie schreib, schien alles bunt. Sie fühlte sich, als wäre sie erst dann wirklich am Leben.

Ihr großer Traum war es irgendwann einmal eine erfolgreiche Autorin zu sein. Damit sie ihren Eltern alles zurückzahlen konnte und ihnen nichts mehr schuldete. Damit die Erwartungen von ihnen nicht mehr auf ihren Schultern lasteten. Denn Ada würde diese niemals erfüllen.

Eine ganze Weile saß Ada so an ihrem Schreibtisch, bis ihr grummelnder Magen sie aus ihren Gedanken riss. Sie schürzte die Lippen und schob ihren Stuhl zurück, um ihr Zimmer zu verlassen und sich auf die Suche nach etwas Essbarem zu machen.

Sie steckte den Kopf in den Kühlschrank, der ihr ein recht ernüchterndes Bild bot. Es war dringend Zeit einzukaufen.

"Daphne?", rief sie, um ihrer Mitbewohnerin sogleich den Plan Lebensmittel zu besorgen, zu unterbreiten.

Aus Daphnes Zimmer erklang ein gedämpftes "Was ist?".

"Wie wärs, wenn wir gleich etwas zusammen einkaufen zu gehen?", antwortete sie mit lauter Stimme und starrte immer noch frustriert in den Kühlschrank, als ob sich dieser plötzlich magisch füllen würde.

Einige Momente passierte gar nichts, bis sich Daphnes Zimmertür öffnete und sie den Raum betrat.

Die WG war nicht besonders groß. Wenn man hereinkam, führte ein schmaler Flur zu einem großen Raum, in dem sich Küche, Ess- und Wohnzimmer befanden. Auf der rechten Seite befanden sich zwei Schlafzimmer. Zum einen das von Ada und zum anderen ein bisher leerer Raum. Auf der linken Seite war Daphnes Zimmer und ein Badezimmer.

"Ada, du bist wirklich eine der vergesslichsten Personen, die ich kenne." Daphne seufzte. "Heute kommt doch diese Bekannte von Nathan, die sich die WG anschauen möchte. Ich hab doch gestern mit ihm telefoniert."

Ada riss bei diesen Worten die Augen auf und blickte an sich herunter. Ihre Jogginghose mit den Sternchen und das schwarze T-Shirt mit dem Schokoladenfleck, schienen ihr nicht das richtige Outfit zu sein, um einen ersten guten Eindruck zu hinterlassen.

Fluchend lief Ada schnell in ihr Zimmer, um sich etwas halbwegs passables anzuziehen.

"Wann kommt sie denn?", rief sie und wühlte in ihrem Kleiderschrank.

"In fünf Minuten", antwortete Daphne unbeeindruckt.

Just in diesem Moment ertönte die Klingel. Ada erstarrte, nur um sich noch hektischer als zuvor aus ihren Klamotten zu schälen.

"Oder vielleicht auch jetzt", revidierte Daphne ihre Aussage.

Daphne drückte den kleinen Lautsprecher auf der Sprechanlage und erkundigte sich danach, ob es wirklich Nathan und die eventuelle neue Mitbewohnerin waren.

"Ja, wir sinds", bestätigte Nathans tiefe Stimme Daphnes Frage, woraufhin sie den Knopf drückte, der die untere Tür öffnen würde.

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