Kapitel 20

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Ich greife wieder nach dem goldenen Ring, betrachte ihn aus mit Tränen gefüllten Augen heraus und wende ihn vorsichtig in meinen Fingern. Als wäre er zerbrechlich. Ich schnaube, höre aber trotzdem nicht auf, das Schmuckstück zwischen meinen Fingern zu drehen und wenden. Wieder und wieder lese ich die in kursiven Buchstaben eingravierte Inschrift, streiche mit meinem Daumen vorsichtig darüber und schließe meine Augen, während ich den Ring wieder auf meinen Finger schiebe. Ich habe diesen Tag so gut in Erinnerung. Wie sehr ich mich gefreut habe, den Rest meines Lebens mit Harry zu verbringen. Ein für immer mit ihm zu haben. Nur scheint unser für immer ein Ablaufdatum zu haben.

Seufzend schultere ich meine Tasche, nehme meine Jacke vom Haken und trete hinaus in die frische Morgenluft. Die Sonne strahlt immer noch warm auf London hinunter und scheint mich auszulachen, während ich die Tür hinter mir ins Schloss fallen lasse und den Gehweg betrete. Natürlich hätte ich auch mein Auto nehmen können, aber wahrscheinlich wäre Harry mir dadurch nur auf die Schliche gekommen und Harry kann ich gerade einfach nicht gebrauchen. Das ich das einmal sagen würde. Während ich laufe, kicke ich einige Steine vor mir her, stopfe meine Hände in meine Hosentaschen und versuche mich nicht allzu sehr von der Sonne nerven zu lassen. Außerdem überlege ich, wo ich hin kann. Ganz nebenbei, als wäre es nicht überlebenswichtig zu wissen, wo ich hin kann. So sehr ich Mum und meine Geschwister auch liebe, ist es meine letzte Option, dort für eine längere Zeit zu wohnen. Es ist einfach zu viel mit all den Kindern, wenn ich auch noch auf der Arbeit die ganze Zeit welche um mich herum habe. Als nächstes wandern meine Gedanken zu Liam. Natürlich, er ist mein bester Freund. Meine Schritte werden schneller, ich biege um die nächste Ecke und steure Liam's zuhause an. Ich rufe ihn nicht an, um zu wissen, ob er zuhause ist, sondern laufe, bis ich sein Haus sehen kann. Und hoffe, dass er zuhause ist. Aber so wie sich das gestern Abend angehört hat, sind Malik und er dabei häuslich zu werden, also werden sie nicht weit weg sein. Dreißig Minuten lang bin ich gelaufen. Ich hasse es, zu laufen. Nur für Harry, habe ich mich regelmäßig damit gequält stundenlang durch die Gegend zu laufen. Mit dem Hintergrund, zu laufen. Irgendwo hin zu laufen ist wenigstens noch konkludent und in sich schlüssig, aber im Winter raus zu gehen, um stundenlang durch die Natur zu wandern? Mit Harry hat es mir gefallen. Fuck! Sogar die Sachen, die ich hasse, erinnern mich an ihn.

Das ist Bullshit! Alles ist einfach nur noch unfassbarer, unfairer Bullshit!

Kopfschüttelnd, um die unschön zerstörerischen Gedanken aus meinem Kopf zu löschen klingle ich an der Haustür und höre gespannt zu, ob ich von drinnen etwas höre. Als ich tatsächlich Geräusche vom inneren des Hauses höre, atme ich erleichtert aus. Ich wusste nicht mal, dass ich überhaupt die Luft angehalten hatte, scheiße. Was ist nur los mit mir?!

„Lou?", dringt Zayn's überraschte Stimme zu mir hindurch, weshalb ich meinen Kopf hebe und ihn verwirrt ansehe. Langsam, lehne ich mich nach hinten und betrachte die Häuserfront. Definitiv Liams Haus. „Liam?", ruft ein ebenfalls überraschter Zayn über seine Schulter hinweg, welcher mich allerdings zeitgleich ins Haus zieht, ohne eine einzige Frage zu stellen. „Tommo? Was machst du denn hier? Ich dachte du wärst zuhause bei Harry?" – „Kann ich bleiben? Bitte, Liam? Nur bis ich was anderes finde?" – „Ich dachte bei dir und Harry wär alles okay? Sah zumindest gestern noch so aus-"  - „Liam, ich möchte grade nicht darüber sprechen, kann ich hier für eine Weile bleiben oder nicht?" – „Zee zieht grade ein...", antwortet er mit zusammengezogenen Augenbrauen, während er sich am rechten Ellenbogen kratzt, weshalb ich genervt etwas Luft aus meiner Lunge ausstoße. Ich gehe sicherlich nicht auf seine scheiß Stichelei ein. Dazu habe ich keinen nerv. Er soll mir einfach sagen, ob ich bleiben soll, oder mich verpissen kann. Zayn's Einzug lässt sich nicht ansatzweise verleugnen. Die sich in der Ecke stapelnden Umzugskisten machen es offensichtlich. „Ich weiß. Kann ich- darf ich trotzdem hier bleiben? Ich störe auch nicht."

on the loose ⎜l.s. auWhere stories live. Discover now