5.Teekränzchien

539 24 1
                                    

Fest umschlossen hielt Aido Saranas Hand. Er wollte sie nicht gehen lassen, nein. Das Tor zum Haus Mond schien der Blonden so groß, fast schon unüberwindbar. Die ganzen Monate, wenn nicht sogar Jahre, die sie nur in dem immer selben kleinen Raum verbracht hatte, hatten sie vergessen lassen, wie groß die Welt außerhalb ist.
Imposant erhob sich das Wohnheim der Vampire aus der Nacht, die Dunkelheit hatte die beiden mittlerweile umhüllt.
Das zierliche Mädchen an Aido's Hand war sichtlich nervös. Zu groß war ihre Angst vor dem braunhaarigen Jungen, der sie wegschicken würde. Ja, er hatte zugestimmt, dass sie bleiben darf, aber nur, weil Aido sich für sie eingesetzt hatte. Aido, ihr Retter!
Der Junge mit den hellblauen Augen erkannte ihre Zweifel, ihre Angst. Er fühlte, wie ihre Hand sich mit jedem Schritt fester an die seine klammerte. Er konnte sie verstehen, schließlich hatte auch er Angst, dass Kaname ihre Anwesenheit nicht akzeptieren würde.
Aido trat an die Türe des Wohnheimes und öffnete diese, ehe die beiden eintraten. Es war nicht viel los in der Eingangshalle, nur Ichijo, Shiki und Rima saßen in der kleinen Sitzecke vor der Treppe.
Sarana blickte sich um, so surreal kam ihr das alles vor. Dieses Wohnheim, es war so groß, so elegant! Sie kam sich fehl am Platz vor, dieses Wohnheim war all das, was sie nicht war. Sie war ein kleiner, untergehender, beschmutzter Fleck in dieser Welt...doch das hier? Es war wunderschön, perfekt!
„Komm", ertönte die sanfte Stimme Aido's, die sie aus ihren traurigen Gedanken riss. Seine blauen Augen sahen sie an, ließen sie für einen kurzen, flüchtigen Moment die Welt um sie herum vergessen. Ja, irgendwann würde sie sich in diesen Augen verlieren, in sie fallen und für immer dort bleiben, an diesem wunderschönen Ort.
Aido trat an die kleine Gruppe heran. „Ist das nicht...", begann Ichijo, der die blonde Schönheit auf Anhieb wiedererkannte. „Ja", unterbrach Aido ihn schnell. Er wollte nicht, dass Ichijo aussprach, woher sie kam, er wusste, sie würde trauriger werden, als sie eh schon war.
„Das ist Sarana, sie wird hier wohnen", erklärte Aido schnell. „Hier?", fragten Shiki und Rima synchron. „Ja, hier...ehm...könnt ihr kurz bei ihr bleiben? Ich muss noch zu Kaname."
„Klar", Ichijo hatte sich erhoben und einen Schritt auf Sarana und Aido zugemacht „Ich führ sie ein wenig rum"
Dieser Junge, er war so groß wie Kaname. Kaname, der, der sie loswerden wollte...der, der ihrem Peiniger ähnelte...der, vor dem sie Angst hatte. Doch dieser Junge war anders, auch wenn er so groß war, wie die anderen beiden...sie hatte keine Angst vor ihm.
Seine grünen, leuchtenden Augen hatten sich auf ihre gelegt, musterten sie, während er sie freundlich anlächelte. Freundlich, ja, so nahm sie ihn wahr.
„Mein Name ist Takuma Ichijo, freut mich, dich kennen zu lernen, Sarana-chan", lächelte er. Seine Stimme, sie war so warm.
„Ich geh jetzt schnell zu Kaname, Takuma wird auf dich aufpassen, ich komme gleich wieder", lächelte Aido die Blonde nun an und wendete sich zum Gehen.
Schnell hatte die Kleine eine Hand nach ihrem Beschützer ausgestreckt, ihn noch an der Jacke erwischt, an die sie sich nun klammerte. Mit angsterfüllten Augen sah sie ihn an. Nein, sie wollte nicht, dass er geht.
Einerseits empfand sie den anderen Jungen, der auf sie aufpassen sollte, als freundlich und vertrauenswürdig, andererseits wollte sie nicht ohne Aido sein. Ihre Angst, er würde nicht zurückkommen war einfach zu groß...oder war es die Angst vor Kanames Antwort? Sie wusste es nicht. Tatsache war: Sie hatte Angst.
„Ich komm doch gleich wieder, bleib bei Ichijo, er tut dir nichts", lächelte Aido zu dem verängstigten Mädchen herunter, ehe diese eine Hand auf ihrem Rücken spürte. Wärme ging von dieser aus, Vertrauen, Hilfsbereitschaft. Ein schönes Gefühl.
Leicht drehte sie ihren kleinen Kopf nach hinten, erblickte Ichijo, der seine Hand auf ihre Schulter gelegt hatte und sie freundlich, aber auch fordernd ansah.
„Na komm schon, wir gucken mal in der Küche nach was zu essen", lächelte er und die blonde nickte schwach.
Misstrauisch drehte sie sich zu ihm, ehe die beiden die Eingangshalle verließen. Sie wusste, sie musste gehen...und sie wusste, dass Aido mit Kaname sprechen musste. Sie wollte es nicht noch schwerer machen, als es schon war.
„Schau, hier sind noch ein paar Sandwiches", lächelte der große, blonde Junge das kleine Mädchen an,ehe er einen Teller mit den verschiedensten Sandwiches aus dem Kühlschrank zog.
„Guck, ganz viele verschiedene Sorten, was möchtest du?", fragte dieser dann und wartete, dass das Mädchen es ihm zeiegen würde.
Sarana beäugte den Teller, entschied sich dann für ein Sandwitch mit Käse und Salat, welches Ichijo auf einen Teller legte und es zu dem Tee, den er frisch aufgesetzt hatte auf ein Tablett stellte.
Er ergriff das Tablett und trug es in den einen Aufenthaltsraum, in dem mehrere Sofas standen, wo sie sich auf eins niederließen.
„Bitteschön", lächelte Ichijo, der dem blonden Mädchen eine Tasse hinhielt. Ihre kleinen Hände schlossen sich um das warme Porzellan, es fühlte sich so schön an.
Ein atemberaubender Geschmack füllte ihren Mund, als sie einen Schluck aus der Tasse nahm. Früchte, diverse Sorten, alles explodierte in ihrem Mund.
Ein kurzes Lächeln huschte über ihre vollen Lippen, was Ichijo nicht verborgen blieb. „Wenn du magst, können wir öfter zusammen Tee trinken. Die Dayclass hat sogar eine Tee-AG, da gibt es die leckersten Sorten!", schwärmte der grünäugige drauflos, doch die Blonde hörte ihm nicht zu. Sie saß nur da und genoss.
„Da seid ihr ja!", ertönte Aido's Stimme, als er den gemütlichen Raum betrat. Kurz schmunzelte er bei dem Anblick des kleinen Mädchens mit der Tasse in der Hand, wie sie diese unbeholfen zu ihrem Mund führte.
Mit großen Augen sah sie ihn an, als sie ihn erblickte. Was hatte Kaname wohl gesagt! Was, wenn er sie wegschicken würde? Was, wenn sie von Aido getrennt werden würde? Er war doch der einzige, dem sie vertrauen konnte!
Ihre, plötzlich wieder angsterfüllten Augen fingen seinen Blick auf. Schmerz machte sich in ihm breit, er wollte nicht, dass sie so aussah, er wollte ein leuchten in ihren Augen sehen...und Freunde...alles...nur eben keine Angst.
„Kaname hat erlaubt, dass du bleiben darfst...", begann Aido. Er konnte sehen, wie der Blonden Tausend Steine vom Herzen fielen. „...aber du musst dich an uns anpassen, das heißt, du wirst nachts wach ein und tagsüber schlafen und, wenn du so weit bist, auch zur Schule gehen."
Schnell nickte sie. Sie würde alles tun, um bei ihm bleiben zu können, bei ihrem Retter, ihrem Schutzengel!

Sarana-Träne des LeidensWhere stories live. Discover now