12 - Spielverderber

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„Die Geister greifen an." Ich hatte bereits den halben Weg zum Schlosseingang hinter mir, als Matt mit langen Schritten an mir vorbeistürmte. Ich folgte ihm die Treppe hoch, immer zwei Stufen auf einmal nehmend. Ein kurzer Blick über die Schulter bestätigte, dass Theo dicht hinter mir war. Bevor wir den ersten Treppenabsatz erreichten, stürzte uns eine schreiende und kreischende Menschenmasse entgegen, umschloss uns, und riss uns beinahe von den Beinen.

In eine Ecke gepresst war ich froh, dass Theo wie ein Keil vor mir stand und den schlimmsten Strom der Flut von Flüchtenden ablenkte. Sobald der Ansturm etwas verebbte und einem etwas langsameren, besser organisierten Abzug von älteren Leuten Platz machte, wagten wir uns aus unserer sicheren Ecke hervor und stiegen zum verlassenen Rittersaal hoch.

Der Raum sah aus wie ein Schlachtfeld. Zerbrochene Stühle und die Scherben von zerschlagenem Geschirr bedeckten den antiken Fliesenboden. Besteck, zersplitterte Weinflaschen und Gläser lagen dazwischen. Irgendwo schrie ein Baby, und unter einer schmutzigen Tischdecke hervor beäugten uns zwei verschreckte Kinder. Ihren aufgerissenen Augen nach zu urteilen hielten sie und für eine Manifestation des Teufels.

Matt ließ sich vor ihrem Versteck auf die Knie nieder und streckte eine Hand aus. „Hallo Jungs. Zeit da rauszukommen, die Party ist vorbei. Lasst uns eure Eltern suchen, bevor sie sich Sorgen um euch machen."

Ich überließ meinem Partner die Aufgabe, die verängstigten Kinder zu beruhigen, und hob eine Serviette auf, um eine umgestürzte Kerze zu ersticken. Sie hatte bereits die zerdrückten Reste einer der Origami-Rosen in Brand gesetzt, die als Tischdekoration gedient hatten. Zum Glück war der Brand rasch gelöscht und ich sah mich nach dem schreienden Baby um. Aber Theo hatte den bedauernswerten Säugling bereits gefunden. Er stand über eine himmelblaue Babytasche gebeugt neben dem Kamin.

Das Schreien hatte nun einem leisen Wimmern Platz gemacht, und mein Partner sah mich bedrückt an. „Wer lässt sein Kind in so einer Situation einfach zurück?" Er streckte eine Hand aus, um dem Baby eine schweißnasse Locke aus dem Gesicht zu streichen. Dieses holte tief Luft und schrie lauter als zuvor.

„Lass mich." Ich bot der Kleinen einen Finger an, und zu meiner großen Erleichterung griff sie danach und verstummte. Ich hatte keine Ahnung, warum Kinder mich zu mögen schienen, aber dieses bildete offenbar keine Ausnahme. „Sie scheint in Ordnung zu sein. Was um alles in der Welt ist hier passiert?"

„Die Raben sind passiert." Theo deutete auf die grünlichen, schwach leuchtenden Spritzer einer schleimigen Masse, die über die Tische und den Boden verteilt waren. Der ektoplasmische Vogelkot war über jede verfügbare Oberfläche verteilt. Als ich meine Füße begutachtete, stieg ein Schwall Galle in meiner Speiseröhre auf. Spritzer des ekligen Stoffs klebten an meinen Flipflops und meine Jeans war auch bereits damit verschmiert. Selbstverständlich war Theo, respektive seine Kleidung, unbehelligt geblieben.

Ich schluckte meinen Widerwillen hinunter und wendete mich wieder dem Kind zu. Während ich das Mädchen aus der Trage hob, gluckste sie und griff nach meinen Locken. „Nun, meine Süße, sei schön brav und tu mir nicht weh, während ich deine Eltern suche."

„Heilige Scheisse." Louis' unkontrollierter Ausbruch lies mich zusammenzucken. Er stand im Eingang des Saals, totenbleich und eine Hand auf den Mund gepresst. „So schlimm war es noch nie. Das ist das ultimative Desaster."

Matt stand auf, gefolgt von den beiden Jungen. Sie mochten acht oder neun Jahre alt sein und hielten sich bei den Händen. „Unsere jungen Freunde hier sagen, dass es grünen Schleim regnete und dass der eklige Glibber auf der Haut brenne wie verrückt."

„Ja, das Exkrement scheint leicht ätzend zu sein. Deshalb haben wir all die Sonnenschirme im Hof  aufgestellt. Sie fangen das meiste von dem Zeug ab und wir können sie problemlos mit dem Gartenschlauch abspritzen." Louis sah mich mit gerunzelter Stirn an. „Hast du nicht vorausgesagt, sie würden meine Gäste hier drin in Ruhe lassen?"

Der Erbe des Raben | Wattys 2022 GewinnerWhere stories live. Discover now