Kapitel 19 - Nur eine Nummer

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Ich saß auf dem großen Ohrensessel und konnte kaum glauben was gerade passiert war. Hatte er mich stehen lassen? Wie versteinert starrte ich noch immer zur Türe, als ob er jeden Moment wieder reinkommen würde um mir zu sagen, dass es nur ein Scherz gewesen war. Aber er tat es nicht.
 
Er hatte sich komisch verhalten. Distanziert irgendwie. Hatte ich etwas falsches gemacht?

Seit er nach unserer gemeinsamen Nacht das Zimmer verlassen hatte, hatte sich etwas verändert. Und ich wusste weder was, noch warum.
Mich beschlich ein schmerzendes, dumpfes Gefühl.
War ich für ihn etwa nur eine Nummer gewesen? War er vielleicht so ganz anders, als ich in den letzten Wochen angenommen hatte?
Kontrollsüchtig und besitzergreifend?

Das wäre zumindest eine Erklärung für sein Verhalten vor der Aurora gewesen. Und auch, dass er sich einfach so Zugang zu meinem Motelzimmer verschafft hatte, fand ich beunruhigend.
Ich hatte immer angenommen, Jake würde schon einen Grund für das haben, was er tat. Einen aufrichtigen, liebevollen, wichtigen Grund.
Aber was hier gerade passiert war, ließ mich an dem Jake zweifeln, den ich zu kennen glaubte.
 
Verdammt Carry, hast du dich so in ihm getäuscht?
 
Allein bei dem Gedanken bildete sich ein Kloß in meinem Hals. Wo war diese tiefe Verbundenheit hin, die ich noch vor wenigen Stunden gespürt hatte? Ein Schleier aus Tränen legte sich über meine Augen.
 
Ich beschloss ins Bett zu gehen. Seit ich hier in Duskwood war, hatte ich kaum geschlafen. Alles was hier passierte raubte mir Kraft. Als würde mir diese Stadt und alle Ereignisse in und um sie, die Energie aussaugen.
Ich zog mich um, wusch mich und legte mich ins Bett. Mit einem unbändigen, traurigen Gefühl schlief ich ein und glitt hinüber in die tiefe Dunkelheit.
 
Ich wurde wach, als ich den Signalton einer eingehenden Nachricht aus meinem Handy hörte. Schlaftrunken streckte ich mich und rieb mir die Augen.
Ein Blick auf den Radiowecker verriet mir, dass ich fast 8 Stunden durchgeschlafen hatte.
Draußen war es hell. Die Sonne schien durch die halb geschlossenen Gardinen. Einen Moment lang blieb ich einfach liegen und schaute auf die tanzenden Staubpunkte, die sich in einem Sonnenstrahl an meinem Fenster bewegten.

Als sich meine Gedanken langsam ordneten, fanden sie ihren Weg automatisch wieder zu Jake und dem gestrigen Abend. Und da war sie wieder: Die Traurigkeit, die mich ohne zu zögern umhüllte.
 
Schnell versuchte ich meine Konzentration wieder auf das zu lenken, was wir gestern über die Uhr herausgefunden zu haben glaubten.
Ich musste dringend noch einmal alle zusammentrommeln, damit wir endlich voran kamen.
Dieser Fund war einfach zu wichtig.
Das spürte ich.
Außerdem hatte ich das dringende Bedürfnis, mich einmal in den Wäldern Duskwoods umzusehen.

Allein.

Ich war alt genug um auf mich aufzupassen und nicht so dumm, um mich in Schwierigkeiten zu begeben. Noch dazu hatte ich das Gefühl, mal wieder allein sein zu müssen. Seit ich angekommen war, war ich beinahe pausenlos in Gesellschaft gewesen.

Mit einem Schwung war ich aufgestanden und nahm mir vor, meine Bemühungen nur noch auf die Lösung dieses Rätsels und Richys Verhaftung zu konzentrieren. Solange er frei herumlief, würden wir alle niemals Ruhe bekommen und ewig in Angst leben.
Vor allem Hannah.
Ich wollte mir gar nicht vorstellen, wie schlimm es für sie sein musste zu wissen, dass sie immer noch nicht mit alledem abschließen konnte.

Ich verschwand im Badezimmer und stellte mich unter die Dusche. Das warme Wasser tat gut und weckte mich auf. Immer wieder musste ich an Jake denken, doch ich schob die Gedanken zur Seite.
Ich war nicht bereit um jemanden zu kämpfen, der es nicht ernst mit mir meinte.
 
Während ich meine Haare bürstete fiel mir wieder ein, dass ich noch gar nicht nach der Nachricht geschaut hatte, wegen der ich überhaupt erst wach geworden war.
Schnell zog ich mich an und ging zurück zum Bett, auf dem mein Handy lag.
Ich entsperrte es und hielt augenblicklich den Atem an. Denn die Nachricht, die mir angezeigt wurde, ließ mir das Blut in den Adern gefrieren.
 
Richy:             Du hast da etwas, das mir gehört.
 
 

Ins Herz gehackt - Eine Duskwood FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt