Kapitel 20 - Tick-Tack

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Er hatte schlecht geschlafen. Die Ereignisse der letzten beiden Tage setzten ihm zu. So sehr er sich auch um Konzentration bemühte, es fiel ihm zunehmend schwerer.

Seit zwei Stunden schon saß er vor seinem Laptop, suchte Seite um Seite im Internet nach brauchbaren Informationen, hackte sich in Email Konten und wälzte Stammbäume.
Doch nirgendwo hatte er jemanden im Zusammenhang mit Jennifer oder Hannah gefunden, dessen Name mit einem ‚E‘ begann, oder sich zumindest irgendwie zu einem Spitznamen mit diesem Anfangsbuchstaben herleiten ließ.
Er hatte sich außerdem in sämtliche Krankenakten der letzten 10 Jahre aller psychiatrischen Anstalten und privater Psychotherapeuten in und um Duskwood gehackt, um vielleicht eine Chance auf einen Beweis für die Theorien zu finden, die die Gruppe mit Carry aufgestellt hatte. Vielleicht tauchte der Spruch ja in irgendeiner Akte auf.

Schlussendlich blieb er ohne Ergebnis. Es konnte doch nicht wahr sein, dass er, ein talentierter Hacker, es nicht hinbekam, einen Spruch auf einer Uhr einem bestimmten Menschen zuzuordnen.
So wahnsinnig groß war der Kreis der möglichen Besitzer nun auch nicht.
 
Es war zermürbend.
 
Jake stützte die Ellenbogen auf der Tischkante ab und legte sein Gesicht in seine Hände. Tief atmend versuchte er einen klaren Gedanken zu fassen.

Sein Handy klingelte. Er nahm die Hände vom Gesicht und sah ihren Namen auf dem Display aufleuchten.

Carry.

Kurz überlegte er, ob er den Anruf überhaupt annehmen wollte. Sicher wollte sie ihn auf den gestrigen Abend ansprechen. Doch diese Art von Gespräch konnte und wollte er nicht führen. Schließlich betätigte er doch das grüne Telefonsymbol.
Immerhin könnte es ja auch sein, dass Carry neue Erkenntnisse gewonnen hatte. Und darüber wollte er natürlich bescheid wissen.

„Guten Morgen Carry“, beantwortete er den Anruf in einem übertrieben lässigen Ton. Er haute sich selbst die flache Hand gegen die Stirn und äffte tonlos seinen eigenen Satz noch einmal nach.

„Jake! Er hat mir geschrieben!“

-„Wer?“

-„Richy!“

Ihm wurde erst heiß, dann kalt, dann kurz schwindelig.

„Was?“, das war alles, was er hervorbrachte.

-„Er hat mir geschrieben dass ich etwas habe das ihm gehört.“

-„Die Uhr..“, murmelte Jake, mehr zu sich selbst als zu Carry, aber diese schien viel zu aufgeregt zu sein, um das zu bemerken.

-„Natürlich die Uhr, Jake! Was denn sonst? Was mach ich denn jetzt?“

-„Hast du ihm geantwortet?“, wie durch eine kalte Dusche aufgeweckt, tippte Jake auf seinem Laptop herum.

-„Nein, noch nicht.. Soll ich etwa?“, sie klang ängstlich und erschrocken.
Er hörte, wie sie schnell atmete und wohl im Zimmer auf und ab lief.

-„Gib mir einen Moment. Ich werde auf deine Chats zugreifen. Dann machen wir es gemeinsam, in Ordnung?“

-„Jake! Ich hab Angst!“

Er fühlte den stechenden Schmerz in seinem Brustkorb. In diesem Moment nicht bei ihr sein und sie beruhigen zu können, war schlimm. Er hörte, dass es ihr schlecht ging. Er spürte es selbst.
Das Gefühl der Ohnmacht breitete sich kribbelnd erst in seinem Kopf, dann in seinem ganzen Körper aus.
Doch er wusste, eine voreilige, von Angst und Emotionen geleitete Handlung war nicht nur sinnlos, sondern auch äußerst unklug. Endlich hatte er wieder das Gefühl, sein Kopf würde vollends funktionieren, angeregt durch einen starken Impuls.

„Ich weiß, Carry. Ich bin bei dir. Alles wird gut“, sagte er in einem ruhigen Ton.

Sie sagte nichts. Noch immer hörte er ihren schnellen Atem, doch offensichtlich hatte sie sich irgendwo hingesetzt, da er keine Schritte mehr hören konnte. Sie zog die Nase hoch und er hoffte, dass sie nicht weinte.

Ins Herz gehackt - Eine Duskwood FanfictionWhere stories live. Discover now