Kapitel 1

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Mila

Ich hielt meinen Kopf starr auf das Geschehen, was sich vor mir ab bildete. Es war wie immer interessant, die Gesichter von anderen zu beobachten. So viele Regungen konnte ich lesen, doch ich verstand sie nicht. Ich verstand ihre Bedeutung nicht. Ich verstand ihre Probleme nicht. Ich verstand meine Mitschüler nicht. Ich hatte es versucht. Ich hatte versucht Freunde zu finden und dazu zugehören. Ich hatte es ausgegeben. Ich hatte es satt gehabt immer wieder dieselben lügen zu hören. Immer wieder über dieselben Dinge zu sprechen und wenn es wirklich darauf ankommt lassen sie einen hängen. Solche Freunde brauchte ich nicht. Ich brauchte niemanden. Es war das beste alleine zu sein. Meiner konnte mich verletzten. Keiner konnte mir zu nah kommen. Ich musste mich nicht öffnen und irgendeinen Mist erfinden warum ich keine Zeit hatte mich außerhalb der Schule mit meinen angeblichen Freunden zu treffen. Wie die Zeit es wollte hatten sie sich von mir abgewendet. Ich hatte sie nicht aufgehalten. Sie nicht vom Gegenteil überzeugt. Ich hatte nicht gekämpft, weil ich sie keine Kraft dazu hatte. Ich hatte vor einer langen Zeit aufgehört zu Kämpfen und ich werde nicht wieder damit anfangen. Warum sollte ich? Ich hatte keinen Grund dazu.
Ich schaute von den einzelnen Gruppen weg. Ich erzeugt es nicht länger mir ihren Lügen anzuschauen. Alles war doch vorgetäuscht, dass sah selbst ein Blinder. Es gab eine einzige Gruppe, die ich kannte die auch zusammen hielt. Ein Außensteher wie ich, erkannte dass ihre Freundschaft echt war, dass sie für einander da waren und sie sich auf die anderen verlassen konnte. Eine Gruppe, die ich immer und immer wieder aus der Ferne beobachtete aber mit denen ich nichts zu tun haben wollte. Sie waren beliebt. Jeder wollte zu ihnen gehören und sie standen wirklich immer im Mittelpunkt.
Was war an ihnen besonders? Was waf anders an ihnen? Gar nichts. Sie sind normal. Kein bisschen anders als die anderen von uns aber trotzdem spielten sie sich auf. Wozu? Was brachte ihnen dass? Gar nichts. Außer vielleicht bewunderte Blicke und Mädchen, die ihnen hinter her schmachten. Ich rollte genervt mit meinen Augen und stand von der Wiese auf. Ich hatte mich abseits von allen hingesetzt, wo ich ungestört sein konnte. Niemand, der mir irgendwas erzählte. Keine unnötigen Gespräche und nerviges Lachen. Ich konnte einfach abschalten und ich sein.
Die Pause wurde mit einem Läuten beendet und bevor die Schüler ins Gebäude traten, öffnete ich die Tür und betrat das Schulgebäude.
Ich atmete tief durch als ich die Treppe vor mir sah und mit langsamen Schritten in die oberste Etage ging. Ich hasse Treppen. Man war nicht nur außer atmen wenn man oben angekommen ist sondern es brauchte so viel Zeit um nach oben zu gelangen.
Zumindestens für mich.
Ich hatte die erste Treppe geschafft und ich war bereits außer Atem. Ich bekam keine Luft mehr. Ich wollte die steigende Panik verdrängen aber sie war stärker als ich. Sie war immer stärker. Ich war machtlos dagegen, aber ich musste weiter machen. Ich durfte nicht schlapp machen. Genau, dass hatte mir mein Arzt immer und immer wieder gesagt.
Hatte es mir bis jetzt geholfen? Nein.
Wie konnte mir das nur passieren? Vor wenigen Monaten ging es mir noch gut. Ich konnte Meterweit rennen. Ich brauchte mir keinen Kopf um meine Gesundheit machen und mit einem Schlag hatte sich alles verändert. Ich musste meinen Sport aufgeben. Ich musste von vorne anfangen und mich an meiner neuen Krankheit gewöhnen.
Konnte man dass als Krankheit bezeichnen? Ich hatte keine Ahnung aber das war mir egal. Mein Asthma kam schleichend, bis ich eines Tages einen Anfall hatte und ins Krankenhaus musste. Ich hatte keine Ahnung was mit mir war und wieso ich so schwer Luft bekam. Die Ärzte hatten mich aufgeklärt. Sie hatten mir alles ganz genau erklärt und sie hatten mir Medikamente gegeben. Natürlich waren meine Werte besser geworden aber manche Sachen waren für mich noch zu anstrengend. Schüler liefen oder rannten an mir vorbei. Welche schrien durch die Flure, welche lachten und welche unterhielten sich in normaler Lautstärke. Keiner von ihnen nahm Notiz von mir. Keiner bemerkte mich. Worüber ich dankbar bin. Keiner konnte mir helfen. Keiner würde mich verstehen.
Ich zuckte vor Schreck zusammen als sich plötzlich eine Hand auf meiner Schulter legte. Ich drehte mich um und fiel auf den dreckigen Boden. Ich starrte in zwei braune Augen, die mich fragend musterten. Es war so lange her, dass mich jemand berührt hatte, dass mich jemand wahr genommen hatte. Sein Blondes Haar war unter seiner Mütze versteckt während seine Augen mich musterten. Vielleicht machte er sich über mich lustig oder es interessierte ihn nicht. Seine Kleidung war schwarz und in seiner rechten Hand hielt er ein Helm. Er gehörte zu ihnen. Er war ein Teil ihrer Gruppe, dass wusste ich. Ich hatte ihn schon öfters mit ihnen zusammen gesehen.
,,Geht es dir gut?", erkundigte er sich vorsichtig bei mir und hielt mir seine Hand hin. Ich schaute zuerst auf seine Hand und dann wieder in seine Augen. Ich ignorierte sie und stand von alleine auf. Als ob er glaubte, dass ich seine Hilfe wirklich annehmen würde. Bestimmt nicht. Immerhin war es seine Schuld, dass er auf den Boden gefallen war. Er hatte seinen Mund geöffnet um was zus sagen, doch da hatte ich mich schon umgedreht und rannte in meine Klasse. Ich werde nicht mit ihnen reden. Ich wollte mit ihnen nichts zu tun haben und damit werde ich nicht anfangen. Ich hatte es mir geschworen.  Nicht mir. Sondern mein Bruder. Seit ich wieder nach Grünwald gezogen bin und bei meiner sogenannten Mutter eingezogen bin, hatte sie mich ignoriert und mein Bruder hatte mich gewarnt. Immer und immer wieder. Er hatte nicht aufgehört bis er sich sicher war, dass ich ihn auch wirklich verstanden hatte und ohne versprach mich von ihnen fernzuhalten. Auf meine Frage ihn, warum er sie hasst und was der Grund dafür wäre, hatte er nicht geantwortet. Er meinte es würde mich nichts angehen und dann war das Thema für ihn beendet.
Ich seufzte.
Ich hatte mich bis jetzt an mein Versprechen gehalten. Ich hatte mir große Mühe gegeben unsichtbar zu sein, auch wenn es nicht immer einfach war. Ich bin der Schatten der Schule. Niemand bemerkte mich. Niemand sprach mit mir oder nahm mich genauer war. Alles für meinen Bruder. Aber es interessiert ihm nicht was ich möchte und was ich fühlte. Er hatte kein einziges Mal gefragt wie es mir ging. Solange ich mein Versprechen hielt war alles in Ordnung. Solange war ich für ihn Luft und für meine Mutter erst Recht. Wenn ich Zuhause war sah ich sie nicht viel. Ich redete mit keinen bin ihnen außer mein Bruder kam zu mir und er wollte was von mir. Nicht nur in der Schule bin ich komplett alleine sondern auch in der Schule. Ich hatte niemanden.
Ich bin ganz allein.
Aber bei meinen Vater zu bleiben war keine Option mehr für mich. Ich konnte da nicht weiter leben.
Ich schüttelte meinen Kopf um die ganzen Gedanken zu vertreiben und machte mich noch kleiner als zuvor. Ein Vorteil hatte es wenn man ganz vorne, direkt an der Tür saß.
Keiner nahm mich war.
Ich bin ein niemand.
Ich bin der Schatten.
Ich musste es sein.
Ich musste es bleiben.
Ein unangenehmes Gefühl machte sich in mir breit. Als würde mich jemand mit seinem Blick durchbohren. Ein Gefühl, was ich nicht kannte.
Und es machte mir Angst. Ich schaute auf. Es waren dieselben braunen Augen, die mich vor einigen Minuten angeschaut hatten. In seinem Blick war nichts anfälliges oder anderes zu erkennen, wo ich mir unsicher sein sollte. Was wollte er von mir? Warum beachtete er mich? Dass hatte er die letzten Jahren auch nicht getan. Sowie seine Freunde.
,,Du hast meine Frage nicht beantwortet.", stellte er klar, dabei schob er seine Hände in seine Hosentasche. Es war eine ganz normale Bemerkung aber irgendwas war anders daran. Ich konnte es nicht genau sagen.
,,Warum sollte ich dir eine Frage beantworten, wenn es dir eigentlich egal ist?" fragte ich ihn, lehnte mich an meinem Stuhl an und verschränken die Arme vor meiner Brust. Vielleicht meinte er es wirklich nur gut. Vielleicht hatte er keine schlechten Hintergedanken, aber ich musste so sein.
Wegen mein Bruder.
Er hatte seine Augen und Ohren über all. Gut für ihn und schlecht für mich.
Ich hatte keinen Freiraum.
Keine Privatsphäre.
Ich hatte nichts.

Mein Herz - Zerbrochene SeeleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt