Kapitel 8 - Im Paradies

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Es dauerte nur einen Sekundenbruchteil bis der Umhang vor meinen Augen verschwand. Als Mare erneut die Hände öffnete, befand sich ein alter Holzkompass in ihnen. Auf seinen auffordernden Blick hin, griff ich danach. Unzählige Runen waren in das Holz geschnitzt und er summte vor Magie.

"Der Ort, an dem sich Leviathan gegenwärtig befindet wird von starken Zaubern beschützt. Ich kann ihn euch nicht nennen, aber dieser Kompass wird euch zu ihm führen. Allerdings kann ich nicht versprechen, ob ihr wieder heil zurückkommen werdet."

Finn sah Mare düster an. "Ich warne dich, wenn du uns hinters Licht geführt hast..."

Mare lachte brüllend auf. "Glaubst du, ich hätte Angst vor dir, Finn Scamander? Du kannst genauso wenig Leid zufügen wie deine kleine Freundin. Ihr seid unbeschriebene Blätter, doch ich warne euch, das wird sich ändern, wenn ihr weiter geht."

"Er sagt die Wahrheit", murmelte ich als Finn etwas sagen wollte.

Mare sah ihn an. "Sie wird ihre Unschuld verlieren, wenn du sie mit dorthin nimmst. Einen Teil davon hat sie gerade schon eingebüßt. Es wird Zeit für euch zu gehen."

Und ohne dass wir mehr tun konnten, als uns aneinander festzuhalten fing der Boden an zu beben. Tenebris Mare verschwand wieder in die Dunkelheit, aus der er gekommen war und der Boden unter unseren Füßen raste zurück Richtung Erdoberfläche. Es ging so schnell, dass der Fahrtwind mir das Haar aus dem Gesicht peitschte und ich Probleme hatte, mein Gleichgewicht zu halten.

"Was sagt der Kompass, Luna?", fragte Finn mit angespannter Stimme.

Ich klappte ihn auf und sah noch mehr Runen und goldene, fremdartige Symbole. Die Nadel drehte sich wie verrückt, ehe sie zum Stehen kam. "Wir müssen in den Süden."

Finn nickte als die Plattform wieder im Ground Zero einrastete und die Geister abermals auf uns einstürmten. "Das habe ich mir gedacht. Halt dich gut fest."

Er packte meinen Arm und wir disapparierten.

Gleißend helles Sonnenlicht und Wärme empfingen uns. Ich schirmte meine Augen mit der Hand gegen die Helligkeit ab und sah nichts als türkisblaues Wasser und kilometer weiten einsamen Sandstrand. Begeistert drehte ich mich zu Finn um. "Wo sind wir?"

"Am Cayo Levisa, auf einer kleinen Insel vor Kuba. Was sagt die Nadel?"

Ich sah auf den Kompass herunter. "Südosten."

"Gut, dann sind wir richtig und können hier einen Zwischenstopp einlegen." Mit diesen Worten wandte er sich ab und holte das Zelt aus seinem Koffer.

Sprachlos sah ich auf das wunderschöne helle Wasser und rief nochmals über meine Schulter. "Wie lange bleiben wir?"

"Solange wie es dauert, bis wir uns von New York erholt haben."

Da wurde mir klar, dass er das für mich tat. Und dieses Wissen wärmte mir das Herz mehr als es die kubanische Sonne je gekonnt hätte. Ich bereute meine Entscheidung nicht, den Umhang meiner Mutter für seinen Traum fortgegeben zu haben, auch wenn es mir in der Seele weh tat. Er hatte es so verdient.

New York saß mir in den Knochen, obwohl wir kaum vierundzwanzig Stunden dort gewesen sind. Die Geister am Ground Zero, Mares Worte über meine Unschuld und Finns Erklärung auf meine Frage, ob es männliche Veelas gab, ließen mich nicht los. Es war, als zerrten diese Dinge von allen Seiten an mir. Es war Zeit, dass ich wieder im hier und jetzt ankam und ich konnte ohnehin nicht länger widerstehen.

Die Erleichterung, New Yorks Betonwüste entkommen zu sein und die Panoramaaussicht dieses paradiesischen Strandes ließen mich alles um mich herum vergessen. Ich zog mich bis auf die Unterwäsche aus und rannte ungestüm in ein Meer, das so warm und weich wie die Umarmung einer Mutter war.

Field Research - Liebe auf dem PrüfstandWhere stories live. Discover now