Kapitel 2

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Aleix Pov.

,,George?! George, hörst du mich?", fragte ich panisch, während ich immer wieder sanft gegen seine Wangen schlug. Doch seine Augen blieben weiterhin fest geschlossen. Besorgt und schockiert zugleich blickte ich auf meinen Schützling herab. Mit einem dumpfen Knall prallte die Tür gegen die Wand und eine der PR-Mitarbeiterinnen stand im Türrahmen. ,,Was ist passiert?", fragte sie, plötzlich kreidebleich. ,,Wir brauchen einen Arzt! Schnell!" Sofort drehte sie sich wieder um und lief davon. ,,Alles wird gut. Du musst nur durchhalten.", sprach ich leise zu. Schuldbewusst strich ich ihm durch die Haare. Wie hatte mir das nur passieren können? Anscheinend hatte er sich bei dem Unfall doch, wie es nun den Anschein hatte, schlimmere Verletzung zugezogen. Doch er hatte vorhin eigentlich vollkommen unverletzt gewirkt. Vielleicht etwas durch den Wind, doch das war etwas, dass bei solchen Unfällen normal war. Trotzdem machten sich die Schuldgefühle in mir breit. Ich hätte ihn mir doch genauer ansehen oder direkt Medical Center schicken sollen. ,,Was ist los?" Abrupt sah ich auf und sah nun Jost, der aufgebracht und besorgt den Raum betrat, hinter ihm Nicholas, der sich erschrocken die Hand vor den Mund schlug. ,,Oh mein Gott." ,,Einer der Mechaniker holt gerade den Arzt.", erklärte der Teamchef, der selbst versuchte seine Besorgnis zu verbergen. Ich nickte darauf nur kurz. Zum Glück schien der Mechaniker, den Jost oder wer auch immer losgeschickt hatte, schnell zu sein, denn nur wenige Minuten später trat der Arzt, mit einem Assistenten durch die Tür. ,,Was ist passiert?", wollte er wissen, während er eine Arzttasche neben dem Sofa abstellen und sich daneben kniete. ,,Ich bin mir nicht sicher. Als ich reingekommen bin, musste er sich übergeben und hat über Bauchschmerzen geklagt. Danach ist er ohnmächtig geworden.", fasste ich zusammen. Mit besorgt zusammengezogenen Augenbrauen nickte er, bevor er uns allen bedeutete etwas Platz zu machen und George zu untersuchen begann. ,,Ähm, Entschuldigung. Ist…Ist das vielleicht wichtig?", fragte Nicholas plötzlich, der beim Zurückweichen Georges Rucksack umgeworfen hatte und nun ein kleines Büchlein in der Hand hielt. Entsetzt schnappte ich nach Luft, genau wie die Anderen, als ich erkannte, was der Kanadier da in die Luft hielt. Ein Schwangerschaftspass. ,,Verdammt.", entfuhr es dem Arzt, der auffordernd seine Hand in Nicholas Richtung streckte und das Heft überreicht bekam. Er blätterte es schnell durch. ,,Wusstest du davon?", flüsterte Jost mir leise zu. Ich konnte nur fassungslos den Kopf schütteln. Nein, das hatte ich nicht gewusst. Wieso hatte George mir das verheimlicht? Und wenn ich nichts davon wusste, wusste es überhaupt jemand? Schnell schüttelte ich diese Gedanken wieder ab. Das war nichts, um das man sich jetzt kümmern müsste. Jetzt war einzig und allein George wichtig. ,,Die Schwangerschaft ist bisher ohne Komplikationen verlaufen. Wir werden ihn ins Krankenhaus bringen. Ich kann die Situation hier nicht richtig einschätzen. Er braucht genauere Untersuchungen.", sprach der Arzt. ,,Können Sie denn irgendwas sagen?", fragte Jost. ,,Nicht genau. Es könnte sich innere Verletzungen vom Unfall handeln oder eine Fehlgeburt. Vielleicht ist es aber auch nicht davon. Nach den Untersuchungen im Krankenhaus werden wir mehr wissen." ,,Ich werde mitkommt.", bestimmte ich. ,,In Ordnung. Es wird vermutlich am Besten sein, wenn er einen Vertrauten bei sich hat, wenn er aufwacht."

Lewis Pov.

Mit einem unguten Gefühl im Magen lief ich in meinem Fahrerzimmer auf und ab. Ich bereute es sofort, dass ich meinem Freund nicht zur Seite gestanden hatte, nachdem ich Georges hilflosen, verzweifelten Blick sah, den er mir zuwarf. ,,Lewis?", erklang Valtteris Stimme hinter mir. Als ich mich umdrehte, entdeckte ich ihn und Toto im Türrahmen stehen. ,,Es tut mir leid. Du hättest dich von mir aus nicht zwischen George und mir entscheiden müssen. Und ich habe vielleicht auch etwas überreagiert." ,,Die Rennkommissare haben den Vorfall als Rennunfall eingestuft.", meldete sich jetzt auch Toto zu Wort. ,,Und wir haben uns die Szene selbst nochmal angesehen. Es wurde nichts falsch gemacht. Weder Valtteri noch George hätten etwas anders machen können." ,,Willst du mir gerade sagen, dass ich meinen Freund vollkommen umsonst vor den Kopf gestoßen habe?! Das ich ihm völlig unnötig nicht beigestanden habe, als er sich meine Hilfe erhofft hat?!", fragte ich wütend. ,,Es tut mir leid, Lewis." ,,Das solltest du nicht mir sagen. Du hast George doch die ganze Zeit beschuldigt, der einzige Schuldige an diesem Unfall gewesen zu sein." ,,Und dafür werde ich mich entschuldigen. Die Presseaussagen waren jedoch trotzdem nicht in Ordnung." ,,Vergiss doch einmal im Leben deine blöden Pressekommentare. Wer von uns hat denn noch nie etwas im Eifer des Gefechts gesagt, das er eigentlich gar nicht so gemeint hat." ,,Lewis hat Recht, Toto. Du kennst George noch besser als ich und selbst ich weiß, dass er normalerweise nicht so ist. Tatsächlich schien er eher ziemlich durcheinander gewesen zu sein.", stieg überraschenderweise auch Valtteri mit ein. Ich warf meinem Teamkollegen einen dankbaren Blick zu. ,,Vermutlich ist da etwas dran.", gestand Toto schließlich überlegend. ,,Ich werde nochmal in Ruhe mit ihm sprechen." Zustimmend nickte ich. ,,Lasst uns gehen. Ich möchte mich lieber gleich entschuldigen. Und du wirst George bestimmt auch endlich richtig trösten wollen." Natürlich wollte ich das. Das wollte ich schon, seit ich aus meinem Auto gestiegen war. Ich hoffte nur, dass er mir nicht allzu böse wegen meines Verhaltens sein würde. So folgte ich Toto und Valtteri durch das Fahrerlager bis zum Williams Motorhome. Dort wurden wir jedoch nicht weitergelassen. ,,Ich muss ja wohl sehr bitten. Wir möchten zu George. Ich weiß, dass das nicht wirklich üblich ist, aber das ist ja wohl ein bisschen übertrieben.", sprach Toto genervt. ,,G…George ist nicht…hier.", stotterte der aufgeregte Mechaniker. ,,Wie bitte? Wo ist er dann?" ,,Ich…Ich…Moment." ,,Was sollte das denn?!", fragte Toto, als der Mechaniker eilig im Inneren verschwand. ,,Das werden wir wohl gleich wissen.", meinte Valtteri und deutete auf Jost Capito, der mit verkniffenem Gesichtsausdruck auf uns zukam. ,,Wie kann ich helfen?" ,,Wir möchten zu George.", begann Toto erneut. ,,Ich fürchte, das wird nicht möglich sein." ,,Wieso nicht?" ,,Er ist nicht hier." ,,Ja, soweit sind wir schon gekommen. Ich will einfach nur wissen, wo er ist." Anscheinend verlor Toto solangsam etwas seine Geduld. Oder spürte er auch dieses beängstigende Gefühl, das sich inzwischen immer mehr in mir festsetzte? ,,Aus welchem Grund? Wie gehört habe, hast du deinen Standpunkt schon ziemlich klar gemacht. Dabei muss ich sagen, dass dein Fahrer genauso wenig getan hat wie meiner." ,,Das weiß ich inzwischen auch. Deshalb bin ich ja hier." Jost nickte kurz. ,,Wo ist er jetzt?" ,,Im Krankenhaus." ,,Was?!", hauchte ich erschrocken. Mein Herz setzte einen Schlag aus und klopfte dann wie verrückt in meiner Brust, während sich Entsetzen und Besorgnis in mir ausbreitete. ,,Wieso erfahre ich das erst jetzt? George ist einer unserer Nachwuchsfahrer. Ich bin ebenso für ihn verantwortlich wie du. Wieso hat man mich nicht informiert? Was ist mit ihm?" ,,Er hatte wohl Schmerzen und ist zusammen gebrochen. Mehr wissen wir momentan auch nicht. Wir werden auf Neuigkeiten warten müssen." ,,Wir werfen ganz sicher nicht hier bleiben und warten. Wir werden selbst hinfahren.", bestimmte Toto.

Schnell lief ich auf den Trainer meines Freundes zu, als ich ihn auf einen der Plastikstühle im Wartebereich erblickte. ,,Aleix!", rief ich, was ihn aufsehen ließ. ,,Was ist mit ihm?" ,,Er wird noch untersucht.", antwortete er mir, selbst ziemlich blass und besorgt aussehend. ,,Wie lange dauert das denn?" ,,Es dauert solange es dauert, Lewis. Setz dich hin, du hilft George nicht, indem du hier wie verrückt auf und ab läufst.", sprach Valtteri, der mal wieder die Stimmer der Vernunft war. ,,Du setzt dich auch hin Toto.", wies er nun auch unseren Teamchef an, dem seine Sorgen ebenfalls gut anzusehen waren. Widerstandslos ließ er sich auf einem der Stühle nieder. Schweigend saßen wir da, Sekunden und Minuten verstrichen. Besorgt vergrub ich das Gesicht in den Händen. Wäre das Ganze anders ausgegangen, wenn ich mich anders verhalten hätte. Hätte er dann vielleicht schon früher etwas gesagt? Würden wir dann nicht hier sitzen? Doch noch viel schlimmer als das, war der Gedanke, das es meinem Freund schlecht ging, das er Schmerzen hatte, während ich mich wie der letzte Idiot benommen hatte. Ich war ein schrecklicher Freund gewesen. ,,Mach dir keine Vorwürfe.", sprach Aleix mich plötzlich an, schien meine Gedanken wohl irgendwie zu erraten. ,,Das tu ich aber. Ich habe mich furchtbar genommen." ,,George wird dir deswegen nicht böse sein. Er ist der  freundlichste Mensch den ich kenne." ,,Das ist eben das schlimme. Er wird vermutlich nicht mal so wütend auf mich sein, während ich selbst nicht bemerkt habe das es ihm nicht gut geht." ,,Genauso wenig wie ich. Dabei hätte mir etwas auffallen müssen. Aber das ist es nicht. Niemand hier muss sich einen Vorwurf machen, außer mir." ,,George würde nicht wollen, dass du dir die Schuld daran gibst." ,,Natürlich nicht. Trotzdem werde ich mir das nie verzeihen." Danach schwiegen wir wieder. Solange bis sich eine Tür öffnete und ein Arzt, mit unleserlichem Gesichtsausdruck, auf uns zu trat.

Accident with consequencesWhere stories live. Discover now