Kapitel 6 ~Rose~

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Ich wachte nach einer unruhigen Restnacht auf und hatte ein schlechtes Gefühl. Mein Bauch
spielte verrückt, als wäre ich aufgeregt vor einer wichtigen Prüfung. Ich versuchte das Gefühl
zu ignorieren und machte mich fertig für das Training mit Dimitri. Ich habe ihn gestern
schwer enttäuscht. Ich wusste nicht, dass er so viel von mir gehalten hat. Ich war mit meiner
Annahme, dass ich ihm nichts bedeute, wohl doch auf dem Holzweg. Er hat sich offensichtlich wirkliche Sorgen um mich gemacht und dann noch dieses Roza. „Roza", sagte ich zu mir selbst. Er hat es so gefühlvoll gesagt, so sanft. Bei diesem Gedanken spürte ich wie meine Wangen anfingen zu brennen. Ich muss ihn wieder von mir überzeugen beschloss ich und rannte förmlich Richtung Turnhalle. Das Frühstück ließ ich heute sausen, da würde ich eh nur Jesse sehen und ihn vermutlich sämtliche Knochen brechen. Dann lieber unzählige Runden Laufübungen absolvieren. Ich war an der Halle ankommen, öffnete die Tür und sah noch keinen Dimitri. Ich wärmte mich schon mal auf. Gerade als ich fertig war kam er rein. Er
war sichtlich überrascht mich schon zu sehen, sagt aber nichts. Er nickte mir zu mit einem
leichten Anflug eines Lächelns und gab mir zu verstehen meine gewohnten Übungen zu
machen. Er setzte sich und las. Ich fing an und versuchte mich zu konzentrieren, konnte aber
nicht verhindern, dass ich immer wieder Richtung Dimitri sah. Ich fand das er von Anfang an
schon gut aussah, aber jetzt wo ich seine sanfte Seite kennenlernen durfte, da fühle ich mich
plötzlich mit jedem Moment den ich ihn ansah mehr von ihm angezogen. Ein harter und
berühmter Wächter, aber gleichzeitig ein sanfter Mann. Ich war fasziniert von ihm.
Das Training endete leider viel zu schnell.
Ich machte mich auf den Weg zum normalen Unterricht und je näher ich dem Schulgebäude
kam, desto unwohler fühlte ich mich wieder. Als ich im Klassenzimmer saß spürte ich die
Blicke von anderen Schülern auf mir und im selben Moment hörte ich Jesse quasi durch die
Klasse schreien: „Rose lässt echt jeden ran. Ihr ganzer Körper ist quasi mit Bisswunden
übersäht. Tja sie tut immer nur so taff, aber in Wahrheit ist sie eine billige Bluthure. Sie hat
Lissa auch ständig von sich trinken lassen." Dabei starrte er mir direkt in die Augen. Anstelle
über den Tisch zu hechten und ihm vor den Augen aller den Hals zu brechen machte ich zu.
Ich schluckte meinen Klos im Hals runter und schaltete auf Wächterpokerface.
Ich hörte alle Tuscheln und Lachen über mich, aber ich werde nicht klein beigeben und vor versammelter Mannschaft anfangen zu heulen. Ich bin verdammt nochmal Rose Hathaway!
Man kriegt mich nicht klein. Das versuchte ich durchzuziehen so lange es ging. Nach der
Stunde rannte ich in Lissas Zimmer. Durch das Band spürte ich, dass sie dort war und alleine
war. Sobald ich die Tür öffnete, beendete ich die Scharade des Wächtergesichts und mir
kullerten dicke Tränen das Gesicht runter. Lissa wusste direkt was los war und nahm mich in
die Arme. Sie hat die Gerüchte schon gehört. „Rose" sagte sie nur und ich fing heftig an zu
schluchzen. „Lissa, ich habe es nicht getan. Ich schwöre. Er hat mich ausgefragt. Ich habe versucht ihm das zu erklären. Ich bin ja so bescheuert. Wie bin ich auf die Idee gekommen
das ausgerechnet der Idiot Jesse das für sich behält." Ich lag heulend in Lissas Armen. Sie
sagte nichts. Sie spende mir die Zuneigung und Liebe die ich gerade brauchte. So verbrachten wir den ganzen Tag, die Schule schwänzten wir gemeinsam. Als die Hausmutter reinkam um uns zu holen, weil die Lehrer schon nach uns gefragt haben, setzte Lissa Zwang ein. Sie ging dann wieder und berichtete den Lehrern, dass wir krank seien und morgen wieder am Unterricht teilnehmen werden. Auf Lissa kann man sich einfach immer verlassen.
„Was soll ich jetzt machen?", fragt ich nach einiger Zeit in der wir nur beieinander lagen bis
meine Tränen irgendwann trockneten. „Wir müssen abwarten glaube ich. Das nächste Gerücht wird bald kommen, ganz sicher. Jeder weiß was für ein Idiot Jesse ist, auch wenn es niemand zugibt im Moment." Lissa hatte Recht. Mehr als abwarten konnten wir nicht. Ich schaute auf die Uhr und sah das ich bald zu Dimitris Training musste. „Ich gehe jetzt besser eine Kleinigkeit Essen bevor ich zum Training gehe, kommst du mit Lissa?" „Na klar, ich hatte heute auch noch nichts." Wir gingen Hand in Hand zur Mensa und ich spürte jeden einzelnen
Blick genauso wie Lissa. Ich drückte ihre Hand ganz fest um auch für sie da zu sein. Ich spürte
durch das Band, dass ihr das sehr zu schaffen machte. Schließlich ist sie ja ein Teil des
Gerüchts, auch wenn das der einzige kleine wahre Teil ist. Wir aßen gemeinsam und ich
umarmte sie zum Abschied. Ich ging Richtung Turnhalle und mein bester Freund Mason kam
mit entgegen. „Hey Mason, ich schätze du hast schon gehört was gerade die Runde macht."
„Stimmt es?" ', fragte er wütend. „Natürlich nicht!", antwortete ich empört. „Aber Lissa hat von dir getrunken? Und du hast dich gestern mit diesem Jesse getroffen?" Ich zögerte. „Nun ja, das stimmt schon, aber ich kann es dir erklären." „Ich will nichts hören. Warum ausgerechnet er? Also hat Jesse doch recht." „Nein hat er nicht", schrie ich ihn an. Er schüttelte mit dem Kopf und ging weg. Da war er wieder, der Klos im Hals. Ich setzte wieder
mein Pokerface für den restlichen Weg auf und betrat die Turnhalle. Dimitri war bereits da
und schaute zu mir hinüber. Auch ihn hatte das Gerücht bereits erreicht und ich sah seinen
entschuldigenden Blick. Ich wollte nicht, dass das Thema hier zur Sprache kommt, deshalb tat ich unbeeindruckt. „Kann es losgehen Genosse?" Ohne seine Antwort abzuwarten, lief ich los. Er beweget sich nicht und folgte mir mit seinen Augen. „Stopp." Sagte er ruhig. Ich ignorierte ihn und lief weiter.„Stopp Rose.", rief er jetzt und kam mit entgegen. Er hielt mich fest und ich war gezwungen
stehen zu bleiben. Schon wieder stiegen mir die Tränen in die Augen. Nein, nicht vor ihm.
Nicht schon wieder, ich muss doch stark wirken. „Greif mich an." ,sagte er ruhig. Ich schaute zu ihm auf wobei mir die Tränen, die sich gesammelt haben die Wangen runterrollten. Er schaute mir direkt in meine Augen, in meine Seele hinein. Er wusste wie ich mich fühlte und versuchte mir zu helfen. „Greif mich an." , sagte er nochmal sehr deutlich.
Ich verstand was er bezwecken wollte. Und ich war ihm dankbar. Er lies mich los und ging ein Stück zurück in Kampfposition. Ohne weitere nachzudenken, stürmte ich auf ihn los. Ich legte meine ganze Wut und meinen ganzen Frust in diesen Kampf. Ich schlug auf ihn ein, er
parierte alle meine Angriffe gekonnt. Ich richtete bei ihm keinen Schaden an, aber ich legte
alle Kraft in die Angriffe. Er sagte nichts und so führten wir nur unseren gewaltsamen Tanz
gemeinsam auf. Ich schrie wie ein wildes Tier bei meinen Angriffen und die Tränen liefen mir ungebremst die Wangen runter. Ich wollte nicht gewinnen, und konnte es gegen ihn auch
nicht, es war mir egal und ihm auch. Wir kämpften einfach nur. Es tat mir gut. Das Training
endete, wie heute morgen schon, viel zu schnell.
Mir lief der Schweiß wie Wasser runter und mein Körper war geschunden, aber ich war das
erste Mal an diesem Tag glücklich und musste lächeln. Als Dimitri das sah lächelte auch er.
Ohne weiter darüber nachzudenken, schlang ich meine Arme um ihn und umarmte ihn innig. Zunächst ging er nicht darauf ein, doch mit jeder Sekunde entspannte er sich merklich. So
standen wir da und ich spürte seine Wärme an mir und konnte seinen Duft in mir aufnehmen. Er roch so gut, ich verlor mich fast in ihm. Leider beendete er die Umarmung viel zu schnell wieder und sah mich an. „Von jetzt an lernst du Kämpfen, du bist soweit. Ich werde dir zeigen wie du alle in deiner Klasse besiegen kannst und ihnen zeigen kannst wie
stark zu bist. Ich bringe dir mehr bei als jeder an dieser Schule lernt." Ich strahlte ihn an.
Genau das was ich wollte, ich wollte das in mir alle wieder die starke Rose sehen, so wie es vor 2 Jahren der Fall war. Ich wollte wieder respektiert werden, als Wächterin und nicht als schwache Bluthure gesehen werden. „Für heute hast du genug gekämpft. Morgen geht es weiter." Ich nickte ihm zu und wir verließen gemeinsam die Turnhalle und gingen der Morgensonne entgegen. Der Campus lag ruhig vor uns und wir schlenderten Richtung
Noivzenwohnheim. Ich lächelte ihm zum Abschied zu und sagte: „Danke Dimitri, ich werde
dich nicht wieder enttäuschen. Ich werde Kämpfen wie noch kein Wächter vor mir, darauf kannst du dich verlassen." Er lächelte mich an: „Das glaube ich dir. Gute Nacht Roza." Damit drehte er sich um und ließ mich mit einem wohligen Gefühl zurück. Ich duschte ging ins Bett und träumte von Dimitri wie er mir immer wieder „Roza" zuflüsterte.

Vampire Academy - RomitriWhere stories live. Discover now