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FERGUS

Als die Haustür zuknallt, lasse ich meine Arme sinken und atme schwer gegen den Boxsack vor mir. Sie ist endlich weg. Zumindest hat es sich so angehört. In der letzten Stunde habe ich wie wild auf den Boxsack eingetrommelt, in der Hoffnung das meine Wut auf sie und jeden in dieser verfickten Stadt verfliegt. Doch nichts ist passiert. Beim Einkaufen hat mir ein Rentner doch tatsächlich die Klappe des Kofferraums demoliert. Als wäre das nicht genug, ist mir auch noch die Einkaufstüte gerissen und als ich endlich alles eingesammelt hatte, musste ich feststellen, dass diese Mila noch immer hier ist. Fuck. Ich hasse Besuch. Menschen, die in meine Privatsphäre eindringen, nenne ich sie auch. Nervige Menschen. Genau aus diesem Grund, renne ich nicht mehr zu meiner Psychologin.

Mit den Zähnen bekomme ich den Klettverschluss an den Handschuhen zum Greifen und öffne mir einen, um auch den anderen loszuwerden. Schwitzend und schwer atmend werfe ich sie in die Badewanne und schnappe mir ein weißes Handtuch von der Tür, mit dem ich mir über die Haare wuschle. Meine Hand streckt sich wie von selbst nach der Klinke aus. Mit einem Schwung ist das Holz geöffnet und ich trete in den leeren Flur. Skeptisch spähe ich durch den Rahmen des Gästezimmers. Auch das ist völlig leer. Meine Laune steigt sofort wieder auf Rekordlevel. Zumindest auf meine. Ein normaler Mensch würde das vielleicht trotzdem depressiv nennen.
»Bist du noch da, Vögelchen?«, frage ich bissig ins Wohnzimmer hinein. Den Spitznamen spreche ich spöttisch aus. Denn sie kommt mir vor, wie ein Vogel in einem Käfig. Was auch immer sie dazu bewegt hat sich gestern ertränken zu wollen, es verfolgt sie noch immer und es scheint ihr Vater zu sein. Wir alle haben abgefuckte Familien, aber das ist noch lange kein Grund sich ertränken zu wollen. Nicht das ich es nicht versucht hätte. Das Wasser des Atlantiks ist eisig. Sommer wie Winter.

Erleichtert stelle ich fest, dass sie wirklich verschwunden zu sein scheint. Ausatmend werfe ich mich auf mein Sofa und lege die Füße auf den Kaffeetisch. Die Ruhe ist herrlich. Meine Augen wandern über den Teppich, den Tisch hinauf, vor zum Kamin, bis auf den Sims. Mich trifft fast der Schlag.
»Dieses Miststück!«, fluche ich lautstark und schnelle auf, um den Tisch zu umrunden. Zornig blicke ich auf die Staubfreie Stelle, auf der zuvor das Modell des Flugzeugs stand. Pures Silber, aber tausendmal wertvoller für mich. Es ist ein Geschenk von Neal gewesen. Schreiend boxe ich in den Fernseher und pfeffere mit dem Handtuch eine Vase vom Tisch. Ich fand sie sowieso hässlich. Meine Tante hat sie vor ein paar Monaten angeschleppt.
Mit polternden Schritten marschiere ich zurück in mein Schlafzimmer, wische mir den Schweiß mit einem nassen Lappen von der Stirn, ziehe mich in Windeseile um und schnappe mir die Schlüssel meines Autos im Flur. Ich klettere in meine schwarzen Schuhe, werfe mir meine Jacke über und stürme aus der Tür. Fuck!
Innerlich würde ich ihr am liebsten eine Kugel in die Birne jagen. Verfickt nochmal! Wenn mir etwas in dieser dummen Wohnung bedeutet, dann ist es dieses Modell. Ich werde es mir um jeden Preis wiederholen. Sie sollte sich warm anziehen, wenn ich sie finde. Weit kann sie ja in diesem verfluchten Ballkleid noch nicht sein. Hoffe ich zumindest.

Mit quietschenden Reifen biege ich um die Kurven der vollen Straße. Mir entgeht das Hupen und Gebrülle er anderen Autofahrer nicht, aber das könnte mir im Moment nicht egaler sein. Meinen Mittelfinger aus dem Fenster streckend rausche ich an ihnen vorbei und ignoriere jegliche Verkehrsvorschriften. Dieses Modell ist mir wichtiger. Mila kann froh sein, wenn ich ihr nicht auf offener Straße die Kehle aufschlitze. Für dieses Flugzeug würde ich Morden. Es ist mein wertvollster Besitz.
Meine Augen halten konzentriert Ausschau nach ihrem langen Haarschopf und dem imposanten Kleid. Nichts dergleichen erblicke ich auf meiner Fahrt durch die Gegend. Wo ist sie nur hin verschwunden? Hat ihr Vater sie erwischt? Der vor dem sie gestern abgehauen ist? Diese Frau ist ein verficktes Rätsel für mich. Eines, auf das ich keinen Bock habe, es zu lösen.

Ob sie zurück an den Strand ist? Aber was will sie mit dem Modell dort? Nein. Sie ist nicht blöd. Sie muss wissen, dass es was wert ist. Akribisch lese ich jeden Schriftzug über den Geschäften. Bis ich schließlich den Namen eines Pfandhauses lese. Bingo. Der Jeep kommt sofort am Straßenrand zum Stehen. Ich hüpfe aus dem Sitz, eile über den Gehweg und stürme in das Pfandleihhauses. Tatsächlich steht die Petite Brünette vor dem Tresen und Schreck zurück als sie mich erblickt. Hinter der Theke ein Mann, zwischen ihnen mein Modell. Zornig stampfe ich auf die beiden zu und schnappe mir das Flugzeug. »Hey, das habe ich gerade gekauft!«, wirft der dicke ein.
»Einen scheiß hast du!«, schnauze ich und deute mit dem Finger in Richtung Mila, »die kleine Hexe hat es mir geklaut. Also ist es rechtmäßig immer noch meines. Gibt ihm das Geld zurück Mila«, fordere ich sie auf. Perplex kopfschüttelnd tritt sie einen Schritt zurück und rafft sich den langen Rock des Kleides in den Händen zusammen. Vermutlich will sie sich ablenken, da sie verdammt nervös ausschaut. »I-Ich ka-kann nicht«, versucht sie mir klarzumachen.
»Was ist denn jetzt mit meinem Geld?«, schaltet sich der Mann wieder ein.
»Halt deine Fresse«, maule ich ihn an und packe nach Milas Händen.
»Gib. Ihm. Das. Verfickte. Geld!«
Sie zuckt unter meinem Schrei zusammen und lässt die Scheine auf den Boden rieseln. Hastig hebe ich sie auf und knalle sie dem Mann auf den Tisch. Läppische tausend hat sie bekommen.
»Such dir jemand anderen den du abziehen kannst, klar?«, warne ich ihn ein letztes Mal, bevor ich mich umdrehe. Wütend Stiere ich Mila entgegen und stapfe aus dem Laden hinaus. Hinter mir höre ich noch ihre eiligen Schritte auf dem Linoleum.
»Warte doch mal!«, ruft sie beim Laufen. Die Glocke der Tür läutet als ich sie mit voller Wucht aufstoße und die paar Stufen hinab auf den Gehweg laufe.
»Lauf mir nicht nach!«, wettere ich über meine Schulter. Die Frau seufzt, aber scheint nicht zu hören.
»Fergus, es tut mir leid! Ich wollte nur-«
Innehaltend drehe ich mich um und sie prallt ruckartig gegen meinen Oberkörper. Ihre unschuldigen Augen reißt sie weit auf, droht zu fallen. Geradeso fange ich sie mit einer Hand, bevor sie Bekanntschaft mit dem harten Boden macht. Sie krallt sich in meine Oberarme, als wäre ich ihr Rettungsanker.
Keine Sekunde steht sie wieder sicher auf zwei Beinen, da stoße ich sie von mir und presse die Lippen stählern aufeinander. »Mir ist scheiß egal, was du vorhattest. Das interessiert mich so sehr wie der Dreck unter meiner Sohle. Und jetzt hör' gefälligst auf, mir wie ein Welpe hinterher zu rennen!«, befehle ich ihr herrisch und drehe mich um. Ihre wässrigen Augen senken sich zum Boden.
»F-«
»Lass gut sein, Hexe
Mit einem Handgriff habe ich das Modell auf den Beifahrersitz gelegt und die Tür geschlossen, gehe um die Motorhaube und steige ein. Der Frau schenke ich keinen Blick mehr. Die ist für mich gestorben. Hoffentlich muss ich ihr nie wieder begegnen.

Der Motor des Jeeps schnurrt auf und meine Hand betätigt die Gangschaltung. Plötzlich reißt jemand die Beifahrertür auf. Es ist keine geringere als Mila. »Fuck, verpiss dich!«
»Nein, bitte!«, fleht sie und steigt ein. Der viele Stoff ihres Kleides nimmt den ganzen Fußraum ein. Das Flugzeug hält sie in ihren Händen. Immer wieder schaut sie panisch durch den Rückspiegel. Was ist der den für eine Laus über die Leber gelaufen? Was denkt sie, was sie sich hier erlaubt?
»Ich schwöre, wenn du nicht gleich aus meinem Auto verschwindest, dann bringe ich dich um, Mila!«
»Ja, bitte tue das!«, keift sie nun. Ihre Stimmung ist von schuldig zu giftig umgesprungen. »Bitte, Erlös mich, okay? Denn dann weiß ich wenigstens, dass die Männer da hinten in dem Auto, nicht mehr nach mir suchen!«

Tiefe Falten bilden sich auf meiner Stirn. Meine Haut zieht sich immer weiter zusammen, die Augenbrauen ebenfalls. Nun gleitet mein Blick ebenfalls durch den Rückspiegel. Zum Glück sind meine Scheiben getönt und sie können uns unmöglich ausmachen.
Aus einem schwarzen SUV steigen drei Männer in schwarzen Anzügen, mit Sonnenbrillen und Walkie-Talkies. Selbst von hier erkenne ich die Umrisse der Waffen unter ihren Jacketts. Das hat mir gerade noch gefehlt.
»Bitte, für sowas habe ich gerade verfickt nochmal gar keine Zeit!«, schreie ich sie an und schlage aufs Lenkrad. Mila wirft die Arme in die Luft. »Denkst du ich? Bitte, Fergus, ich flehe dich an! Bring mich hier weg und ich verspreche dir, dass du es nicht bereuen wirst!«, fleht sie verzweifelt in schriller Tonlage. Ihre Augen sind so trüb und klein geworden. So als würde sie schon sehr lange in der Angst dieser Männer leben.
Angestrengt mahle ich auf meinem Kiefer herum. Als die Typen tatsächlich in das Pfandleihhaus gehen, vermutlich um sich zu informieren, zögere ich nicht lang und gebe Gas. Bereuen tue ich es bereits jetzt.
»Ich schwöre dir, wenn du mich in irgendeine scheiße gezogen hast, dann ertränke ich dich persönlich im Atlantik«, verspreche ich. Auf Probleme habe ich überhaupt keine Lust. Mein Leben ist schon abgefuckt genug. Verdammt, und nur weil ich sie unbedingt retten musste.
Selbst schuld Fergus, selbst schuld...

Serpent King | 18+Место, где живут истории. Откройте их для себя