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MILA

Der Schmerz in meinem Kopf hat nur wenig nachgelassen als ich mein Bewusstsein zurückerlange. Ein leichtes Gefühl hat sich in meinem Gehirn breitgemacht. Ob Fergus sich so gefühlt hat, wenn er Kokain geschnupft hat? Was mein Vater mir wohl gegeben hat?
Meine Kehle ist so ausgetrocknet das selbst das Schlucken mir Schmerzen bereitet. Ich blinzle gegen die einfallende Sonne an, die bereits hoch am Himmel steht. Es muss bereits Mittag sein. Habe ich so lang geschlafen?
Blinzelnd versuche ich mich zu orientieren. Die schweren cremefarbenen Vorhänge kommen mir für meinen Geschmack etwas zu bekannt vor. Auch das Bett fühlt sich verdächtig vertraut an. Ich muss nicht zweimal hinsehen, um zu wissen, dass ich in meinem Zimmer liege. In meinem eigenen Bett. Auf dem schmalen Nachtschränkchen steht eine Karaffe Zitronenwasser und ein Glas. Außerdem finde ich eine weiße Pille daneben vor. Schmerzmittel. Umständlich setze ich mich in meinem Bett auf. Mein linker Unterarm und die Hand werden von einem straffen weißen Verband verdeckt, was meine Vermutung das mein Knochen gebrochen sein muss, nur bestätigt.

Stöhnend erhebe ich mich von meiner Matratze und schlürfe über den gewebten Teppich ins angrenzende Badezimmer. Meine Beine tragen mich geradeso hinein. Die Tür verriegle ich zur Sicherheit zweimal und sinke erleichtert auf den Rand der großen Badewanne. Schwer atmend drehe ich den Hahn auf und schaue zu wie sich die dampfende Flüssigkeit in der Wanne breitmacht. Das Bad kommt mir jetzt genau richtig. In den letzten Wochen konnte ich nur duschen und habe in der Kleidung von anderen Menschen gelebt. Apropos, wo ist Fergus' Jacke abgeblieben? Mit gerunzelter Stirn schaue ich mich um, doch entdecke sie nirgends. Aufgeregt mache ich mich auf den weg zurück in mein Zimmer. Tatsächlich hat man sie neben der Tür achtlos auf den Boden geworfen. Ein stechender Schmerz durchfährt meine Stirn als ich mich hinunterbeuge und das Stück vom Boden aufhebe. Bei Gelegenheit schließe ich auch meine Zimmertür von innen ab und laufe zurück ins Bad. Nachdenklich sinke ich zurück auf den Badewannenrand und presse die wärmende Jacke gegen meine Brust. Das ist das letzte Stück, das mir noch als Erinnerung bleibt. Mein letztes Fünkchen Hoffnung, dass ich nicht aufgeben will. Nach unserem Streit gestern bin ich mir dennoch nicht sicher, ob er sich überhaupt die Müh machen wird, nach mir zu suchen. Der Fakt das ich die Schwester seines Toten besten Freundes bin, hat ihn aus der Bahn geworfen. Ich hoffe das er nicht rückfällig geworden ist...
Fünf Minuten vergehen, ehe ich das Wasser abstelle und Fergus seine Jacke auf den geschlossenen Wäschekorb lege. Im Ganzkörperspiegel zwischen Dusche und Badewanne fällt mir zum ersten Mal den monströsen Fleck auf meiner rechten Seite auf. Die Stelle, an der der SUV mich getroffen hat. Das blau schimmert in allen Abstufungen auf meiner Haut und zieht sich vom Bauchnabel bis auf meinen Rücken. Meine untersten Rippen schmerzen bei jeder Bewegung, aber gebrochen scheinen sie nicht zu sein. In der Hinsicht hatte ich Glück. Weniger mit meinem Arm... Er ist zuerst auf den Boden eingeschlagen und hat die ganze Wucht des Aufpralls abgefangen. Ich muss kein Arzt sein, um zu wissen das mein Unterarmknochen zerbrochen ist. Es tut selbst mit diesen Schmerzmitteln weh, meine Finger kann ich nicht bewegen.

Umständlich schaffe ich es in die Badewanne. Das Wasser duftet nach meiner Badeessenz, die große Schaumberge auf der Oberfläche hinterlassen hat. Wenn ich nach draußen schaue, sehe ich nur eine grüne Wand aus Bäumen und Sträuchern, die so groß sind, dass sie bis in den ersten Stock dieser Villa reichen. Selbst wenn ich wollte, könnte ich nicht entkommen. Das Grundstück ist besser gesichert als der Palast der Queen.
Ausatmend lehne ich mich zurück und spüre, wie jeder verkrampfte Muskel meines Körpers sich löst. Meinen verletzten Arm lege ich auf den Rand, damit er nicht nass wird. So bleibe ich eine Weile liegen und versuche die Geschehnisse von letzter Nacht zu verdrängen. Immer wieder sehe ich meinen grausamen Vater vor mir, wie er mir Wasser übers Gesicht gegossen hat und mir ein klitschnasses Tuch vor Mund und Nase presste, damit ich nicht mehr atmen kann. Ist es das, was er mit den Leuten tut, die nicht machen was er sagt? Ich will es überhaupt nicht wissen, die Antwort könnte ich nicht ertragen.

Geschlagene fünfzig Minuten später klettere ich aus dem immer noch warmen Wasser und kann dabei nicht aufhören über das, was geschehen wird nachzudenken. Ich habe Angst allein in diesem Haus zu sein, mit einem Vater, der vor nichts zurückschreckt. Der mich ermorden würde, wenn er könnte. In diesem goldenen Käfig, in dem ich so lang gelebt habe. Nach all den Tagen wieder hier zu sein fühlt sich bedrückend an. Es ist als würde sich dieser schwarze Schleier erneut über meinen Kopf legen, etwas das es mir unmöglich macht abzuhauen. Etwas das mich depressiv macht. Ich habe gehofft diese vier Wände nie wieder von innen zu sehen und doch stehe ich hier in meiner persönlichen Festung. Fertig mit den Nerven trockne ich meinen Körper und die Haare, ziehe mir frische Unterwäsche, eine lange Hose und ein bequemes T-Shirt an, mit dem ich mich zurück in mein Bett lege und aus den Fenstern starre. Wie lang muss ich das alles noch ertragen? Hoffnungslos vergrabe ich mein Gesicht bis zur Nasenspitze in den vertrauten Laken und schließe die Augen. Ich hoffe so sehr, das alle ihre gerechte Strafe bekommen. Wenn ich könnte, würde ich meinen Vater in den Knast bringen, doch es zieht einen ewigen Rattenschwanz hinter sich her. Wie schaffe ich es all die bösen Taten ans Licht zu bringen? Der Name meiner Familie ist schon seit Jahrhunderten mit illegalen Machenschaften verbunden. Die Männer um mich morden, rauben und dealen. Wie kann ich dem nur ein Ende bereiten?

~

Als ich das nächste mal aufwache Donnern Fäuste auf meine Zimmertür ein und ich schrecke aus dem Schlaf hoch. Wer zum Teufel ist das?
»Mach sofort die Tür auf Ludmila!«, wütet mein Vater von der anderen Seite. Panik kriecht durch meinen Körper, mein Herz macht einen verräterischen Satz. Gott, was hat er nun wieder vor? Seine Stimme war so eisig das mir bereits das Blut in den Adern gefriert.
»LUDMILA!«
Ich springe aus meinem Bett und eile auf die Tür zu, bevor er sie mir noch eintritt. Kaum habe ich den Schlüssel im Schloss gedreht wirft er sie auf und sie prallt krachend gegen die Wand. Zurücktretend Taste ich nach etwas an dem ich halt finden kann. Die zornigen Augen meines Vaters legen sich auf mich. Er trägt einen schwarzen Anzug, goldene Ringe und eine passende Halskette, die ihn wie ein Zuhälter aussehen lassen. Ich bin mir sicher das er es auch ist. Ich wusste nie viel über die Machenschaften meiner Familie, aber eines ist sicher; da läuft ein mieses Spiel ab. Irgendwann werde ich in Erfahrung bringen was er tut, und dann gehe ich damit zu Polizei. Fraglich ist nur ob die mir helfen. Ich weiß das es eine Menge Polizisten in der Stadt gibt die für ihn arbeiten. Er muss ihnen viel Geld bezahlen damit sie sich auf seine illegalen Spielchen einlassen.

»Ja?«, frage ich atemlos und baue Augenkontakt auf. Es ist so verdammt schwer ihm standzuhalten, denn seine Augen sind wie der einer Schlange. Er schnalzt mit der Zunge und mustert mich Zähne zeigend. »Zieh dir etwas an das weniger Obdachlose schreit, und dann kommt nach unten, wir essen heute Abend gemeinsam«, kündigt er bissig an und rümpft seine Nase im gehen. Fassungslos schaue ich an mir hinab. Obdachlose? Wut und Ärger staut sich in mir auf. Ich hasse ihn so sehr...
Aber das Essen mit ihm macht mir viel zu sehr Angst, als noch länger über all das nachdenken zu können. Ich verriegle die Tür erneut, dabei entgegen mir nicht die zwei Männer die meine Tür im Flur stehend flankieren. Mein Vater will nicht das ich das Zimmer verlasse. Also bin ich eine Gefangene, obwohl er mich bereits in diesem Haus festhält. Ein kleinerer Käfig für meinen bestehenden Käfig. Er ist krank und widerwärtig. Ich weiß nicht über was er mit mir sprechen will, kann nur beten das er nicht herausgefunden hat mit wem ich die letzte Woche verbracht habe, denn dann wird er auch Fergus versuchen wehzutun. Das werde ich nie zulassen. Eher ramme ich ihm sein Butterflymesser direkt in den Augapfel.

Serpent King | 18+Where stories live. Discover now