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Da sich Papa in die Welt des Drogen und Alkoholkonsums geschmissen hatte, musste ich uns beide über Wasser halten und schon mit 14 Jahren anfangen illegal zu arbeiten und die Schule abbrechen. Diese Erkenntnis damals, dass ich meinen Vater und mich nun versorgen musste, obwohl ich noch so jung war, konnte ich nur schwer akzeptieren. Es ist schlimm, wenn man schon als Kind, erwachsen sein musste.

Leider hatte ich deswegen nicht so eine schöne Kindheit aber ich werde dafür kämpfen, dass meine Zukunft besser sein wird. Das ganze Geld, welches immer am Ende des Monats übrig blieb, wurde gespart, um von zu Hause abhauen zu können. Es war nicht viel, was ich sparen konnte. Doch es war immer noch besser, als nichts.

Nachdem ich den Kasten Bier gekauft und ihn mit Mühe und Not zu Fuß nach Hause geschleppt hatte, machte ich mich auf den Weg in die Arbeit.

Ich starrte auf meine Armbanduhr. Der große Zeiger verriet mir, dass ich nur noch wenige Minuten hatte, bis meine Schicht bei Ramóns Restaurant anfing. Da es bis dahin noch mindestens 15 Minuten dauerte, musste ich also anfangen zu rennen. Naja, rennen konnte man das jetzt nicht nennen, eher joggen.

Drei Minuten vor Arbeitsbeginn erreichte ich endlich den Hintereingang des großen grauen Lokals. Kurz bevor ich die Klinke der schweren Eisentür hinunter drückte, atmete ich noch einmal tief durch. Es fühlte sich an, als hätte meine Lunge Feuer gefangen. Ich hasste es, mich beeilen zu müssen.

Ich trat hinein und eilte gleich zu meinen Spind, um meine schwarze Bluse und Schürze anzuziehen. Aus meinem Pferdeschwanz wurde ein hoher strenger Dutt.

Ramón, mein Chef, bestand darauf, dass wir Frauen im Restaurant die gleichen Klamotten trugen und unsere Haare stets aus dem Gesicht banden. Männliche Kellner gab es bei uns nicht. Ausschließlich die Küchenarbeiter waren vom anderen Geschlecht. Er fand, dass Frauen als Bedienung einen besseren Eindruck machten und somit auch mehr Trinkgeld bekamen, wovon wir ihm auch die Hälfte abgeben mussten. Ob er das überhaupt durfte bezweifelte ich. Aber man kannte es doch: Die reichen wollten immer reicher werden und wenn er mit seinem Gewissen vereinbaren konnte, dass er unser Geld nahm, war es mir auch egal. Ich war froh um alles was ich bekam. Auch wenn es nur die Hälfte war.

Aus der Umkleide, in der ich mich befand, konnte ich schon hören, dass das Restaurant wie immer gut besucht war. Bevor ich noch Anschiss bekam, machte ich mich auf dem Weg nach vorne zu meinem Abteil, um welchen ich mich kümmerte.

Nachdem ich alle Kollegen flüchtig begrüßte, fing ich an unsere Kunden zu bedienen. Die meisten von ihnen waren freundlich, doch hin und wieder erwischte man Kunden, denen man am liebsten den Kragen umdrehen möchte.

Das Lokal erstreckte sich zu einem großen Saal. Dieser wurde mit riesigen Kronleuchtern belichtet. Das Restaurant war wirklich edel und modern eingerichtet. Hauptsächlich die Möbel waren in einem dunklem Holzton, welche zu dem Kotrast der hellen LED-Leisten an den Wänden super zur Geltung kamen. Im Allgemeinen war das Restaurant wirklich sehr schön eingerichtet.

...

„Ramón, Du wolltest mir doch noch sagen, wann ich morgen erscheinen soll?"

Mit dreckigen Tellern in meinen Händen, machte ich mich auf den Weg in die Küche, um diese auf dem Tresen abzustellen. Durch den Stress, den wir hier jeden Tag hatten, war ich ganz schön ausgelaugt.

In der Küche roch es nur so nach gutem Essen. Das erinnerte mich gleich daran, dass ich noch nichts gegessen hatte. Ich sollte Miguel, den Koch der auf der anderen Seite der Küche stand fragen, ob er für mich noch Rest Essen übrig hatte.

„Du hast morgen frei! Die restliche Woche bist du für die Mittelschicht eingetragen", antwortete mir mein Chef, während er seine Hände im Waschbecken wusch.

Mit seiner kleinen, rundlichen Statur wirkte der 51-jährige gar nicht wie ein Chef. Das einzige woran man es erkennen konnte, war der graue maßgeschneiderte Anzug den er trug. Damit hob er sich von seinem Personal ab und präsentierte seine Position. Er achtete stets darauf einen guten Smoking zu tragen und ein gepflegtes Erscheinungsbild abzugeben. Dies war ihm aber auch bei uns, seinen Arbeitern wichtig. Schließlich war das Lokal eines der Beliebtesten in der Stadt.

Mit einem zufriedenen „Okay" ging ich zur Umkleide und wechselte meine Kleidung. Endlich war die Schicht zu Ende. Nachdem ich Ramón die Hälfte des Trinkgeldes gab und mich bei ihm verabschiedete, begab ich mich nochmals zu Miguel in die Küche.
Als ob er meine Gedanken gelesen hatte, stellte er mir schon einen Teller mit Essen bereit.

Ein breites Grinsen bildete sich auf meinem Gesicht. Im selben Augenblick knurrte auch mein Magen, der unbedingt gefüllt werden wollte. Sofort ging ich zum Tresen und schob mir eine Gabel beladen mit gebratenem Gemüse in den Mund. Kurz schloss ich meine Augen. Das Essen schmeckte so lecker. Zu Hause gab es bei mir nur Nudeln mit einer langweiligen Soße. Ich wollte nicht unnötig Geld ausgeben.
Aus diesem Grund liebte ich die Spätschicht. Wenn Reste von dem guten Essen übrig blieben und ich etwas davon haben konnte.

„Du.. bischt der beschte", sprach ich nach meiner dritten Gabel kauend.

„Ja. Ja. Iss erst einmal, dann kannst du mir gerne noch einmal sagen, dass ich der beste bin", lachte er mich aus und funkelte mich belustigt an.

Also aß ich in Ruhe mein Essen weiter und beobachte ihn, wie er währenddessen die Küche sauber machte.

Miguel war der Lustigste von uns allen. Mit ihm verstand ich mich am besten. Mit seinen lockigen blond-braunen Haaren und seiner positiven Ausstrahlung könnte man manchmal vergessen, dass er schon 45 Jahre alt war. Ich hätte ihn eher auf höchstens 31 geschätzt.

Damit er endlich Feierabend machen konnte, stopfe ich mir noch den Rest des leckeren Essens in den Mund und ging Richtung Spülmaschine. Nachdem endlich alles sauber war, machte Miguel noch einen letzten Check Up bevor er das Licht in der großen Küche ausschaltete. Wir waren die letzten im Restaurant, weswegen wir auch alles zusperren mussten. Wir redeten nicht viel aber trotzdem genoss ich die Zeit mit ihm. Alles war besser als mein zu Hause.

Brennende SeelenWhere stories live. Discover now