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Schon mindestens eine halbe Stunde stand ich da und starrte an die Haustür, aus der Hadrian vorhin gegangen war. Mein Kopf drohte, vor den ganzen neuen Infos, die ich bekam, zu platzen. Andauernd hallten Hadrias Worte in meinem Kopf. Sie waren laut. So laut, dass ich den laufenden Fernseher im Hintergrund nicht bemerkte.
Es war, als ob mein Gehör sich ausgeschaltet hatte. Als ob die Stimmen in meinem Kopf sich gegenseitig anschrien und versuchten den jeweils anderen zu übertrumpfen.

Fest drückte ich meine Hände an die Ohren und kniff die Augen mit voller Kraft zu. Sie sollen verschwinden. Endlich aus meinem Kopf gehen. Am liebsten würde ich die vergangene Stunde rückgängig machen. All die gesagten Worte zwischen uns vergessen und einfach glücklich mit Hadrian auf der Couch sitzen und gemütlich Fernsehen. Doch das kann ich leider nicht. Das gesagte war gesagt und ist nun fest in meinem Kopf.

All die unterschiedlichen Gefühle, die sich versuchten einen Weg an meine Seele zu machen, versuchte ich zu ignorieren. Ich will es nicht. Ich will diese Gefühle nicht zulassen. Der Schmerz, die Trauer und der Hass. Ich wusste wie stark und gemein diese Gefühle waren und wollte sie einfach nicht an mich ran lassen. Doch letztendlich konnte ich nicht mehr dagegen ankämpfen. Ich konnte die Gefühle nicht mehr ignorieren. Sie fielen alle auf mich ab, wie ein prasselnder Regen. Und plötzlich waren sie da. Die Gefühle. Ich spürte sie. Sie waren so schmerzhaft, dass ich den Halt auf meinen Beinen verloren und zusammensackte. Sie konnten mich nicht mehr halten. Zu schwer war die Last die nun auf mir lag.
Sie drückte mich mit aller Kraft auf den Boden und ich konnte nichts dagegen machen.

Nun saß ich da. Starrte in die leere und hörte all meine Gedanken wild umher schreien.
Meine Mutter war nicht abgehauen. Sie wollte mich nicht verlassen. Vielleicht hatte sie mich ja doch geliebt. All die Jahre habe ich gedacht, dass ich zu viel für sie war. Dass ich ein schlechtes Kind gewesen bin und man mich einfach nicht lieben konnte. Dass sie mich aus diesem Grund verlassen hatte. Doch sie war nicht gegangen. Sie wurde getötet. Getötet von meinem Vater, der anscheinend gar nicht mein Vater ist.
Ich schüttelte wild mit meinem Kopf.
Ich konnte alles nicht glauben. Konnte und wollte nichts glauben. Ich will die Informationen nicht an mich ran lassen. Ich will sie aus meinem Kopf bekommen und sie weit weg schmeißen. So weit, dass ich es niemals wieder erfahren würde.

Tränen schlichen sich den Weg meiner Wange hinab.
Jahrelang hatte mein "Vater" mir vorgeworfen, dass ich schuld daran war, dass Mama uns verlassen hatte. Dass sie wegen mir gegangen war. Nur wegen mir. Doch eigentlich war alles anders.
Er hatte meine Mutter getötet, weil er herausgefunden hatte, dass ich nicht seine Tochter bin. Dass meine Mutter wohl eine Affäre mit meinem leiblichen Vater hatte. Er hatte sie einfach umgebracht und so getan als ob sie uns verlassen hatte.
Wie konnte er nur? Wie konnte er so leben? Mir mein Leben komplett kaputt machen? All die Jahre hatte ich immer die Drecksarbeit für ihn gemacht und hatte mich nie getraut ihn tatsächlich zu verlassen. Ich hatte immer ein schlechtes Gewissen, wenn ich daran dachte, dass er mal alleine sein wird. So gut war ich. Ich war viel zu nett. Einfach viel zu nett zu ihm.

Die ganze Zeit lebte ich mit dem Mörder meiner Mutter unter dem selben Dach. Nie hätte ich mir vorstellen können, dass er jemanden umbringen könnte. Er hatte mich zwar oft geschlagen, doch dass er im Stande dazu wäre ein anderes Leben einfach so zu beenden, daran hatte ich nie gedacht. Es schockierte mich. Ich konnte und wollte es nicht glauben.
Immer wieder schüttelte ich meinen Kopf. Es war zu viel. Zu viele Informationen auf einmal. Ich wusste nicht an was ich zuerst denken sollte.
An meinen tote Mutter.
An meinen "Vater", der meine Mutter umgebracht hat.
An meinen "Vater", der nicht mein Vater war.
An meinen leiblichen Vater, den ich nicht kannte und der für den Tod von Hadrian's Schwester verantwortlich war...

All die Neuigkeiten überschlugen sich in mir. Sie wirrten in meinen Gedanken umher und machten mich kaputt. So kaputt, dass mir plötzlich schlecht wurde.
Augenblicklich stand ich auf und versuchte schnell zum Bad zu rennen. Allerdings war das leichter gesagt als getan. Meine Beine waren wie ein Wackelpudding.
Ich versuchte mich an der wand festzuhalten um nicht umzufallen.
Schnell aber trotzdem vorsichtig rannte ich zum Bad und ließ mich dann vor der Kloschüssel fallen. Schnell riss ich den Deckel nach oben und schon musste ich mich auch übergeben.

Es verging einige Zeit bis ich mich wieder erholt hatte. Ich drückte die Klospülung, zog mich am Waschbecken, das direkt daneben stand, nach oben und stand nun vorm Spiegel.
Ich sah gar nicht gut aus. Rote Augen, blasse Haut und verschmiert es Make up.

Ich stellte den Wasserhahn ein und spülte mir zuerst meinen Mund aus. Eigentlich hatte ich keinen empfindlichen Magen, doch das alles war wohl zu viel.
Nachdem ich meinen Mund ausgespült hatte, entfernte ich auch das Make-up aus meinem Gesicht.
Nun war ich noch blasser als zuvor. Ich konnte mich nicht mehr länger im Spiegel betrachten. Zu schwach war ich auf den Beinen. Ich drehte mich um und und setzte mich einfach auf den Boden. Ich konnte nicht wo anders hinlaufen und wollte es auch nicht. Ich wollte mich nicht bewegen. Einfach nur auf dem Boden sitzen und nichts machen.
Ich war kaputt. Kaputt von dem Tag. Kaputt von den ganzen Informationen. Kaputt von einfach allem.

Ich schloss meine Augen und lehnte mich an den Waschbecken-Schrank hinter mir.
Ich will nicht mehr denken. Ich will diese Last auf mir nicht mehr spüren. Ich will einfach nur schlafen. In einer anderen Welt sein. In einer guten Welt, in der einfach alles gut ist. Keine Sorgen, keine Trauer, kein Mord.
Doch leider kam ich nicht zu dieser Welt. 

Zwanghaft versuchte ich in die Welt der Träume zu gelangen, doch leider waren es keine schönen Träume. Immer wieder schreckte ich hoch, als ich davon träumte, dass mein Vater meine Mutter umbrachte. Jedes Mal sah ich das selbe vor Augen. Und jedes Mal fühlte es sich so echt an. Es vergingen Stunden, in denen ich an dem Schrank lehnte und immer wieder versuchte einzuschlafen. Immer wieder wachte ich erneut durch einen Alptraum auf. Ich konnte einfach nicht schlafen. Meine Körper ließ es einfach nicht zu. Er wollte, dass ich die ganze Zeit an das alles dachte. Er wollte mich nicht in Ruhe lassen.

Irgendwann machte sich die Wut in mir breit. Ich war sauer. Sauer auf alles und jeden. Und besonders war ich sauer auf meinen "Vater", der mein Leben jahrelang kaputt gemacht hatte. Eilig stellte ich mich auf die Beine und ging zum Flur, um meine Schuhe anzuziehen.
Ich werde ihm meine Meinung sagen. Ich werde zu ihm gehen, und ihn fragen, wer er dachte, dass er ist. Ich will sein Gesicht sehen, wenn ich ihn auf den Mord an meiner Mutter ansprach.
So oft hatte er mir gesagt, wie glücklich sie beide waren und dass ich alles kaputt gemacht hatte. Dabei war er es, der alles zerstörte.

Mit voller Wut in mir, riss ich die Haustür auf und begab mich auf den Weg zu meinem alten zu Hause. Zu meinem "Vater".

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Heii Ihr Lieben.
Leider kann ich heute nur das Kapitel hochladen. Zu mehr bin ich leider nicht gekommen. Ich habe zur Zeit mit starker Migräne zu kämpfen und kann teilweise einfach nur im Dunkeln in meinem Bett liegen.
Immer, wenn ich Zeit habe und es mir gut geht, werde ich weiterschreiben.

Ich hoffe es hat euch gefallen?!

Ich wünsche euch eine gute Nacht und einen guten Start in eine neue Woche!❤️❤️

Brennende SeelenWhere stories live. Discover now