Kapitel 12

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"Ich habe Ihnen bereits gesagt, dass ich nicht mit Ihnen über Jake sprechen werde, Alan", erwiderte ich trocken.
"Haben Sie seit den Vorfällen in der Mine Kontakt zu ihm gehabt?", fragte er gerade heraus. Er hatte meinen wunden Punkt getroffen und das wussten wir beide. Ich sah ihn einfach nur an, stets darauf bedacht ihn nicht zu nah an mich heranzulassen. Als ich nicht reagierte, fuhr Alan schließlich fort.
"Ich habe Ihnen gesagt, dass das FBI an der Eisenbruchmine aufgetaucht ist und dass ihr Interesse nicht Miss Donfort galt. Das war die Wahrheit und sie können sich sicherlich denken, wer ihr eigentliches Ziel war"
Der Druck in meinem Brustkorb steigerte sich ins Unermessliche. War nun der Zeitpunkt gekommen, an dem er mir mitteilte, dass sie Jake festgenommen hatten, dass das der Grund war, weshalb ich seit zwei Tagen nichts von ihm gehört hatte?
"Hören Sie, Alan. Wenn es etwas gibt, was Sie mir sagen wollen, dann tun Sie es bitte gleich. Ich bin es leid, nicht zu wissen was los ist", sagte ich schließlich. Damit hatte ich meine Deckung fallen gelassen und ihn wissen lassen, dass ich keine Ahnung hatte, was mit Jake war. Doch ich hatte ohnehin keine Wahl, anders würde ich wohl kaum erfahren, was wirklich los war.
"Nachdem das FBI aufgetaucht ist, war ich mir sehr sicher, dass sich außer Miss Donfort und Mr. Roger noch mindestens eine weitere Person in der Mine befand. Zu diesem Zeitpunkt war mir außerdem klar, dass nicht Sie diese Person waren, da wir kurz vorher noch miteinander telefoniert hatten. Allerdings war es aufgrund des Feuers, sowohl für uns als auch für die Kollegen vom FBI unmöglich, die Mine zu betreten. Nachdem Sie und Mr. Roger die Mine verlassen hatten, haben die Einsatzkräfte der Feuerwehr mehrere Stunden gebraucht, um das Feuer unter Kontrolle zu bringen und anschließend zu löschen". Während er sprach achtete ich auf jedes seiner Worte, denn mir war klar, dass er versuchte mir etwas Wichtiges mitzuteilen.
"Was ich damit sagen möchte.. Nachdem das Feuer gelöscht wurde, wurde die Mine mehrfach durchsucht. Allerdings gab es keinerlei Hinweise darauf, dass sich eine weitere Person dort unten befand oder befunden hatte. Hätte dieser Jemand es also nicht rechtzeitig geschafft, die Mine zu verlassen, hätten wir dort unten Hinweise darauf gefunden, verstehen Sie?". Alans Blick fesselte mich, während ich seine Worte allmählich begriff. Wie ein Blitzschlag traf mich die Erkenntnis. Endlich verstand ich, was er versuchte mir zu sagen. Das FBI hatte niemanden festgenommen. Außerdem gab es keinerlei Hinweise darauf, dass jemand in diesem Feuer verunglückt war. Einen kurzen Augenblick verspürte ich Erleichterung. Jake lebte, er war in Sicherheit und es war seinen Verfolgern nicht gelungen, ihn zu schnappen. Erleichtert atmete ich tief ein, doch im selben Augenblick wurde mir klar, was das zu bedeuten hatte. Der Schmerz in meiner Brust nahm unerträgliche Ausmaße an, meine Finger begannen zu zittern und mir wurde gleichzeitig heiß und kalt. Jake war fort, das war mir nun klar. Von meinen drei schlimmsten Befürchtungen hatte sich eine nun bewahrheitet. Am liebsten hätte ich hier und jetzt angefangen zu weinen und zu schreien, doch ich war wie gelähmt. Wie konnte Jake mir das nur antun? Wieso hatte er mir seine Liebe gestanden, wenn es doch zu seinem Plan gehörte, mich anschließend für immer zu verlassen? Mir war klar, dass ich die Antwort auf diese Frage vermutlich nie bekommen würde.
Viel zu spät bemerkte ich, dass ich Alan seit mehreren Minuten verständnislos anstarrte, ohne auch nur ein Wort zu sagen. Sein besorgter Blick lag auf mir, vermutlich fragte er sich, ob ich jeden Moment zusammenbrechen würde.
"Danke für die Info", brachte ich schließlich heraus. Was sollte ich auch sonst dazu sagen? Alan hatte mir gerade jegliche Hoffnung geraubt, doch es war nicht seine Schuld, das war mir bewusst. Ich wollte nur noch so schnell es ging verschwinden, doch ich war scheinbar noch geistesgegenwärtig genug, um Alan noch eine letzte Frage zu Stellen.
"Was ist mit Richy? Was wird aus ihm?", fragte ich schließlich.
Alan musterte mich, als wäre er sich nicht sicher, ob er den Themenwechsel einfach so hinnehmen wollte, entschied sich aber scheinbar dafür.
"Mr. Roger wird zur Zeit noch medizinisch versorgt. Da er seine Taten bereits gestanden hat, wird er sich anschließend in Untersuchungshaft begeben, bis eine Gerichtsverhandlung über seinen Fall entscheidet. Sie sollten sich darauf einstellen, dass Sie möglicherweise als Zeugin geladen werden", beantwortete er meine Frage.
"Ich möchte ihn besuchen". Es war keine Frage, mehr eine Notwendigkeit. Ich hatte Richy versprochen für Ihn da zu sein, und bisher hatte ich keine meiner Versprechungen gebrochen. Damit würde ich auch jetzt nicht anfangen.
Alan nickte, was mich ein wenig überraschte. Ich hatte damit gerechnet, dass meine Forderung auf Ablehnung stoßen würde. "Es wird noch eine gewisse Zeit dauern, bis das möglich ist, wenn Sie möchten, kann ich Ihnen Bescheid sagen, wann es soweit ist", bot er mir an.
"Danke", murmelte ich. Damit war für mich zunächst alles gesagt. Ich schob den Stuhl ein Stück zurück und stand auf. Alan schien mich nicht aufhalten zu wollen, denn er erhob sich ebenfalls und begleitete mich zur Tür, welche er mir aufhielt. Er hielt mir die Hand hin und sah mich eindringlich an. Ich konnte das Mitleid in seinen Augen sehen, doch da war noch etwas weiteres in seinem Blick, was ich nicht deuten konnte. Als würde er mir noch etwas sagen wollen, doch er konnte es nicht. Eines konnte ich jedoch mit Sicherheit sagen. Alan hatte mir all das aus einem bestimmten Grund erzählt. Er wollte, dass ich Bescheid wusste und ihm war klar, was das in mir auslöste.
Ich ergriff seine ausgestreckte Hand und schüttelte sie zum Abschied. "Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben, Y/N. Kann ich Sie bei weiteren Fragen kontaktieren?"
Ich nickte lediglich zögernd und ließ seine Hand los. Es sollte mir recht sein, doch jetzt wollte ich einfach nur weg, denn ich musste mir über einiges klar werden. "Auf Wiedersehen, Alan". Mit diesen Worten ließ ich ihn stehen und verließ die Polizeiwache.

Ich fuhr auf direktem Wege zurück ins Motel. Dort zog ich die Vorhänge zu und wechselte in bequemere Kleidung, bevor ich mich ins Bett verzog. Das Vibrieren meines Handys verriet mir, dass eine Nachricht eingegangen war. Es war Lilly, was mich nicht besonders überraschte. Natürlich hatten Thomas und Cleo ihr erzählt, was gestern geschehen war. Ihre Nachricht ließ nicht viel durchblicken, sie schrieb nur, dass sie sich mit mir treffen wollte, um über etwas zu sprechen. Ich dachte gar nicht daran, ihr zu antworten. Lilly war mir wichtig, keine Frage, doch ich wusste bereits, was sie mir sagen wollte. Vermutlich vertrat sie dieselbe Meinung, wie Cleo und Thomas. Doch ich war wirklich nicht dazu in der Lage, mich Lillys Wut zu stellen und mit ihr zu streiten. Ich öffnete ihre Nachricht also, ohne ihr zu antworten. Stattdessen öffnete ich, wie so oft in letzter Zeit, Jakes Chat.

JAKE
offline

Das wars also? Du verschwindest für immer aus meinem Leben, ohne dich zu verabschieden? Wenn du beschlossen hast, mich zu verlassen, wenn du dich gegen mich entschieden hast, dann bitte, sag es mir und du wirst nie wieder von mir hören. Aber bis dahin werde ich mein Versprechen halten. Ich habe dir gesagt, ich würde hier in Duskwood sein und auf dich warten, wenn alles vorbei ist. Und das tue ich. Ich werde nirgendwo hingehen.

Ich weinte und ich versuchte gar nicht dagegen anzukämpfen, denn es würde nichts ändern. Wie gerne wäre ich stark genug gewesen, um mir meinen Stolz zu bewahren und Jake ziehen zu lassen, wenn er doch offensichtlich nicht bleiben wollte. Doch ein Teil von mir konnte einfach nicht akzeptieren, dass das unser Ende sein sollte. Also tippte ich eine weitere Nachricht an Ihn.

Bitte, tu mir das nicht an, Jake. Ich brauche dich..

Ich drückte auf Senden und legte das Handy beiseite. Ich weinte, bis keine einzige Träne mehr übrig war und schließlich verließ mich auch der Schmerz, den ich empfunden hatte, seit ich in Duskwood angekommen war. Er war alles, was mir geblieben war und nun war auch er fort. An seine Stelle trat eine alles erdrückende Leere.

Duskwood - The things we lost in the fire Where stories live. Discover now