III

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Der Letzte fiel zu Boden. Unruhig um sich blickend wischte Rahel den juwelenbesetzten Dolch an ihrem Rock ab. Keiner hatte sie gesehen. Die Wachen waren ausgeschaltet. Der Weg war frei.

Sich weiterhin vorsichtig nach allen Seiten umsehend steckte sie vorsichtig den Schlüssel in das Schloss des prunkvollen Eingangs zum Zimmer ihres Vaters. Ihre Hände zitterten vor Aufregung.

„Ezra von Andalyn", dachte sie, „Jetzt geht es euch an den Kragen."

Es war bereits nach Mitternacht, als Rahel schließlich die Tür des Schlafzimmers aufstieß. Sie erwartete, dass ihr Vater bereits schlief. So würde es ein leichtes Spiel für sie werden. Mit gezücktem Dolch trat sie ein. Sie sah dem Mord mit fast schon kindlicher Vorfreude entgegen.

Zu ihrer Überraschung wartete dort bereits jemand auf sie. Im Schein einer zuckenden Kerzenflamme erkannte sie ihren Vater, einen Mann mittleren Alters, dessen haselnussbraunes Haar bereits graue Strähnen aufwies. Er saß mit verschränkten Armen hinter seinem robusten Schreibtisch.

„Rahel", stellte er fest, „Ich habe dich erwartet. Setz dich doch." Er wies mit einer einladenden Geste auf den Stuhl ihm gegenüber. Rahel bedachte ihn mit einem verhassten Blick. „Ich stehe lieber." „Wenn du meinst. Meine Tochter, wie geht es dir?"

„Mein Befinden hat euch noch nie interessiert. Woher wusstet ihr, dass ich kommen würde?" „Ein Vöglein hat es mir wohl zugezwitschert." Rahel lachte verzweifelt auf. „Ein Vöglein? Es war Elija, nicht?" „Leider neige ich dazu meine Quellen zu schützen."

„Eure Quelle schützt ihr, aber meine Mutter, eure Ehefrau? Ihr habt sie ermordet!" Rahel begann sich nach und nach in Rage zu reden, ihr Vater hingegen blieb vollkommen ruhig. „Deshalb bist du also hier? Um Rache zu nehmen?" Seine berechnenden Augen durchbohrten sie.

Die Brünette wich seinem Blick aus. Angespannt versuchte sie sich zu rechtfertigen: „Ihr habt es verdient. Ihr habt sie mir genommen. Ihr seid ein Mörder!" Rahels Worte ließen Ezra vollkommen kalt. „Auge um Auge, Zahn um Zahn also? Nur weil ich ein Mörder bin, musst du auch zu einem werden? Glaub mir, ich hatte gute Gründe für meine Tat."

Jetzt platzte Rahel endgültig der Kragen. Ihre Mutter war immer ein guter Mensch gewesen. „Gute Gründe? Mutter hätte keiner Fliege etwas zu Leibe getan." Ihr Griff um den Dolch festigte sich und mit wenigen Schritten hatte sie den Tisch, der, wie eine schützende Wand, zwischen ihnen gestanden hatte, umrundet.

„Rahel, beruhige dich!", versuchte Ezra sie zu besänftigen. Nun spiegelte sich tatsächlich Angst in seinen Augen. Angst, in den Augen ihres kalten, herzlosen Vaters! Eine regelrechte Rarität.

Sie stach zu. Erneut. Erneut. Bis er sich nicht mehr regte.

Erst als sie den Leichnam und das Blut an ihren Händen erblickte, begriff sie, was sie getan hatte. Sie bereute es nicht. Noch nicht.

Mein Beitrag zum Ideenzauber 2022Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt