Unfall

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„Guten Morgen, Phyllis", begrüßt mich mein Chef

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„Guten Morgen, Phyllis", begrüßt mich mein Chef. „Nehmen Sie sich dann als nächstes meinen Wagen vor?"

Ich tauche aus dem Motorraum auf. „Hm?"

Er lacht. „Da Sie gerade Ihren Wagen reparieren ... Irgendwie wundert es mich nicht, dass Sie das auch können. Was können Sie denn nicht?"

„Männlichen Kollegen beibringen, dass ich das selbst kann", erwidere ich trocken. „Ich tausche nur die Batterie aus, bin gestern stehengeblieben. Aber es haben sich schon drei Leute angeboten, mir zu helfen." Ich löse die Haltestange der Motorhaube, klipse sie ein und knalle die Haube zu. „Das sollte es gewesen sein."

Jetzt erst bemerkt mein Chef meine verbundenen Hände und das Pflaster an der linken Schläfe. „Oh je, sind Sie etwa mit Vincent gefahren?", erkundigt er sich, während wir ins Büro gehen.

„Nein, warum?"

„Er hat vorhin angerufen. Er hatte einen Unfall und kommt heute nicht."

Unsere Sekretärin hat das gehört und mischt sich ein. „Vincent meinte vorhin, es sei ein Glück gewesen, dass er Phyllis nicht mitgenommen hätte. Ihm ist jemand in die Beifahrerseite gefahren. Hätte Phyllis da gesessen, wäre sie jetzt tot."

Mir wird schwarz vor Augen. Und vermutlich bin ich kreidebleich geworden, denn mein Chef ergreift meinen Arm und die Sekretärin bringt mir ein Glas Wasser. „Sie sehen auch nicht gut aus. Ihr Auge ist ja ganz blau. Was ist Ihnen denn passiert?"

Ich setze mich auf den Stuhl, den mir mein Chef hinschiebt und nehme dankbar das Wasser entgegen. Mein Herzschlag rast und beruhigt sich nicht so schnell. Ich habe Mühe, etwas zu erkennen, ein dunkler Schleier hat sich über meine Augen gelegt. Zwei- oder dreimal im Leben bin ich in Ohnmacht gefallen; ich kenne die Anzeichen. Ich trinke das Wasser in kleinen Schlucken und versuche, tief und ruhig zu atmen.

Meine Umgebung verschwimmt vor meinen Augen. Die Gesichter von Chef und Sekretärin sind nur noch vage, rosa Flecken. Nur der graue Schemen neben mir ist scharf umrissen.

„Kippen Sie mir nicht um", sagt mein Chef besorgt.

„Nein – nein, das tue ich nicht." Ich hoffe, dass ich das Versprechen halten kann. Der Schleier vor meinen Augen hebt sich langsam und das Gefühl, dass sich alles dreht, vergeht wieder.

„Es war sicher der Schreck", meint die Sekretärin.

„Ja, und die plötzliche Verlagerung", stimmt mein Chef zu. „Ich traf sie eben mit dem Kopf unter der Motorhaube an. Das plötzliche Aufrichten und dann diese Nachricht, das kann einen schon umwerfen." Er drückt mich nieder, als ich aufstehen will. „Bleiben Sie noch etwas sitzen. Immerhin sind Sie auch verletzt. Wie ist das eigentlich passiert?"

Ich berichte von meinem gestrigen Erlebnis. „So ein Benehmen geht gar nicht", empört sich mein Chef. „Ich bin nur froh, dass Sie da rausgekommen sind. Und Ihnen die Herren in der Unterführung beigestanden haben."

„Das ist leider immer noch in vielen Köpfen drin, dass Frauen Freiwild wären", schimpft die Sekretärin. „Und wenn so etwas geschieht, sagt man den Frauen oft, sie seien selbst schuld, wenn sie nachts alleine unterwegs sind."

Vincent hätte mir das sicher gesagt, wenn er nicht diesen Unfall gehabt hätte.

„Sie hatten zweifaches Glück", meint auch der Chef. „Wären Sie mit Vincent gefahren, wären Sie jetzt tot oder schwer verletzt. Und hätte dieser Mann Sie erwischt – ich wills mir nicht ausdenken." Er blickt mich besorgt an. „Geht es wieder einigermaßen?"

„Ja. Ich bin ok."

„Bleiben Sie noch etwas sitzen, bis unser Kunde kommt. Da Vincent ganz ausfällt, brauche ich Sie für die Präsentation. Aber danach fahren Sie nach Hause und erholen sich. Ich will Sie frühestens übermorgen wieder hier sehen!"

Wenn mein Chef ein derartiges Machtwort spricht, hat man zu gehorchen. Er verlangt einiges von uns, aber er achtet auch darauf, dass sich keiner überfordert oder krankarbeitet.

Drei Stunden und einen sehr überzeugten Kunden später sitze ich also im Auto. Mit der neuen Batterie springt es sofort an und ich lenke es vom Parkplatz.

Im Rückspiegel sehe ich die leere Rückbank. Und etwas, das nicht da ist und dennoch auf dieser Bank zu sitzen scheint. Er ist wie immer bei mir. Und er kommt mir immer weniger wie ein Hirngespinst vor. Allmählich glaube ich doch, dass er real ist. Eine andere Realität als die meine, er ist nach wie vor nicht greifbar, fast nicht zu sehen und nur selten zu hören. Aber seit dem Vorfall gestern bin ich mehr denn je überzeugt, dass er keine Einbildung ist, kein Teil von mir. Er ist eigenständig. Er hat Macht und er nutzt sie, unabhängig von meinen Wünschen und Gefühlen.

„War das Absicht?", frage ich plötzlich. „Hast du Vincent in diesen Unfall verwickelt, weil er mich mitnehmen wollte?"

Stille.

„Was willst du von mir? Warum passiert immer etwas Schlimmes, wenn ich dir nicht gehorche?"

Ich lausche, ob seine körperlose Stimme ertönt, dabei weiß ich es eigentlich besser. Er gibt keine Antwort. Schließlich spricht er niemals mit mir, wenn er keine Befehle für mich hat.

Und was er von mir will, wird er mir wohl niemals verraten.

Und was er von mir will, wird er mir wohl niemals verraten

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