Schlusslicht

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Ich bin ertränkt in guter Laune, eingeklemmt in Heiterkeit
Wie geht es dir? Fragt ein Bekannter, der wie ein Tiger um mich schleicht
Was hast du so das Jahr getrieben, was hast du dieses Jahr erreicht?

Rein gar nichts, will ich gerne sagen, doch wagen werde ich es nicht.
Er denkt sonst sicher ich bin unambitioniert, unmotiviert, desorientiert und desillusioniert. Denn so fühle zumindest ich mich.

Ein Jahr ist vergangen und nichts ist passiert.
Die anderen haben erfolgreich das Studium absolviert, doch ich?
Ich konnte nicht.

Wär ich erlich, würde ich nun sagen:
"Ich bin in Depression versunken, wäre fast in mir ertrunken und mein Ich liegt auch in Scherben.
Ich bin attestiert gestört, verhalt mich oft unerhört und bin doch eigentlich ungehört."

Doch das ist nicht ganz angemessen für ein Essen mit Bekannten.
Soll ich also schweigen lächeln, lügen, als wär  all das nicht?
Ich tacker mir stattdessen ein vergnügtes Grinsen ins Gesicht.

Ich laufe mit. Ich halte Schritt.

Doch weiß ich, lange geht das nicht.
Dann fängt die Lunge an zu brennen und ich bekomme keine Luft. Kann ich nicht länger weiterrennen, entsteht allmählich eine Kluft.

Die andern gehen. Und ich stehe.

Ich stehe, weil ich nicht mehr kann.
Schau ich mir meinen Rucksack an, so wird es klar, warum.
Ich schleppe statt den dreißig Kilo das Dreifache mit mir herum.
Ich kann nicht reden, nur noch atmen.
Und warten, bis es wieder geht.

Die andern sind schon lange weg.
Ich bin es Leid sie einzuholen.
Denn weiterrennen kann ich nicht.
Ich bin nicht mehr ein Überflieger.
Ich bin nur noch das

Schlusslicht.

SchmetterlingsgebeteWhere stories live. Discover now