Kapitel 19: Ihre Löwin und seine Eule

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Tiefe Augenringe zierten meine Augenpartie und ich war mir bis vor zwei Sekunden noch sicher, dass ich heute nicht eine Sekunde lang richtig wach werden würde. Körperlich anwesend, aber nicht „wach".

Wie gesagt, bis vor zwei Sekunden.

1. Peter
2. Archi
3. Will
4. Christina
5. Molly
6. Amy
7. Drew
8. Myra
9. Al
10. Tris
11.
12.
.
.
.

2. Platz: Archi...

Von Platz 20 auf Platz 2. Über Nacht. Das war es, was ich mir mit nur einem Schuss erkämpft hatte?

Nein ... ich irrte mich.

Ich kämpfte seit einem Monat dafür! Ich wurde dafür gedemütigt, verprügelt, ja fast umgebracht. Und jeder der hier stand, konnte das sehen. Stolz hob ich, der heutige Waschbär vom Dienst, den Kopf. Ich hörte das Getuschel und ich hörte das Gerede. Und es trieb mir ein triumphierendes Grinsen ins Gesicht.

„Wie hast sie das gemacht?"

„Mit wem musste sie schlafen?"

„Hat sie Eric doch rumgekriegt?"

„Das glaubst du doch nicht wirklich. Die beiden hassen sich."

„Ja, hast du nicht gesehen wie sie bei Capture the flag aussah? Er hat sie fast totgeprügelt."

„Und doch steht sie hier..."

„Ist sie vielleicht doch so gut, wie die Fraktionswechsler behaupten?"

„Das muss doch ein Fehler sein!"

„Niemals kann man über Nacht von Platz 20 auf Platz 2 kommen."

„Die ehemalige Ken kann es."

„Ja, habt ihr sie mal mit Messern gesehen? Da kann jeder einpacken!"

„Und ihre Strategien sind auch echt gut. Das sagen selbst die Vollwertigen."

„Sie gibt Eric Widerworte und steht danach einfach wieder auf. Sie muss eine echte Dauntless sein!"

Es war Musik in meinen Ohren. Sie zerrissen sich das Maul über mich und waren fest davon überzeugt, sie wüssten, wovon sie da sprachen. Und dabei wussten sie nichts. Sie hatten keine Ahnung, wie hart ich mir das alles erkämpft hatte. Dass hier gar nichts „einfach" gewesen war. Und sie hatten auch keine Ahnung, dass das erst der Anfang war.

Er ist nun nicht mehr mein Lieblingsinitiant...

Ich könnte schwören, ich hatte wieder leicht geknurrt.

»Alle mal herhören!«, ertönte Erics Stimme hinter uns. Er lief, zusammen mit der Ausbilderin der gebürtigen Dauntless, nach vorne zur Tafel, wandte sich uns zu und sah uns alle der Reihe nach an.

»Phase 1 ist nun vorbei. Herzlichen Glückwunsch an die, die bei uns bleiben. Diejenigen, die unterhalb der roten Linie sind, haben bis heute Abend Zeit ihr Hab und Gut zu packen und uns zu verlassen.« Seine Stimme war ohne jedes Mitgefühl. Oder eine andere Art von Emotion. Er war ganz der furchtlose und skrupellose Anführer unserer Fraktion. Und so meilenweit entfernt von dem Mann, von dem ich in letzter Zeit immer mehr Puzzleteile zu sehen bekam. »Ab morgen beginnt für euch Phase 2 der Initiation. Zerbrecht euch heute aber nicht den Kopf darüber, sondern feiert. Ihr seid der Kriegerfraktion ein ganzes Stück nähergekommen!« Eric grinste in die Runde. Es war kalt und es war falsch. Und dennoch jubelten und feierten alle. Selbst Christina, Tris, Will und Al stimmten in dem Gejohle mit ein. Sahen sie es denn nicht? Sahen sie nicht, dass es eine Farce war? Eine Maske? Wahrscheinlich nicht. Sie hatten ja auch noch nie ein ehrliches Lächeln seinerseits gesehen.

Are you afraid?Where stories live. Discover now