Kapitel 49: Die Geschichte im Himmelturm

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"Viel Erfolg, junger Champ!", sagte mir Wassili noch, bevor er wieder ging. Er hatte mich noch, bevor ich den Turm betreten durfte, geprüft und mit mir gekämpf. Was keine große Herausforderung war.

Mit leisen Schritten, betrat ich das Innere des Turmes. Hier sah es ziemlich marode aus und antik. Wie zu erwarten, war Amalia schon hier. "Da bist du ja. Schön! Danke, dass du gekommen bist.", begrüßte sie mich. " Äh... Bitte?", "Du bist gut, Anna... Wirklich beeindruckend. Und weißt du was? Du hast mich so überzeugt, dass ich dir etwas schenken möchte... Etwas, das ich lange aufgehoben habe." Sie machte eine kurze Pause und drehte sich zu einem großen Wandbild, hinter ihr. "Lass uns gemeinsam einen Blick auf das Wandbild werfen, das das Innere dieses Turmes ziert... Es erzählt die Geschichte der Menschen, der Pokémon und der Natur. Sie wurden von den Meteoranern seit Jahrtausenden von Generation zu Generation weitergereicht. Und nun will ich diese Geschichte an dich überliefern...

Vor vielen Tausend Jahren, zu Urzeiten also, durchflossen den Planeten schier grenzenlose Vorräte an Naturenergie. Proto-Groudon und Proto-Kyogre lieferten sich im Streit um diese Energie immer wieder erbitterte Kämpfe... Die Menschen waren angesichts der gewaltigen Kraft der beiden Pokémon in ihrer Proto-Form völlig machtlos. Es blieb ihnen nichts übrig, als abzuwarten und zu hoffen, dass die Schrecken bald ein Ende nehmen würden. Zur gleichen Zeit stürzten aus dem Dunkel des Alls, hoch über den Wolken, unzählige Meteore auf unseren Planeten herab. Sie schlugen in die Wasserfälle einer Gegend ein, in der ein Volk von Drachen-Pokémon-Trainern lebte..."

Ab da, brach sie kurz ab und rannte zu einer Leiter. Im Laufen rief sie: "Das war Kapitel 1 der Geschichte. Legen wir hier eine Pause ein. Kapitel 2 bekommst du im nächsten Stock zu hören. Freu dich schon mal drauf!" Ihre Worte hallten im Turm, was eine gewisse gruselige Stimmung hervorrief. Schnell kletterte ich ihr in den zweiten Stock hinterher.

"Oh, da bist du ja!", begrüßte sie mich mit einigem Abstand. Ich hatte keine Lust Spielchen zu spielen, aber ich hatte eine kleine Vorliebe für 'Urzeitliche' Geschichten, weshalb ich mehr erfahren wollte. Nur Predigten und Vorträge... Die mochte ich nicht...

"Du bist bestimmt schon auf Kapitel 2 gespannt, was?", "Es klingt zwar verrückt, aber ja.", "Also dann...

Die Meteoriten strahlten in allen Farben des Regenbogens, als seien sie zum Leben erwacht. Plötzlich fuhr ein in smaragdgrünes Licht gehülltes Pokémon vom Himmel herab. Es war, als würde es vom Licht der Meteoriten magisch angezogen werden. Dieses Pokémon war... Rayquaza. Rayquaza zwang die beiden Pokémon trotz ihrer Proto-Form in die Knie und gab so dem Planeten den Frieden zurück. Die Bewohner der Hoenn-Region feierten Rayquaza fortan als ihren Weltenretter. Dann, tausend Jahre später, fiel ein weiterer Meteorit aus dem All auf unseren Planeten herab. Er war deutlich größer als seine Vorgänger und bohrte beim Aufprall mit seiner unglaublichen Masse ein gewaltiges Loch in Meer und Morast. Dieser gigantische Krater sollte später einmal den Namen Xeneroville tragen..."

Damit beendete sie 'Kapitel 2' und lief weiter bis zur nächsten Leiter, die in die nächste Etage führte.

Im nächsten Stock musste ich wirklich vorsichtig sein, um nicht den tiefen Abgrund hinunter zu stürzen... "So langsam nähert sich die Geschichte ihrem Höhepunkt...", sprach Amalia. "Ich sehe, und wir auch...", nuschelte ich und wagte einen kurzen Blick nach unten. Ich komm hier nie wieder runter...

"Nach dem Einschlag des gigantischen Meteoriten suchte eine uralte Bedrohung die Menschen heim... Der Aufprall hatte Risse in den Boden Hoenns getrieben, aus denen die Naturenergie entströmte, die tief unter der Erde gespeichert war. Diese Energie erweckte Proto-Groudon und Proto-Kyogre wieder aus ihrem Schlaf und mit ihnen ihren alten Zwist. Die Menschen sehnten sich nach einem Retter und erinnerten sich an die Ereignisse von vor tausend Jahren, als das in smaragdgrünes Licht gehüllte Pokémon erschienen war. Doch dann geschah es: Der Meteorit der inmitten des heutigen Xeneroville eingeschlagen war, begann, in leuchtend hellen Farben zu erstrahlen...! Der Anblick glich einem gigantischen Schlüssel-Stein... Und ein weiteres Mal schoss Rayquaza vom Himmel herab! Rayquaza hatte das Flehen der Leute erhört. Diese waren ihm sehr dankbar und legten noch größere Hoffnungen in das Pokémon. Daraufhin vollzog Rayquaza eine Wandlung... Es verschwand in grellem Licht und trat daraus in einer Form hervor, die kein Mensch je zuvor gesehen hatte. Seine neue Form war noch erhabener, seine überbordende Lebenskraft noch überwältigender..." Und schon war Amalia in der nächsten Etage verschwunden.

"Müssen wir wirklich so weit nach oben...?", jammerte ich leise. Amalia, welche ich bei der nächsten Leiter fand, wartete bereits auf mich. "Gut. Erzähl, wie ging es weiter?", kam meine interessierte Frage. Sie lächelte kaum merklich.

"Rayquaza stellte sich erneut zwischen Proto-Groudon und Proto-Kyogre. Als sein gülden leuchtender Bart am Himmel glänzte, erhellte ein smaragdgrünes Licht die Umgebung, und es zog ein Stürmischer Wind auf. Das Licht und der Wind beraubten Proto-Groudon und Proto-Kyogre im Nu ihrer urzeitlichen Kräfte. Und so zogen die beiden Pokémon sich wieder zurück, das eine ins Erdreich, das andere ins Meer... Nachdem Rayquaza dies gesehen hatte, nahm es wieder seine ursprüngliche Gestalt an und stieg wieder zum Himmelszelt auf... Ein Mann von riesiger Gestalt aus einer fernen Region wurde Zeuge dieses Schauspiels. Er sprach folgende Worte:

'Delta, du kamst, geboren aus der Not des Planeten... Die Hoffnung und die Zuversicht der Menschen verbanden dich mit uns und riefen dich in diese Welt, deren Not du in Frieden verwandeltest...'.

So kam es, dass die Meteoraner einen gewaltigen Turm errichteten, um ihrem himmlischen Retter näher zu sein. Dies war ihre Art, Rayquaza und dem regenbogenfarbenen Gestein, der Quelle seiner Kraft, Tribut zu zollen. All ihre Nachfahren sollten die Geschichte rund um die Heldentaten Rayquazas, die sie mit ihm eigenen Augen gesehen hatten, erfahren. Aus diesem Grund ließen sie schließlich ein Wandbild anfertigen..."

Sarkastisch ergänzte sie noch: "Ein gewaltiger Turm und ein Wandbild... Ich werde das Gefühl nicht los, erst vor kurzem irgendwo genau so einen Turm gesehen zu haben!", "Jaaaa, da geht's mir ähnlich.", grinste ich. "Gut! Oben erwartet dich das letzte Kapitel...", kicherte nun Amalia und kletterte die Leiter hoch. "Oh, man..."

"Kommen wir nun zum Schlusskapitel!", rief Amalia hallend und breitete ihre Arme aus, senkte diese aber langsam wieder.

"Es folgten tausend Jahre des Friedens. Aufgrund des zyklischen Verlaufs der vergangenen Desaster ahnten die Meteoraner, dass irgendwann ein weiterer Meteorit auf den Planeten herabstürzen würde. Sie prophezeiten, dass dieser Meteorit doppelt so groß sein würde wie der vorherige und beim Aufprall den gesamten Planeten vernichten würde... Die Hüter der Geschichte grübelten lange, wie sich diese komische Kriese aufhalten ließe. Sie sahen nur eine einzige Lösung... Rayquaza, ihr Weltenretter, würde beschworen werden müssen, bevor der Meteorit einschlüge..."

Noch bevor ich etwas erwidern konnte, war Amalia schon die nächste Leiter empor geklettert.

Oben angekommen, fand ich mich unter dem Sternenhimmel wieder. Es war kühl und ruhig. Eine Treppe führte mich auf eine dreieckige Plattform auf der Amalia gedankenverloren in die Sterne blickte. Avelina dicht bei ihr.

"Willkommen beim Drachen-Beschwörungsaltar, Anna.", sagte sie und drehte sich zu mir. "Du hast bereits erraten, was ich vorhabe, nicht wahr?", kam es kichernd aus ihrem Mund. "Du willst Rayquaza heraufbeschwören." Sie nichte zufrieden und starrte wieder Gedankenverloren in den Himmel.

"Schon seit ich klein war, habe ich stets meinen Blick gen Himmel gerichtet. Wenn mein Herz unter der Last zu zerbrechen drohte... Wenn mein Herz vor Trauer zu zerreißen drohte... Immer blickte ich hinauf, um niemals eine Träne vergießen zu müssen. Ist es dir auch schon mal so ergangen, Anna?", fragte sie mit feiner Stimme.

Ich ließ meinen Blick von ihr ab und wand mich ebenfalls den Sternen zu. "Natürlich. In letzter Zeit sogar häufiger... Ich habe aber einfach nur etwas Heimweh, wenn du weißt, was ich meine.", erzählte ich. So schön es hier auch war, so gerne würde ich meine Eltern oder meine Brüder wiedersehen und umarmen. Meine Freunde und Verwandte. Zudem wusste ich nicht mal, ob mein Hamster Eddy noch lebte...

"So wie jetzt sah ich immer zu den Sternen hinauf... Auch mit Avelina... Ob glückliche oder traurige Zeiten, wir haben sie immer gemeinsam durchlebt. Ich habe sie geliebt... Ich habe sie von ganzem Herzen geliebt... Aber jetzt ist sie nicht mehr bei mir..." Ich runzelte die Stirn. Ich dachte Avelina wäre ihr Pokémon? Doch wenn es nicht so ist, wer war dann... und ist...?

"Ach, sie fehlt mir so... Ich vermisse sie so sehr... Meine kleine Avelina..." Amalias Augen wurden etwas glasig, weshalb sie sich von mir ab wannt. "Gib mir bitte einen Moment...", nuschelte sie. Mitfühlend nickte ich und ging rückwärts zu einer der kleinen Mauern, die diese Plattform eingrenzten. Langsam setzte ich mich und lehnte meinen Rücken gegen die kalte Mauer. Mein Blick fand wieder die Sterne, die fröhlich vor sich hin funkelten. Langsam aber, schlossen sich meine Augen und ich verfiel meiner Müdigkeit in einen traumlosen Schlaf...

Weltenwanderin - Kämpf um dein LebenWhere stories live. Discover now