22 | Über Bücher

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Mittlerweile war fast eine Woche vergangen. Es war schon wieder Sonntag, und ich saß eingepfercht neben Gabriel und Anja auf der Couch. Wir waren in unserer WG, und schauten uns gemeinsam mit Max einen Film an.

Die ganze letzte Woche hatte ich abends immer bei Gabriel verbracht. Wir hatten Filme geschaut, über Gott und die Welt gesprochen, und hatten seine beiden Katzen mit genügend Streicheleinheiten verwöhnt, sodass sie für ihr Lebtag genug hatten. Doch daran dachten die beiden nicht einmal, denn sie kamen immer wieder, wollten gestreichelt werden, und wenn sie es nicht wurden, wurden wir verärgert angemaunzt.

Wir küssten uns auch ständig. Einmal. Zweimal. Okay, vielleicht mehr als dreimal am Tag, und es war schön. Traumhaft schön. Nie hätte ich mir gedacht, dass es so leicht sein würde, jemanden zu lieben. Auch wenn ich es ihm nicht sagte, und er es mir auch nicht sagte, doch ich war nicht mehr einfach nur verliebt in ihn. Ich liebte ihn wirklich.

Meine drei Fragen hatte ich mir allerdings noch aufgehoben. Ich wusste auch gar nicht, ob sie noch so relevant waren. Denn ich kannte ihn sehr gut, wir quatschten über alles, und ich sah ihn jede Nacht mit nur einem Bein ins Bett gehen. Doch vielleicht waren diese drei Fragen auch irgendwie wie ein Joker für mich. Vielleicht würde ich einmal Gebrauch von ihnen machen können, wenn er mir etwas nicht anvertrauen wollte. Ich wusste, dass er über manche Themen nicht gerne sprach, und es ihn schmerzte über Vergangenes zu reden. Doch ich wollte einfach alles von ihm wissen. Ich wollte ihn kennen. Alles von ihm. Seine guten sowie schlechten Seiten. Denn diese hatte jeder. Auch ich hatte meine schlechten Seiten.

„Ich habe Hunger. Bestellen wir uns eine Pizza?“, fragte Anja in die Runde.

Natürlich bejahten wir ihre Frage, und so kam es, dass es nach gut vierzig Minuten an der Tür klingelte, und der Pizzabote davorstand.

Während wir aßen, redeten wir nicht viel miteinander. Es war das erste Mal, dass wir etwas zu viert unternahmen. Nun ja, es war ein regnerischer Sonntagnachmittag, an dem Anja und Max ausgeschlafen genug waren, um sich gemeinsam mit Gabriel und mir einen Film anzusehen. Der Name der Rose, um genau zu sein. Ich sollte ihn mir nämlich von Geschichte aus ansehen, und da die anderen keinen besseren Filmvorschlag gehabt hatten, hatten wir uns schlussendlich für diesen entschieden.

„Das nächste Mal schauen wir uns die Neuverfilmung an“, meinte Anja.

„Bei der Neuverfilmung handelt es sich aber um eine Serie. Außerdem fand ich den Film gut. Die Qualität war gar nicht so schlecht“, verteidigte ich den Film, welcher 1986 erschienen war.

„Hm ja, du hast recht. Ich habe sogar das Buch gelesen.“

„Das war mir klar. Das stand auch auf der Liste für unser Seminar am Donnerstag.“

„Deswegen habe ich es aber nicht gelesen. Wir mussten es schon in der Schule lesen." Anja rümpfte die Nase.

„Du klingst so, als wäre das Buch langweilig gewesen?“ Ich hob die Augenbrauen. Dabei war so ein Roman doch genau Anjas Geschmack. Auf Liebe, Kitsch und Romantik stand sie sowieso nicht.

„Literaturwissenschaftlich gesehen ist dieses Buch wirklich ein großer postmoderner Roman, aber als ich den in der Schule lesen musste, war er für mich nicht so spannend. Alles was man in der Schule lesen muss, ist irgendwie grundsätzlich langweilig.“ Anja grinste. „Aber du hast recht, hätte ich ihn jetzt erst gelesen, würde er mir gefallen.“

„Na also.“ Ich schüttelte lächelnd den Kopf. „Das ist ein grandioser historischer Kriminalroman, und du magst Krimis. Es hätte mich sehr gewundert, wenn du nicht auch von dieser Geschichte fasziniert gewesen wärst.“

„Ich glaube du bist mehr fasziniert als ich“, kicherte Anja. „Ich bin kein so Historiker-Junkie wie du. Wenn Der Name der Rose ein Fitness-Kriminalroman wäre, wäre es schon eher meins.“

Play with me | ✔️Where stories live. Discover now