² SONNTAG, 15:38 Uhr

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»ich habe KEINEN von euch gesehen.«, wiederhole ich mit verurteilender Stimme und sehe über den Laptop hinweg zu Matteo.

Da wir uns den gesamten Samstag nicht gesehen haben, stand ich mit vier Muffins gegen Mittag vor der Wohnungstür. Ich glaube, Linn und Hans würden mich von Herzen gegen Matteo als Mitbewohner austauschen, nur weil ich meistens Essen mitbringe.

»Ich war da. Bin nur nach wenigen Minuten wieder gegangen, weil die einen beschissenen Kreis mit Anfassen gebildet haben. Nicht meine Schuld, wenn du zu spät kommst.«
»Was nicht meine Schuld war.«, brumme ich und lege mich wieder an das Ende des Bettes.
»Ist ja auch egal. Abdi war nicht da, also bekommt er sein Hasenfutter auch nicht wieder.«

»Dann bringe ihm das mal schonend bei.« Aufgrund der weggetretenen Stimmlage spähe ich erneut vorsichtig nach oben. Fixiert starrt Matteo auf sein Handy.
»Ist-«

Ein lautes Poltern, dann schneit Hans in das Zimmer und lässt sich direkt neben Matteo plumpsen.
»Ey, wie wäre es mit Anklopfen?«
»Warum, ihr habt doch nichts Verbotenes getan, oder?«
Abwechselnd sieht er uns an.
»Ist auch egal. Hier. Findest du den heiß?«

Da beide nun auf sein Display schauen, gehe ich stark davon aus, dass Matteos Mittbewohner wieder auf der Pirsch ist.
»Keine Ahnung, woher soll ich das wissen?«
»Auch Heteros können beurteilen, wenn andere Männer heiß sind.«

Geräuschvoll setze ich mich auf. »Was ist denn die Auswahl?«
Sofort beugt sich Hans mir entgegen und präsentiert gleich drei unterschiedliche – und oberkörperfreie – Männer.
»Der da.«, sage ich. Hans dreht das Handy wieder zu sich, studiert die Angaben und nickt.
»Hast Recht. Den hätte ich auch genommen. Das macht einen guten Mitbewohner aus, Matteo. Schau zu und lerne.«
In seinem Bademantel bekleidet schreitet er wieder zu Tür. »Danke, mein kleiner Schmetterling.«

Die Tür schließt sich wieder, trotzdem sehe ich ihm noch eine Weile nach.
Ist es wirklich so einfach?
So einfach, jemanden an dich ranzulassen. Dich jemanden zu zeigen.

                Matteos Handy beginnt gleich zweimal hintereinander zu vibrieren, weswegen er es genervt vor die Nase hält.
»Deine Mom?«
Er schüttelt mit dem Kopf. »Sara.«
»Bitte nimm mich nicht wieder als Ausrede. Ich hatte genügend Körper- und nicht vorhandene Herzschmerzen.«
»Zu spät.«

Bedrückt stellt er den Laptop auf den Boden, legt das Smartphone auf das Schränkchen neben sich und rollt sich auf die andere Seite zusammen.
Unbeholfen sehe ich ihn an. »Soll ich gehen?«

Sein Körper hebt und senkt sich gleichmäßig.

Nachdem meine Gehirnhälften Ping Pong gespielt haben, um die nächsten Minuten zu entscheiden, lehne ich mich neben ihn an die Wand.
Er will nicht reden. Das verstehe ich.
Aber das heißt nicht, dass er auch allein sein will.
Denn manchmal will man einfach nur jemanden bei sich wissen, der einem stumm durch den Sturm hilft.

Ein raschelndes Geräusch lässt mich nach unten sehen, wo sich Matteo zu mir umgedreht hat und mit geschlossenen Augen Arm und Kopf auf meinen Schoß legt.

Als auch ich die Hand auf seine Schulter lege, nimmt er sie in seine freie und hält sie einfach fest.

Schmunzelnd denke ich daran, wie er mir sagte, dass sei sein stilles Danke.

MELANCHOLIE ᵈʳᵘᶜᵏWo Geschichten leben. Entdecke jetzt