6 - [Unsere Nacht]

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,,Es ist schon so lange her, seitdem wir zuletzt hier geschlafen haben" Murmelte Cataleya müde. Im Halbschlaf schmiss sie ihre Sachen zu Boden und ließ sich sofort ins Bett fallen. Angestrengt zog sie die Decke über ihren Körper und wartete, dass ich mich zu ihr legte.

Mit einem zufriedenen Lächeln, hob ich ihr Sachen von Boden auf und legte sie über die Lehne meines alten Drehstuhls.

Umgezogen ließ ich mich ebenfalls in mein Bett fallen. Unter mir begann das Gestell zu Knarren.

Lautlos versuchte ich mich neben Cataleya zu legen.
,,Schläfst du schon?" Hauchte ich leise. Leya antwortete mir, mit einen müden Grummeln. Stumm lachte ich, sie war offensichtlich müde gewesen, warum sprach ich sie also an?

Unbewusst schlangen sich ihre Arme um meine Taille und ihr Kopf verweilte auf meiner Brust. Eine andere Position gab es für sie nicht.

Vorsichtig legte sich mein Arm um ihre Schulter, während meine Hand ihr sanft durch die Haare fuhr.

Erleichtert hob und senkte sich mein Brustkorb immer wieder. Innerlich lachte ich in mich hinein, als ich an meinen kleinen Schwindel dachte.

So wie Cataleyas, schwirrten auch meine Gedanken um die Was-Wäre-Wenn-Frage.

Was wäre passiert, wenn wir erwischt worden wären? Nun konnte ich darüber Lachen. Wohl etwas zu laut.

,,Geh schlafen, Ava" Hörte ich Leya leise Murmeln.
,,Entschuldige" Ich starrte die dunkle Decke an. Eigentlich war sie weiß, doch in der Nacht schien sie pechschwarz zu sein.
,,Ich musste nur gerade daran denken, wie wir zusammen gekommen sind"

Alles erinnerte mich daran - unser kleiner "Einbruch" in der Mall damals, war schließlich auch nicht wirklich sehr viel anders gewesen, wie die Hintertür des Restaurants zu nutzen.

,,Dann müssen wir wohl unser Jubiläum in diesen Zimmer verbringen" Gähnte sie.

Es war ein Witz gewesen, doch mir gefiel die Idee. Hier mit ihr, wie alles begann - gut, vielleicht nicht alles. Auch nach drei Jahren, betrat keine von uns einen Fahrstuhl. Das war auch eines der Themen gewesen, von denen ich wusste, dass sie das mit ihren Therapeuten besprach.

Leise lachte ich auf.
,,Dann müssen wir aber die Tür abschließen" Sofort verstand sie, auf was ich hinaus wollte. Mein Bruder gehörte nicht wirklich zu den Leuten, die wussten, dass es sowas wie anklopfen gab.

Außerdem fand er in den letzten Jahren, großen Gefallen daran, uns beide an Halloween zu erschrecken. Sei es ein "defekter" Stromkasten der zum plötzlichen Stromausfall führte, oder ein mysteriöses klopfen an meinem Fenster... im ersten Stock.

,,Oder wir verzichten darauf, Halloween mit Jacob zu feiern" Leise lachte ich auf.
,,Wir wissen doch beide, dass du es heimlich genießt, dass Jacob der größere Angsthase von euch beiden ist"

Müde hörte ich sie gegen meine Worte protestieren.
,,Stimmt nicht"
,,Stimmt wohl"
,,Stimmt nicht"

Es hätte immer so weitergehen können, schließlich war ich stur und Leya wollte mutig sein, auch wenn sie nur so tat.

Sie wollte nicht für immer von mir abhängig sein. Sie wollte so manches auch aus eigener Kraft schaffen - wenn nur nicht ihre Ängste gewesen wären.

,,Ich bin stolz auf dich" Wisperte ich zur Decke.
,,Weswegen?" Verwirrung und Unruhe lang in ihrer Stimme.
,,Du hast dir allein etwas zu trinken bestellt" Alex ignoriert uns den restlichen Abend, als das Restaurant immer mehr Gäste hatte. So waren wir gezwungen, mit den anderen Kellern zu reden.

,,Sowas unbedeutendes" Sprach sie fast bedauernd.
,,Nicht für dich. Egal wie klein dein Fortschritt ist, du kommst voran. Ich werde immer stolz auf dich sein, Cataleya"

Sie gab es nie gerne zu, doch solche einfachen Handlungen strengten sie enorm an. Für sie war es kraftaufwändig, und das sah ich ihr auch an. Dieses nervöse Lächeln, welches sie trug, ihre kurze Abwesenheit, als wenn sie Schritt für Schritt erneut durchgegangen wäre. Mir war es wichtig, dass sie wusste, dass es mir nicht egal war - das sie nicht so denken sollte und auf sich selbst stolz sein konnte.

,,Ich auch auf dich" Obwohl ich das von ihr wollte, konnte ich selbst so etwas nicht akzeptieren. Weswegen hätte sie auf mich stolz sein sollen?

Ich veränderte mich nicht. Weder ins positive, noch wirklich ins negative - meiner Meinung nach.

Aber wenn ich mir Zanes Worte wieder durch den Kopf laufen ließ - Du frisst deine Gefühle immer in dich hinein, siehst die Männer in deinen Leben als Vaterfiguren an und du glaubst, dass du für alles, was dir passiert ist, selbst verantwortlich bist - Wie konnte sie auf mich stolz sein?

Wir beide waren emotional von einander abhängig. Aber immer wieder überkam mich die Angst, dass sie mich vielleicht eines Tages nicht mehr bräuchte. Das sie realisiert, dass diese Beziehung nur einen Zweck erfüllte - das wir in einander einen Nutzen sahen.

Diese Gedanken ließen mich erschaudern. Ich spürte den Schauer an mir herab laufen. Ich hasste diese Gedanken, und auch wenn sie nichts von diesen wusste, fragte ich mich doch, ob sie diese trotzdem akzeptiert hätte - das ich so von ihr und unser Beziehung dachte.

Sie wäre wahrscheinlich verletzt gewesen. Es war ihr wichtig, was andere über sie dachten - was ich über sie dachte! Diese Gedanken hätten sie verletzt, verunsichert und sie dazugebracht, sich wieder zurück zu ziehen.

Ich dachte öfters über Jacobs, Zanes und Cataleyas bitte nach, doch ich fühlte mich nicht bereit. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass reden mit einen Therapeuten alles wieder gerade biegen konnte.

Nur weil es Leya half, musste es bei mir nicht so sein. Was, wenn alles schlimmer werden würde?

Diese ständige Angst, dass man meine Worte und Gefühle gegen mich verwenden würde.

,,Ava, geht es dir gut?" Rieß mich Cataleyas Stimme aus meinen Gedanken.

Ich blickte von der Decke auf sie herab. Ich sah, wie schnell sich mein Brustkorb hob und senkte.

Sie machte sich Sorgen um mich. Ich konnte für den Moment nicht sprechen. Eben war sie noch so müde gewesen, doch jetzt war sie hellwach.

Mein Blick schweifte von ihr, zur Uhr an meiner Wand. Cataleya war eigentlich schon seit fast zwei Stunden am schlafen. Ich hatte sie aufgeweckt.

,,Tschuldige" Meine Stimme war ein leises Flüstern
,,Wofür denn?" Fragte sie etwas panisch.
,,Das ich dich aufgeweckt habe"

Ungläubig sah sie mich an. Sie setzte sich aufrecht hin und lehnte sich über mich. Mit ihren beiden Händen umfasste sie sanft meine Wangen.

,,Atme erstmal" Sie machte es mir vor. Sie holte tief Luft und bließ sie dann wieder aus. Sie machte es mit mir zusammen. Sie hörte nicht damit auf, immer wieder füllte sie ihre Lungen und stieß die Luft aus.

,,Was ist los?" Fragte sie, als sich meine Atmung nach mehreren Minuten beruhigt hatte.

Ihre langen Haare vielen ihr ins Gesicht, ich wollte ihre Strähne hinter ihren Ohr klämmen, erst da viel mir das zittern meiner Hände auf.

Sofort nahm ihre Hand meine.
,,Es ist alles in Ordnung" Wisperte sie.

Ich setzte mich auf. Wartend sah Leya mir in die Augen. Sie wollte wissen, an was ich gedacht hatte.

,,Ich will nicht, dass du mich verlässt" Schluchzte ich schwer.
,,Niemals!" Versicherte sie mir verwirrt und nahm mich sofort in ihre Arme.

Fest drückte ich sie an mich. Ich spürte, wie sich meine Fingernägel in ihre Haut bohrten, doch ich konnte nicht locker lassen.

,,Ich werde dich niemals verlassen, Ava. Niemals"

Deine Existenz Ist Alles Was Ich Brauche. Where stories live. Discover now