Kapitel 6

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Eine Träne rollte mir über die Wange. Sie fiel von meinem Kinn, wie eine Perle, und landete auf Ilias Hand. Seine Augen bohrten sich in meine. Sanfte Sonnenstrahlen ließen seine braunen Augen aufleuchten. Doch der Glanz des Lebens blieb weg. Er würde nie wieder zurückkommen. Es war meine Schuld. Wut wallte in mir auf. Wie konnte dieses Monster nur die Seele von einem unschuldigen Jungen nehmen? Wie konnte sie ihn mir wegnehmen? Ich würde ihn nie wiedersehen. Nicht einmal nach meinem Tod. Das war zu viel für mich. Ich presste meine Zähne aufeinander, um nicht aufzuschreien. Meine Hände ballte ich zu Fäusten. Ein Knurren entwich meiner Kehle. Gleich würde ich die Kontrolle verlieren. Mein Schmerz mischte sich mit meiner Wut und wurde zu Hass. Das höhnende Kichern Melasculas ließ mich erzittern. Aber nicht vor Angst oder Kälte. Ich zitterte vor Wut. „So einfach. Er hat so süß geschmeckt. So rein und so jung", sie lachte wieder. „Jetzt bist du dran. Auf dich freue ich mich schon." Sie kam näher und machte sich nicht mehr die Mühe, sich leise fortzubewegen. Mein Kopf schnellte zu ihr herum und ich blickte ihr direkt in die Augen. Kurz blieb sie stehen. Ihr Mund öffnete sich vor Schock, ihre Augen waren geweitet. „Das kann nicht sein!", hauchte sie und wich einen Schritt vor mir zurück. Ich nutzte den Moment und sprang hoch. Der körperliche Schmerz und die Erschöpfung waren vergessen. Ich stand aufrecht vor Melascula. So schnell, dass sie nicht einmal eine Hand heben konnte, um mich aufzuhalten, ergriffen meine Hände ihren Hals. Meine Nägel bohrten sich in ihre weiche Haut und im nächsten Moment hatte ich die Dämonin an einen Baum genagelt. Ich fauchte sie an und spürte dabei die Spitzen meiner scharfen Zähne an meiner Unterlippe. Meine Nasenflügel weiteten sich in der Hoffnung, Angst zu riechen. Melasculas Angst. Doch was ich roch war nur ihr unstillbarer Hunger nach Macht. Ihr Machthunger, den sie seit Jahrhunderten zu verspüren schien, sprang auf mich über. Mein Körper fühlte sich so unglaublich leer an, dass ich großen Durst bekam. Durst nach Dämonenblut. Melascula hob ihre Hände, um mich von sich zu stoßen, doch es war zu spät. Ich hatte bereits meine langen Zähne in ihrem Hals versengt. Das Pochen ihrer Halsschlagader zog mich an und ich biss noch tiefer. Klebrig süßes Blut füllte meinen Mund und ich wollte sie austrinken. Ihr Schmerzensschrei ertönte nah an meinem Ohr und sie versuchte erneut, sich zu befreien. Ihre Hand berührte meine Schläfe und plötzlich musste ich gegen eine Welle aus Dunkelheit ankämpfen. Ich ließ von Melascula ab und taumelte zurück. Die Dunkelheit hüllte mich ein und bildete eine Kugel um mich. Ich konnte Melascula nicht mehr sehen, aber ich hörte ihr amüsiertes Kichern. „Du hattest mich fast", ihr Gesicht erschien für einen kurzen Augenblick vor mir. „Aber gleich bist du eingeschlossen und dann kann ich mir in Ruhe deine Seele nehmen." „Mach nur, du hast mir sowieso schon alles genommen!", schrie ich sie an und schlug mit der Faust auf die Stelle, an der gerade noch die Illusion ihres Gesichtes war. Natürlich ging mein Schlag ins Leere. Ich konnte nur noch einzelne Streifen des Waldes um mich erkennen, doch die Dunkelheit füllte alles aus und hatte sich schon fast vollständig um mich geschlossen. Gerade spürte ich den kalten Atem Melasculas in meinem Nacken, als ich von einem weißen Lichtblitz geblendet wurde. Er verdrängte die Dunkelheit und ich hörte nur noch ein lautes Fluchen der Dämonin, dann war sie verschwunden. Im nächsten Moment stand ich wieder im Wirtshaus, umringt von besorgten Gesichtern.

Zeldris Sicht
Ich bemerkte erst, als ich an mir heruntersah, dass ich meine Hände zu Fäusten geballt hatte. Ich wusste nicht einmal warum. Vielleicht aus Anspannung oder Stress. Oder vielleicht auch weil ich wütend war. Auf Melascula. Dafür dass sie sich meinem Befehl einfach widersetzt hatte. Jetzt stand sie zwischen den Bäumen von ihren Schleiern aus Dunkelheit umringt, eine Hand an den blutenden Hals gepresst. „Wie lange willst du noch dastehen und mich anstarren?", ihre kalte Stimme klang ruhig. Ich schnaubte: „Du hast dich meinem Befehl widersetzt, Melascula. Du hast dein eigenes Gebot verletzt." „Ich habe mich keinem Gebot widersetzt! Der einzigen Person, der meine Treue gilt, ist der Dämonenkönig", höhnte sie. „Du solltest lockerer werden, Zeldris. Ich habe schließlich fast einen super Fang gemacht. Dieses Mädchen ist besonders. Ein Jammer, dass Merlin sie gefunden hat. Aber ich werde ihre Seele schon noch bekommen." „Nein, du lässt die Finger von diesem Mädchen!", fauchte ich und trat drohend zwischen dem Gebüsch hervor. „Sie gehört mir!" Ich war über meine eigenen Worte überrascht. Melascula lachte: „Ach so, sag doch gleich, dass du ihre Seele willst. Naja, jetzt habe ich sie schon entdeckt und ich werde sie auch nicht so schnell aufgeben." Sie grinste gierig. „Hast du gesehen, was diese Hexe mit mir gemacht hat?", Melascula ließ ihre Hand sinken und reckte das Kinn, damit ich ihren Hals besser sehen konnte. Zwei tiefe Stiche waren an ihrem Hals zu sehen. Es war eine Bissspur und es quoll noch immer Blut nach. Ich zeigte Melascula gegenüber keine Reaktion. Doch in meinem Inneren wollte ich es nicht glauben. Dieses Mädchen hatte Melascula gebissen. Mein Verdacht über ihre Augen hatte sich bestätigt. Das Mädchen war unmöglich nur menschlich. Ich musste sie unbedingt finden! Und das vor Melascula! „Ja, das hab ich gesehen, ich bin ja nicht blind", antwortete ich gelangweilt. „Sie ist kein Mensch, aber sie hat trotzdem eine Seele. Eine sehr mächtige Seele sogar", schwärmte die Dämonin. „Vergiss es, Malascula! Das ist meine Beute und du wirst ab jetzt keine Menschenseelen mehr fressen!", knurrte ich. Sie rollte mit den Augen. „Immerhin hat der da gut geschmeckt!", sie deutete auf den Jungen, der am Boden lag. „Und weißt du, was seine letzten Worte waren? Der Name des Mädchens. Y/N, ist das nicht süß!" Wut pochte in meinen Adern und ich wusste nicht warum. Eigentlich konnte mir der Verlust des Mädchens egal sein. Aber es machte mich wütend, dass Melascula so große Freude daran hatte, sie zu verletzen. „Halt den Mund und hör auf, die Menschen so sehr zu quälen!", ich verengte meine Augen. „Auf welcher Seite bist du, Zeldris?", zischte die Schlange. „Seit wann interessieren dich die schwächlichen Menschen?" Ich konnte ihre Fragen nicht beantworten, also packte ich sie einfach am Arm: „Es geschieht dir Recht, dass sie dich gebissen hat. Vielleicht lernst du daraus, dich nicht mehr meinen Befehlen zu widersetzen! Wenn sie wirklich etwas mit den Seven Deadly Sins zu tun hat, dann lass die Finger von ihr! Du bist noch geschwächt!" Melascula sah mir böse in die Augen, dann riss sie sich los und erhob sich, um wegzufliegen. „Ich werde nicht nach ihr suchen, aber wenn sie mir zufällig über den Weg läuft, dann werde ich mir ihre Seele nehmen!", rief sie mir über die Schulter zu.

Zeldris - Du bist mein Mensch! (Reader ff)Where stories live. Discover now