Kapitel 19

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Ryoichi hörte die nächsten zwei Tage weder vom Mizukage noch von Utakata etwas. Er wollte das als gutes Zeichen sehen, aber die Schmerzen, der Zustand seiner Wohnung und der zugezogene Himmel machten es ihm schwer, irgendetwas anderes zu tun als regungslos auf der Couch zu verwesen. Der codierte Brief von Zabuza lag nach wie vor unübersetzt vor ihm. Allein der Gedanke, daraus nützliche Informationen ziehen zu wollen, ließen Ryoichis Gedanken noch viel schwerfälliger gehen und als zähe Supper durch seinen Schädel schwappen. Wenn er es wenigstens einfach so weit verdrängen könnte, dass es es vergaß; stattdessen musste er bitte feststellen, dass seine Erinnerungen stetig darauf zurück kamen und der Brief formte sich mit allen anderen Zuständen seines gegenwärtigen Lebens zu einem bleiernen Gewicht, das ihm auf die Brust drückte.

Morgen. Morgen packe ich an und alles wird besser, redete er sich ein, versicherte er sich stets und immer wieder. Doch auch der nächste Tag brachte die heiß ersehnte Erlösung nicht. Es schien weder die Sonne noch löste sich eines seiner Probleme von allein. Ryoichi fand sich selbst lächerlich.

Am vierten Tag erst raffte er sich auf und ging duschen. Als er sich den neuen Verband anlegte, dachte er ein wenig zu lange darüber nach, wie gut Utakata das gemacht hatte, und verblieb im Endeffekt länger im Bad als ursprünglich geplant. Ryoichi hatte nicht vor, draußen in Ärger zu geraten, aber man konnte es nie wissen - daher nahm er zumindest seine Jo-Jo und ein wenig Grundausrüstung mit. In einem Schubfach in der Wohnung fand er eine dicke Kerze; irgendwer hatte sie mal verschenkt und er hatte sie behalten. Er schmiss selten Dinge weg, aber er kaufte auch nur selten Dinge, die nicht Essen waren, und Kerzen konnte man immer mal gebrauchen, wenn der Strom bei Sturm ausfiel. Die hier aber wollte er nicht für Stromausfall. Die war für etwas anderes bestimmt.

Die Wolkendecke ließ heute den ein oder anderen Sonnenstrahl nach unten. Wenn man auf den Hauptstraßen blieb und sich einfach treiben ließ, war es eigentlich ganz angenehm. Ihm kamen andere Shinobi entgegen, er grüßte niemanden davon und er wurde von niemandem gegrüßt. Vielleicht wäre es anders, wenn er schon immer in Kirigakure gewohnt hätte. Oder irgendeinen Stolz auf seine Arbeit besitzen würde, aber da war nichts. Er trug trotz Bewaffnung nicht einmal sein Stirnband, sondern hatte es sich nur lose in die Hosentasche gestopft.

Am Stadtrand besuchte er einen kleinen, verwinkelten Laden. "Ich bin's, Obaa-chan", kündigte er sich an und rasselte besonders laut an der Klingel am Eingang. Anstatt der Oma kamen ihm aber drei Kinder entgegen, die er alle prompt Blumen pflücken in der Umgebung schickte, als Belohnung würde er ihnen dann beibringen, wie man Kronkorken mit den Zähnen löste, woraufhin die Kinder grölend weiterzogen.

"Du bist mir einer, Bengel. Was für Unfug hast du sie jetzt schon wieder anstellen geschickt!", tönte es von Oma. Sie kam um die Ecke, klein und geduckt wie eh und je. Ihr Stand jedoch schien etwas schwächer als sonst und an ihrer Hand, die sich an einen Gehstock klammerte, traten die Knöchel weiß hervor.

Ryoichi lachte und hob Abstand haltend die Hände. „Gar nichts, gar nichts, Obaa-chan, gar nichts. Nur schöne Dinge diesmal."

„Ts." Sie schüttelte den Kopf. „Und jetzt zeigst du dich mal wieder, weil du wieder kein Essen zu Hause hast? Junge, du könntest dich öfter blicken lassen."

„Ist so viel kaputt?"

Sie schnaubte. „Ich schreib dir eine Liste."

Ryoichi atmete beruhigt durch. Obaa-chan war schnell fertig, also konnte er sich an die Arbeit machen - mehrere Töpfe, ein großes Glas voll krummer Nägel, ein paar andere Haushaltsgegenstände, genug, dass er erneut ein Chakra-Siegel lösen musste. Er seufzte.

Zur Belohnung bekam er drei Onigiri und drei große Mochi, wofür er sich bedankte und ein Drittel davon sofort verschlang. In der Zwischenzeit kamen auch die Kinder zurück, doch leider gab es nur eine Flasche mit Kronkorken und als er gerade anhand des Beispiels erklärte, wie man den Korken mit den Zähnen entfernte, kam Obaa-chan fluchend aus dem Laden. Ryoichi lachte und zeigte den Kindern stattdessen, wie es mit praktischem Werkzeug ging, ehe er sich endlich auf den Weg machte. Die Blumen passten nicht zusammen und waren unterschiedlicher Länge und Ryoichi fand es wunderschön. Er war lange nicht mehr so gut ausgestattet hier erschienen.

Die Sonne wanderte vom Westen in die Tiefe, die Schatten wurden länger. Ryoichi war am äußersten Rand der Stadt, auf grasigen Hügeln hinter den Dünen, einen weiten Hang hinauf. Oben standen Bäume und die abgewetzten Treppenstufen wurden gesäumt von Gräbern. Alles sah aus wie sonst, lag in ehrfürchtiger Stille im Nebel wie Findlinge, alt und unverändert.

"Ich hab dir gesagt, diesmal brauch ich nicht ganz so ewig, bis ich wieder da bin", sagte Ryoichi, als er vor Kazes Grab Platz nahm. "Und! Ich hab heut einen sehr guten Deal gemacht und meine wahren Stärken spielen lassen, nämlich der dreisteste aller Schnorrer zu sein." Er lachte auf, nur um dann zu seufzen und sich das Grinsen aus dem Gesicht zu wischen. "Ich glaub, irgendwas wird demnächst brennen. Metaphysisch. Metaph...orisch?" Ryoichi wusste nicht, ob das das richtige Wort war. Eigentlich las er gern, uneigentlich war sein Kanji-Vokabular zu gering, um irgendetwas zu verstehen, das nicht auf seinen Beruf ausgelegt war oder Achtjährige als Zielgruppe hatte.

"Na ja. Egal." Er holte das Essen hervor, platzierte ein Onigiri und ein Mochi vor dem Grabstein, die anderen vor sich. Dann zündete er die Kerze an, faltete die Hände. "Ich wollte noch Edamame bringen, aber ich glaub, die sind mir hart verschimmelt. Oh, und Sake, aber ich hatte nur Billozeug daheim, ich glaube nicht, dass dir das gefallen hätte." Er hatte direkt Kazes düsteren Blick fehlender Zustimmung vor Augen und musste lachen. "Beim nächsten Mal denk ich dran. Guten Appetit!"

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⏰ Letzte Aktualisierung: Nov 09, 2022 ⏰

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