∎ 𝐍𝐞𝐮𝐞 𝐄𝐫𝐤𝐞𝐧𝐧𝐭𝐧𝐢𝐬𝐬𝐞

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Von auf Sparflamme köchelnden Kopfschmerzen getrieben öffne ich schleppend meine Augen. Es ist dämmerig um mich herum. Hell genug, um alles zu erkennen, aber zu dunkel, um vom Licht geblendet zu werden, was mir zugutekommt. Sicher hätte helles Licht meine Kopfschmerzen nur angefeuert.

So angenehm die milden Schmerzen auch sind, meine Umgebung stört mich: Ich liege in einem Krankenzimmer. Das Bett unter mir ist schmal, weiß bezogen und etwas härter als man es von zu Hause gewöhnt ist.

Ein unangenehmer Summton hallt fortwährend in meinen Ohren wieder und hindert mich am Nachdenken, wie ich hierhergekommen bin. Nur sehr schemenhafte Erinnerungen flackern in meinem Kopf auf.

Ich erinnere mich an den von einem Scheinwerfer beleuchteten Raum, in den ich gebracht wurde, dorthin gebracht von einem mir unbekannten Typ, dessen Namen ich nicht erfahren habe, während er mir mehr als nur einmal in die Seite getreten hat.

Dafür habe ich seltsam wenig Schmerzen. Wie auf einer Wolke schwebe ich auf der Matratze. Bequem ist sie, auch wenn ich weichere gewöhnt bin – das glaube ich jedenfalls. Eben habe ich noch über Zuhause nachgedacht, jetzt gerade frage ich mich, wo dieses Zuhause überhaupt ist und wie es aussieht.

Das letzte, was ich noch vor Augen habe, ist die Straßenecke, an der ich einen Mann von mir weggehen gesehen habe, kurz bevor ich in eben jenem Haus gelandet bin, in dem dieser Raum war.

Noch etwas anderes weiß ich; er ist hier, dieser Typ, der mich erst in die ganze Sache gezogen hat. Was ich mit diesem Wissen anfangen soll, sagt mir mein vor Angst wild schlagendes Herz, das scheinbar versucht, aus meiner Brust zu springen um ihm zu entkommen. Doch ich werde nicht weglaufen. Das habe ich mir vorgenommen.

Habe ich? Ich weiß es nicht mehr, aber etwas sagt mir, dass ich nicht wegrennen darf. Eine Stimme in mir schreit, dass ich dieses eine Mal nicht feige davonlaufen kann, dass ich mich dem Typ stellen muss. Dann will mir die Stimme sogar verraten, wie ich das schaffen kann-

Ein reales Geflüster ganz in meiner Nähe unterbricht jedoch unwillkürlich meine Stimme:

„Was ist denn da gestern mit Frau Rilling passiert? Sie hat irgendwann nur noch sinnlose Sätze von sich gegeben und schien große Panik zu haben, wenn nicht sogar unter Schmerzen zu leiden."

„Sie hatte eine Art Rückfall", mischt sich eine zweite Person dazu. Beide müssen auf einem Flur stehen, der sich sicher hinter der halbgeöffneten Tür auf der linken Seite des Zimmers befinden muss. Wahrscheinlich sind es zwar Frauen, die sich da unterhalten und beide kennen meinen Namen.

„Wie kann das denn sein?", fragt jetzt wieder die erste Frau. Wahrscheinlich ist sie bloß eine Art Pflegerin, während die andere wohl über mehr Fachwissen verfügt, wie sie auch jetzt bestätig:

„Es kann sein, dass Traumatisierte, die scheinbar ganz souverän mit dem Erlebten umgehen, durch einen Trigger alles erneut durchleben müssen. Dafür kann beispielsweise ein Gegenstand, ein Satz oder eben eine Person verantwortlich sein, wie vermutlich in Frau Rillings Fall. Herr Garner hat sie sicher an House of fun erinnert, wodurch sie sich zurück an den Tatort versetzt gefühlt hat. Vielleicht weil er einer der Personen ähnlichgesehen hat, die sie gequält haben. Auch die Zeit hat sich für sie zurückgedreht. Für sie ist die ganze Zeit hier in der Klinik nie passiert und auch nicht, wie sie gefunden oder misshandelt wurde. Teile davon hat sie gestern eins zu eins oder zumindest sehr ähnlich wieder durchlebt. Es kann allerdings sein, dass sie sich bereits heute im Laufe des Tages wieder an alles erinnern wird, das muss aber nicht sein."

Nicht nur die andere Frau weiß nichts auf diese Antwort zu sagen, auch ich bin äußerst verwundert. Das alles verwirrt mich und zuerst stelle ich es komplett in Frage, widerspricht es doch komplett dem, was ich noch weiß. Aber da ich mich ja auch nicht an mein Zuhause erinnern kann, beginne ich, der Frau Glauben zu schenken.

𝐆𝐞𝐟𝐚𝐧𝐠𝐞𝐧 - in der eigenen FantasieWhere stories live. Discover now