01 | Fast & Furious für Arme

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Ihr schönen Menschen, viel Spaß mit dem ersten Kapitel :)

Der große Blonde ließ lässig den Arm aus dem Fenster seines Wagens hängen und sah ungeduldig zur Haustür herüber. Weiber. Er hätte wissen müssen, dass sie wegen ihr zu spät kommen würden. Kurzerhand hatte er seinen Wagen vor dem Gebäude abgestellt und wartete nun auf Lia.

Schwer seufzend sank er in die weichen Polster des Fahrersitzes und ließ seinen Blick über das Grundstück schweifen, auf dem er in seiner Kindheit viele schöne Stunden verbracht hatte. Hinter der modernen, weißen Stadtvilla mit großen Fenstern und Glasfronten, umrahmt mit schwarzem Metall, erstreckte sich ein großer Garten. Bei der Außengestaltung hatte sich Cassies guter Geschmack durchgesetzt.

Weiße Kieselsteine säumten die Gehwege, hier und da ragten hohe, alte Bäume über die Dächer.

Als er noch ein kleiner Junge gewesen war, hatte er oft vor der großen Doppelgarage mit seinem Vater und John Basketball gezockt oder an einem der vielen Autos herumgeschraubt, die sein Patenonkel sich über die Jahre zugelegt hatte. Ein Lächeln huschte ihm über die Lippen, als er sich daran zurückerinnerte, wie er mit ihm in der Garage gestanden und die Fahrzeuge bewundert hatte. Schon damals hatte er die Leidenschaft für schnelle Autos verspürt, die ihn bis heute durch sein Leben begleitete.

Sein schwarzer Mustang Shelby war Nios ganzer Stolz. Gemeinsam mit John hatte er damals immer wieder alle Fast & Furious Filme geschaut. Zu seinem 18. Geburtstag hatte Nios Patenonkel ihm dann diesen prägnanten Wagen aus einer der Schlüsselszenen der bekannten Filmreihe geschenkt, um die gemeinsame Liebe der beiden zu besonderen Autos zu würdigen und sich für alle Zeiten einen Platz in Nios Herzen zu sichern.

Die leise Vibration seines Smartphones riss ihn aus den Gedanken. Nio griff in die Mittelkonsole, zog es heraus und warf einen Blick auf das Display. „Was soll das heißen, wir sehen uns heute nicht mehr?"

Als seine Augen über die geschriebenen Zeilen huschten, seufzte er schwer. Wieso ließ er sich immer wieder darauf ein, sich mit irgendwelchen Mädchen zu verabreden, die ihm nach ein paar Tagen sowieso nur auf die Nerven gingen? Das musste er sich dringend abgewöhnen. Er blies den Rauch seiner Kippe aus, während er darüber nachdachte, ob er ihr überhaupt antworten sollte.

„Sorry, kann nicht. Familienfeier", tippte er dann belanglos zurück, zog noch einmal an der Zigarette und drückte sie aus. Gerade, als er das Handy zurückgelegt hatte, öffnete sich endlich die Haustür und seine jüngere Schwester tauchte gemeinsam mit Kaia an der Türschwelle auf.

Das hübsche Mädchen mit den goldblonden Korkenzieherlocken trug passend zum heutigen Samstag einen lässigen, hellgrauen Jogginganzug, der ihre Figur umspielte. Der Stoff seines hellblauen Hemdes spannte an Nios trainierten Oberarmen, als er seine tätowierten Finger unter den engen Kragen schob, um ihn ein bisschen zu lockern und sich ein wenig Erleichterung zu verschaffen. Auch er hätte gern etwas Bequemeres getragen, doch seinen Großeltern und dem Familienfrieden zuliebe hatte er sich heute dem Anlass entsprechend gekleidet.

Lia und Kaia kicherten belustigt über irgendetwas, während sie sich mit einer innigen Umarmung voneinander verabschiedeten. Nio wischte sich lautlos seufzend über die Augen, ehe er wieder zu ihnen herüberschaute. Die schlanke Blondine hatte sich mittlerweile wieder von ihrer Freundin gelöst. Ihre langen Haare fielen wellig über ihre Schultern und umrahmten ihr ovales Gesicht. Das schwarze, knielange Kleid mit langen Armen betonte ihre gute Figur. Nur die weißen Sneaker an ihren Füßen wollten nicht recht ins Gesamtbild passen. Für ihre sechzehn Jahre wirkte Lia auf einmal schrecklich erwachsen.

„Kommst du jetzt endlich, oder was?", rief er seiner Schwester ungeduldig zu. Sie fuhr augenrollend zu ihm herum.

„Entspann dich, ja? Ich bin gleich da", gab sie zurück, dann drehte sie sich wieder Kaia zu. Als Lia sich endlich in Bewegung setzte, begleitete Kaia sie zum Auto. Während Nio sie betrachtete, huschte ihm ein unwillkürliches Schmunzeln über die Lippen. Er hatte sie eine Weile nicht gesehen, und doch überkam ihn augenblicklich wieder ein schlechtes Gewissen. Er dachte oft an sie und wusste, dass es uncool war, sich nicht bei ihr zu melden, aber es war besser so; für sie beide. Als sie neben der Fahrertür stehenblieb, setzte er sein unergründliches Pokerface auf.

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