7. Kapitel

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     Leider gab es wirklich kein Entkommen. Beim Essen hatte Vaughn mich viel zu oft und viel zu lange angesehen und nun war er auch in der Stadt. Wir alle waren in der Stadt. Nur Roco und Marc waren auf der Yacht zurückgeblieben. Sonst niemand.
     Vaughns Blick lag noch immer auf mir und ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte. Wusste nicht, was ich davon halten sollte. Stacy und ich bleiben an einem Geschäft stehen, wo es Kleider zu kaufen gab. Für mich gab es auch ein paar, besser gesagt für meien Größe.
     Ich sah mir die Kleider an, doch keines davon traf meinen Geschmack. Dafür aber spürte ich Vaughns Blick und kurz darauf seine Nähe. Nur leicht hob ich den Kopf und sah, dass er neben mir stand.
     Seine eisblauen Augen glitten über mich hinweg, musterten mich von Kopf bis Fuß. Verdammt.
     »Ist alles in Ordnung, Sita? Du scheinst mir aus dem Weg zu gehen.« Gerne hätte ich widersprochen und gelacht. Gerne hätte ich gesagt, dass er sich täuschte, doch das tat er nicht. Er täuschte sich nicht. Denn ich ging ihm aus dem Weg.
     Leider schien ich daran gescheitert zu sein, denn sonst hätte er es ja nicht bemerkt.
     »Ich muss das alles nur verarbeiten, Vaughn«, erklärte ich und meinte es auch so. Ich musste es verarbeiten. Es ging nicht anders. Ich musste erst damit klarkommen, mit dem, was er mir erzählt hatte.

     Denn das, was er mir erzählt hatte war... ich wusste nicht, wie ich es nennen sollte. Ich verstand, dass es ihm auch nicht gut ging damit. Ich hatte den Schmerz in seinen Augen gesehen. Hatte gesehen, wie stark er darunter litt. Ich hatte es gesehen. Leibhaftig und mir war klar geworden, dass ich nicht die Einzige gewesen bin, die darunter gelitten hatte. Nein, auch er hatte darunter gelitten und womöglich hätte er es immer getan.
     Irgendwie zumindest. Nur ich war so beschäftigt gewesen, an meinen eigenen Schmerz zu denken, dass es mir gar nicht in den Sinn gekommen war, weil ich ihn für den „Bösen" gehalten hatte. Für die Person, die mir das Herz gebrochen hatte und Lila auch. Lilas Herz war in alle Einzelteile zerschellt und das würde ich nie vergessen. Niemals.
     Meine Gedanken drohten sich zu überschlagen und ich fragte mich, wie das weitergehen wollte. Wie es weitergehen konnte. Ich wusste es nicht. Wusste nicht, was ich davon halten sollte. Ich wusste es nicht.

     Vaughn stand noch immer bei mir und erinnerte mich daran, dass ich nicht einfach tief in meinen Gedanken versinken konnte, sondern mit ihm reden sollte und musste. Ich musste mit ihm reden. Sollte mit ihm reden.
     »Tut mir leid, falls es zu viel für dich war.«
     Seine Entschuldigung war ehrlich und ernst gemeint. Das sah ich ihm an. Dabei lag es nicht nur an ihm, es lag auch an mir, weil ich mich schlecht fühlte. Gar schuldig, weil ich ihn nie alles hatte erklären lassen. Stattdessen hatte ich mich abgewandt. Von ihm. Von allen.
     Einfach so.

     Hatte nichts mehr hören wollen und hatte mich in einem Loch vergraben, aus dem Damir mich geholt hatte. Zwar mit größer Not, doch er hatte mich geholt. Er hatte mich nicht in das Loch fliehen lassen und hatte mir geholfen wieder auf die Beine zu kommen. Er hatte mir geholfen und wie sollte ich sagen... es hatte geklappt.
     Nur in all dem Schmer hatte ich vergessen, dass auch Vaughn jemanden verloren hatte. Vaughn und Lila waren unzertrennlich gewesen. Zusammengewachsen und nicht zu ändern. Doch in meinem Schmerz hatte ich ihn immer vergessen wollen, hatte immer vergessen wollen, dass er noch da war.
     Hatte Vaughn Michaels aus meinem Gedächtnis löschen wollen. So sehr, dass ich gar nicht mehr an ihn gedacht hatte. Eine Weile. Bis er in Cres aufgetaucht war und er mich mit einem Schlag daran erinnert hatte, wie es war, als ich ihn gekannt hatte. Mit seinem Lächeln und den charmanten Sprüchen, die er so drauf hatte.
     »Nein es... ich versuche nur mein Bild von dir zu ändern. Ich habe dich als Bösen gesehen. Als den, der Lila zum Weinen gebracht hat und mich im Schmerz zurückgelassen hat. Ich weiß, dass es hart war... ich weiß jetzt, dass es für dich vermutlich auch nicht so einfach war. Ich weiß jetzt, dass auch du mit dir zu kämpfen hattest und mein Bild von dir nicht ganz so einfach war, wie ich es gerne hätte. Ich habe nur in schwarz und weiß gedacht. Dass es Grauzonen gibt, wollte ich nicht wahrhaben. Deswegen weiß ich nicht, wie ich dich sehen soll. Ich weiß nur, dass ich keinen Streit möchte.«

Das Rätsel des VertrauensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt