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Merlin sah über die Stadt vor ihnen hinab auf das Meer.

Arthur sah Merlin an.

Er betrachtete, wie der Wind mit seinem dunklen Haar spielte und die sanften Strahlen der Frühlingssonne seine Nase und Wangen küsste. Er sah so lange hin, bis er spürte, wie sein Herz langsam dahinschmolz; ganz wie der Schnee in Camelot es vor wenigen Wochen getan hatte. Lächelnd wandte er den Blick ab und fragte sich, wann er so ein Romantiker geworden war. Den Zeitpunkt musste er verpasst haben. Dann wiederum hatte er vieles verpasst, bevor er Merlin kennenlernte.

"Weißt du-", fing Merlin an.

"Ja, wahrscheinlich schon. Also sei einfach leise."

Mit offenem Mund drehte Merlin sich zu ihm, aber seine Lippen schlossen sich zu einem verschmitztem Lächeln, als er sich wieder dem Ausblick zuwandte. Er wusste, dass Arthur es nicht böse meinte. Merlin wusste es immer.

Er stellte sich neben ihm an die Mauer, legte seine Hand auf Merlins. Sie war warm unter seiner Berührung.

Arthur genoss diese stillen Momente zwischen ihnen beiden. In seinen Gemächern, jeder der eigenen Arbeit nachgehend, vor einem knisterndem Lagerfeuer, eingewickelt in die selbe Decke mit Merlins Hand in seinem Haar, oder nebeneinander durch den Wald reitend - ganz gleich, es waren diese Momente, die nur ihnen gehörten und sie allein sich teilten.

Sie standen noch eine ganze Weile an der Mauer, beobachteten das Treiben der Marktbesucher und lauschten dem Rauschen des Meeres, unter das sich das Kreischen der Seevögel mischte. Als Gwaine ihm vorgeschlagen hatte, ein wenig Zeit alleine mit Merlin zu verbringen, hatte er eingewilligt, ohne die Bitte des Ritters groß zu hinterfragen. Nun wunderte er sich, welche Dummheiten er oder Merlin sich ausgedacht hatten. Denn es war immer einer der beiden, der seine Torheit in unregelmäßigen Abständen in Form einer schlecht durchdachten Aktion unter Beweis stellen musste. Aber Merlin hatte bislang nicht den Anschein gemacht, etwas ausgeheckt zu haben, also war es wahrscheinlich Gwaine.

Mittlerweile verstand sich Arthur gut darin, Merlin und seine kleinen Pläne zu durchschauen. Er merkte es, wenn er ihm etwas vorspielte. Eigentlich waren Merlins Stimmungen für ihn immer deutlich gewesen - wenn er traurig war oder aufgeregt. Oder etwas zu aufgeregt.

Merlin war ein schlechter Lügner, war es immer schon gewesen. In der Regel stand ihm die Wahrheit ins Gesicht geschrieben. Und Arthur hatte gelernt, jede Regung darauf zu lesen wie aus einem offenen Buch.

Bis auf diese eine große Wahrheit.

Von der Arthur nie vermutet hätte...

Von der er nie geglaubt hätte...

Vielleicht hatte er es auch nicht sehen wollen. Vielleicht waren die Zeichen von Anfang an alle da gewesen.

In aller Ekstase, die Merlin in Arthurs Leben gebracht hatte, war er trotzdem zurückhaltend gewesen, was seine Vergangenheit und Lebensrealität anging. Arthur hatte Merlin immer mehr von sich preisgegeben, als Merlin ihm.

Und er hatte es als selbstverständlich empfunden.

Erst war Arthur sein Prinz gewesen, und Merlin sein Diener. Ein Diener teilte seine Lebensgeschichte nicht mit seinem Herren, dazu war er nicht verpflichtet.

Dann - auch wenn Arthur es nicht zugegeben hatte - waren sie Freunde geworden. Und Arthur meinte, es wäre einfach seine Persönlichkeit. Nach außen hin vorlaut, nach innen hin still.

Heute verstand er - es waren zwei Wahrheiten, die ihn davon zurückgehalten hatten, sich ihm zu öffnen. Zwei Wahrheiten, von denen er befürchtete, sie könnten Arthur von ihm stoßen.

Er wusste nicht, dass Arthur ebenfalls eine Wahrheit hütete, die seiner sehr ähnelte.

Was die andere betraf, so verstand Arthur langsam, dass Merlin mehr Zauberkraft besaß, als er ihn mit den kleinen Tricks, die er ihm hin und wieder präsentierte, wissen ließ. Sein Spiel mit dem Wasser auf dem Schiff war beeindruckend gewesen.

Ja, tief in ihm nagte immer noch diese Angst, diese Abneigung gegenüber Magie.

Aber das war Merlin.

Sein Merlin.

Und wie könnte Merlin je etwas tun, um ihn, oder irgendjemand anderen, willentlich zu verletzen?

"Du starrst." Merlin sah ihn aus den Augenwinkeln an.

"Ich starre nicht", sagte Arthur und wandte den Blick ab.

"Sah aus meiner Perspektive aber ganz danach aus."

"Vielleicht, weil deine Perspektive die eines Dummkopfes ist."

"Hmm", machte er. "Durch sich selbst kennt man andere."

"Kann sein." Er klopfte ihm gegen die Schulter. "Los. Lass uns gehen."

Merlin musste zwei Schritte hinter ihm herlaufen, um ihn einzuholen. "Wohin?"

"Ich weiß nicht." Er legte seinen Arm um Merlins Schulter. "Braucht es denn immer einen Plan?"
Merlins Hand fuhr über seinen Rücken, ruhte dann an seiner Seite. "Wenn du König Arthur heißt, dann schon. Und in der Regel einen, der dich in die größten Schwierigkeiten stürzt, die die Menschheit je gekannt hat."

"Du hast heute eine wirklich große Klappe, weißt du das?"

"Oh nein, habe ich Eure Gefühle verletzt, mein König?"
Arthur verdrehte mit einem Lächeln die Augen. "Du bist ein Idiot."

" Immerhin bin ich nicht der Idiot, der sich die ganze Zeit selbst in Gefahr bringt." Er schnalzte mit der Zunge. "Ich bin nur der Idiot, der dir in jeden Schlamassel folgt."

Arthur lachte auf. "Der bist du wohl."

Sie gingen einige Schritte.

"Weißt du, Merlin, ich suche mir meine Kämpfe nicht aus. Sie finden mich von ganz alleine."

Merlins Hand glitt von seiner Seite seinen Rücken hinauf, entlang seines Schulterblattes und stoppte dort, wo einst der Pfeil seinen Rücken durchbohrt hatte. Er strich einige Male über die Stelle. "Ich weiß", sagte er. "Ich weiß." Seine Hand wanderte wider zurück an seine Seite. "Aber du suchst dir sehr wohl deine Begleiter aus."

"Normalerweise schon, ja. Aber du-", er sah ihn an, "du bist in mein Leben gestolpert und hast dich an mich mich geheftet wie eine klebrige Klette, die man nicht mehr von seinem Mantel bekommt, egal wie sehr man sich schüttelt."

Merlin hob die Augenbraue. "So siehst du das also? Du vergisst den Teil, in dem ich dein Leben gerettet habe."

"Nun." Arthur spitzte die Lippen. "Das war dein Pflicht, genauso wie die eines jeden anderen Beistehenden."

"Nur, dass ich nicht jeder andere Beistehende war. Ich habe Magie genutzt, um dich zu retten."

Er schloss die Augen. "Du hättest dafür gehängt werden können."

"Ich weiß auch nicht, warum ich es getan habe, um ehrlich zu sein. Gaius hat mir sehr deutlich gemacht, keine Zauberei zu verwenden. Obwohl, eigentlich war es deutlich genug, als dein Vater an meinem ersten Tag in Camelot einem Zauberer den Kopf abschlagen ließ."

Arthur drückte ihn ein wenig fester an sich. "Und nun sieh dich an - trotz all deiner Dummheiten immer noch den Kopf auf den Schultern. Und du hast es geschafft, alle deine Freunde in meinen Rat zu infiltrieren."

"Tut mir leid, dass du keine eigenen Freunde hattest und auf meine zurückgreifen musstest?"

"Du warst eine Zeit lang mein einzig wahrer Freund. Und glaub mir, wenn man dich als Freund hat, kann man auf weitere gut verzichten."

"Das hört sich so an, als wäre ich eine Belastung."

"Du kannst ganz schön anstrengend sein."

"Du liebst mich."

Sein Zeigefinger hob sich von Merlins Schulter, berührte seinen Hals. "Das tue ich, Merlin. Das tue ich."

Merlin schloss die Augen, nur einen Moment lang, und Arthur erinnerte sich an das, was Gwaine zu ihm gesagt hatte. Manchmal waren Worte nicht genug.

A Tale of Trust and Treason (BBC MERLIN Fanfiction) [Pausiert]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt