Emotional

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Greg hielt in seiner Bewegung inne: „Geh doch schon einmal vor, ich schaue noch nach Leon, schaue ob er fähig ist später ein ‚Ja‘ über seine Lippen zu bringen“, witzelte er und deutete auf die Zimmertür seines besten Freundes. Isi nickte lächelnd, freute sich über einen Moment für sich. In ihrem Kopf herrschte ein heilloses Chaos. Immer wieder schossen ihr Erinnerungsfetzen in den Sinn, sorgten für eine gewisse Unruhe in ihr, ein Gefühl, was sie zu Beginn nicht einordnen konnte, nicht begreifen konnte. Es war Erregung!
Schlagartig wurde sie aus ihren Gedanken gerissen, stieß mit einer Person zusammen, die sie zurücktaumeln ließ. „Passen Sie doch auf“, herrschte sie ihn an, hob den Blick und erstarrte. Sprachlos sah sie ihn an. Er trug ein weißes Hemd, darüber eine perfekt sitzende Fünfknopfweste und das dazugehörige Jackett in grau, welches sich in seinem blau-grau karierten Kilt und seiner Krawatte wiederfand, darunter dunkelbraune Lederschuhe, deren Schnürung bis zur Mitte seiner Schienbeine reichte und damit seine hellgrauen hochgezogenen Socken zierte. „Gavin“, entfuhr es ihr überrascht. Nie wieder würde sie sagen, dass sie Männer in Röcken nicht ernst nehmen konnte. Dieser Mann war Sex pur! „Wow“, entfuhr es indes ihrem Gegenüber, sah sie eindringlich an, während seine Hand auf ihrer Schulter ruhte, sie die von ihr ausgehende Hitze spürte, förmlich auf ihrer Haut brannte. Vermutlich hatte er nach ihr gegriffen, als sie aufgrund des Aufpralls regelrecht zurückgetaumelt war, doch sie konnte sich nicht erinnern, war zu gebannt von dem Anblick den er ihr bot. Für einen Augenblick standen sie regungslos da, sahen sich einfach an, bis er abrupt seine Hand von ihr löste, eine seltsame leere auf ihrer Haut hinterließ. „Es erscheint ja beinahe zwanghaft, wie sie mich beobachten, mich fast schon lüstern mustern, Isabella“, ertönte seine raue Stimme, sein Blick erfüllt von Schalk. Wie gerne hätte Isi ihm etwas entgegengesetzt, etwas Freches gekontert, doch für den Moment war sie einfach sprachlos. Ihr Schweigen schien ihn zu faszinieren, sodass er einen Schritt nähertrat: „Hat Ihnen gefallen, was Sie gesehen haben?“, hauchte er förmlich in Ihr Ohr. Sofort schossen ihr die Bilder des vorherigen Abends in den Kopf, lösten sie aus ihrer Schockstarre. Fassungslos riss sie die Augen auf, welche wütend aufblitzten: „Sie haben vor meinen Augen eine Frau….“, stockte sie abrupt, biss sich auf ihre Unterlippe. „Gefickt?“, beendete er ihren Satz gelassen, während seine Mundwinkel merklich zuckten. Isi schluckte angesichts seiner derben Wortwahl, worauf sich sein Mundwinkel nun amüsiert nach oben zogen: „Angesichts Ihres losen Mundwerks überrascht mich ihre Verklemmtheit zugegebenermaßen ein wenig.“, lachte er leise. Er machte sich über sie lustig. „Sie sind ein Teufel“, ging sie ihn forsch an, worauf er sie mit festem Griff am Arm packte und dicht an sich zog: „Und Sie scheinen unbedingt mit dem Teufel spielen zu wollen“, grinste er süffisant, bevor er tief durchatmete, sich zu besinnen schien: „Und nun entschuldigen Sie mich, meine Tochter heiratet in einer halben Stunde. Als Brautvater sollte ich nun wirklich nicht unpünktlich sein.“, fuhr er ruhig fort, ließ seine Hand behutsam, kaum merklich über ihren Arm gleiten, den er zuvor mit festem Griff umschlossen hatte, wandte sich ab und ging.  

Leon stand neben einem hölzernen rustikalen Stuhlpaar unterhalb des Traubogens, welcher inmitten der großen Wiese des Gutshauses aufgebaut war, umgeben von aufgereihten Stühlen, auf denen bereits alle Hochzeitsgäste Platz gefunden hatten. Er wirkte nervös, nestelte an seinem traditionell blau-braunen Kilt herum, schob den Stoff seines Hemdes weiter sorgfältig hinein, bevor er erneut die Knöpfe seines Jacketts überprüfte und seine Fliege richtete. Er sah toll aus!

In den ersten beiden Stuhlreihen hatten sich die Familien des Brautpaares niedergelassen, auch Yules engste Familie schien vollständig zu sein. Ihre Mutter, eine schlanke zierliche Frau mit langen rotblonden Haaren, welche sie zu einem wunderschönen Zopf geflochten hatte, neben ihr eine alte Dame mit weißen Haaren, vermutlich ihre Großmutter, und ein junger Mann, wie sollte es anders sein in einem Kilt und einem weißen Hemd. Doch eines an seinem Outfit war nicht stimmig – seine Dreadlocks. Isi schmunzelte amüsiert. Der traute sich was! Neben ihm saß eine junge Frau, ihre kurzen braunen Haare zu einer frechen Frisur hergerichtet und auf ihrem Schoß ein Baby, vielleicht grade einmal ein halbes Jahr alt und dennoch trug er, zumindest vermutete sie, dass es ein kleiner er war, einen winzigen Kilt und ein weißes Hemd. Sie hob eine Augenbraue, ein Stuhl in der Reihe war frei. Gavin, welchen sie tatsächlich seit ihrem Aufeinandertreffen nirgends mehr hatte ausmachen können.

Um sie herum wurde es leise, die Gespräche verstummten als ruhige Klaviermusik ertönte, ‚Thousand Years‘ von Kathie Perry anstimmte. Isi sah zur Seite und erblickte tatsächlich ein Klavier, an dem ein junger Mann saß, neben ihm eine Cellistin, welche zaghaft mit einstimmte, dazu ein Mann in traditionellem Kilt. Unter seinem Arm ein Dudelsack, der nun ebenfalls in das Lied mit einstimmte, Isi eine Gänsehaut über den Körper jagte. Eine ungewöhnliche und dennoch traumhafte Kombination. Langsam drehten sich die ersten Köpfe nach hinten, auch Leon hatte sich herumgedreht, hatte seinen Blick fest auf den Mittelgang gerichtet. Innerhalb nur weniger Augenblicke hatte sich bereits ein glänzender Schleier über seine Augen gelegt. Isi folgte seinem Blick, sah Yule in einem unglaublich bezaubernden weißen Spitzenkleid, über ihren Schultern ein Plaid aus blau-braunem Tartan Stoff, ihre Haare aufwendig geflochten, ihren Arm bei ihrem Vater untergehakt, welcher ihre Hand fest mit seiner umschloss, sein Blick voller Stolz. Unbewusst beobachtete sie diesen faszinierenden Mann, wie anders er wirkte, wie elegant, wie anmutig, wie unglaublich sanft und liebevoll. Er war ein Vater, ein stolzer Vater.
Als sie Leon erreichten, reichte dieser Gavin die Hand, welcher sie ergriff und ihn zu seiner offensichtlichen Verwunderung in eine Umarmung zog, ihm dabei jedoch etwas ins Ohr flüsterte, was Leon für einen kurzen Moment die Farbe aus dem Gesicht weichen ließ. Gavin lächelte, klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter und reichte ihm die Hand seiner Tochter. Eine kleine und dennoch unglaublich emotionale Geste, die auch Isi unwillkürlich die Augen feucht werden ließ. Sie schluckte, spürte eine sanfte Berührung an ihrer Hand. Greg hatte sie fest mit seiner umschlossen, sah sie mit einem liebevollen Lächeln an.

Kilt vs. Cargo Hose - Können Männer in Röcken sexy sein?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt