Worte und ihre Wirkung

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„Leon, Yule“, ergriff Gavin das Wort nachdem er sich erhoben hatte. Sie saßen allesamt an einer großen Tafel im Garten des Gutshauses, der Tisch liebevoll dekoriert, um sie herum, in den Bäumen kleine Lampions, die die Feierlichkeit im Laufe des Abends erhellen sollten. Zwischen zwei Bäumen war eine kleine Bühne aufgebaut, auf der sich bereits vier Musiker vorbereiteten. Isi war gespannt was der Abend noch so bringen sollte. „In der Vergangenheit hatten Leon und ich unsere Kommunikationsschwierigkeiten, ob diese nun auf seine, entschuldige Leon, miserablen Englischkenntnisse zurückzuführen sind oder auf meine zugegebenermaßen recht hohen Ansprüche an den Mann an der Seite meiner Tochter, sei mal dahingestellt. Einen Teil davon jedoch möchte ich heute ausschließen. Daher habe ich mich entgegen aller Erwartungen und hitzig geführter Diskussionen mit meiner Tochter tatsächlich dazu entschieden meine Rede auf Deutsch zu halten. Leon, das ist mein Geschenk an dich und jeder der mich kennt, weiß um dessen Bedeutung.“  Er atmete tief durch, nahm einen Schluck aus seinem Whiskyglas, bevor er mit seinem unglaublich charmanten Akzent fortfuhr: „Manchmal habe ich das Gefühl zu lange geschlafen zu haben. Habe ich dich nicht gestern erst aus dem Krankenhaus abgeholt und zu uns nachhause gebracht? Und heute sitzt du hier und bist verheiratet. Irgendetwas muss doch in der Zwischenzeit passiert sein. Natürlich, wenn ich so darüber nachdenke, fallen mir schon einige Dinge ein. Zum Beispiel damals als du mir mit grade einmal vier Jahren erklärt hast, dass dein Leben ein Scherbenhaufen ist, und warum, weil ich dir ein zweites Eis verweigert habe oder als ich in die Schule bestellt wurde, weil du einen Jungen in deiner Klasse verprügelt hast, warum, weil ich dir gesagt habe, dass du dich jederzeit zur Wehr setzen musst. Oder erst kürzlich als du mir erklärt hast, was es für dich heißt zu lieben.
Und trotzdem hat man als Brautvater das Gefühl, dass die Zeit unglaublich schnell vergangen ist. Ich wäre nicht böse gewesen, dich noch ein paar Wochen länger auf meinem Schoß zu haben, dich zu beschützen, für dich zu sorgen und dir Geschichten zu erzählen. Aber so funktioniert das Leben nicht. Heute hast du Leon an deiner Seite, der sich beschützt und für dich sorgt. Ich hoffe allerdings, dass er dir keine Geschichten erzählt, sondern immer ehrlich zu dir ist.
Leon, wir vertrauen dir heute das Kostbarste an, was Eltern haben: unsere Tochter. Ich hatte immer Schwierigkeiten mit der Tradition der Übergabe der Braut, weil man in meinen Augen nur Gegenstände übergeben kann. Aber das Gefühl, dass diese Tradition zum Ausdruck bringt, kann ich sehr gut nachvollziehen. Es ist tatsächlich so, dass ich Yule heute habe gehen lassen und dass sie sich dir mit ihrem ganzen Herzen und ihrem ganzen Wesen anvertraut hat. Ich habe das schon einige Male durchmachen müssen. Zum Beispiel, als ich sie in die Kita, die Schule, ins Auslandsjahr und endgültig nach Deutschland habe gehen lassen. Jedes Mal war es ein Gefühl von loslassen.
Was mich nur sehr beruhigt: Jedes Mal hat es dir gutgetan, Yule, wenn du selbstständig sein durftest. Du bist zu einem stärkeren, eigenständigeren und glücklicheren Menschen geworden. Es war gut, dich loszulassen, damit du deinen eigenen Weg finden konntest. Und deswegen bin ich auch jetzt nicht traurig, sondern glaube fest daran, dass es auch heute gut ist, dich gehen zu lassen, damit du gemeinsam mit Leon dein Glück findest. Ich hoffe fest, dass ich dich auch dieses Mal nicht endgültig loslasse, sondern dass wir auch in Zukunft eine feste Bindung haben und ich für dich und euch da sein darf. Ich wünsche euch alles Glück der Welt. I love you, my little girl“, schloss er mit brüchiger Stimme ab, räusperte sich während seine Augen kaum sichtbar glitzerten. Yule erhob sich von ihrem Platz, ging schnellen Schrittes zu ihrem Vater und schloss ihn mit Tränen in den Augen fest in den Arm. „Ich liebe dich, Dad“, flüsterte sie.
Isi war sprachlos, eine solch emotionale liebevolle Seite hatte sie an diesem Mann nicht erwartet, war er ihr gegenüber doch bisher mit einer unfassbaren Arroganz aufgetreten. Sie zögerte, bis auf einen winzigen Augenblick, in dem er behutsam mit seinen Fingern über ihre Haut gestrichen hatte, sie mit einem Kribbeln, einem Brennen eben genau an dieser Stelle verwirrt zurückgelassen hatte. Erneut räusperte sich Gavin: „Ich brauche jetzt eine Zigarette“, bemerkte er spitzbübisch, schob seine Tochter zu Leon, stand auf und verließ den Tisch.

Isi zögerte einen Moment, bis sie ihren Stuhl zurückschob und nach ihrer Tasche griff. „Spar es dir heute einfach, Greg, in Ordnung?“, fuhr sie ihrem Sitznachbarn über den Mund, bevor er überhaupt das Wort ergreifen konnte. Mit großen Augen sah er sie an. Sie trat näher an ihn heraun, hauchte ihm einen Kuss auf die Wange und verschwand lächelnd.

„Das war eine unglaubliche Rede, Gavin“, bemerkte Isi lächelnd, als sie neben ihn in die auserwählte Rauchernische trat, erstaunt darüber, dass auch er nun immer dort zu rauchen schien. Provozierte er die Begegnungen mit ihr etwa? Ruhig klemmte sie sich eine Zigarette zwischen die Lippen. Noch bevor sie ihr Feuerzeug hervorholen konnte, vernahm sie seine Hände vor ihrem Gesicht und die Flamme vor ihrer Zigarette. „Danke“, murmelte sie, sah ihm fest in die Augen, bevor er wieder einen Schritt zurücktrat und das Feuerzeug in seinem Jackett verschwinden ließ.
„Sieh an, der Teufel kann ja sanft sein wie ein kleines Lamm“, stellte sie keck fest, sah ihn herausfordernd an. „Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet“, erwiderte er beiläufig, ihre Bemerkung vollends ignorierend und zog an seiner Zigarette, während sich seine Lippen zu einem Grinsen verzogen. Fragend hob sie eine Augenbraue. „Hat Ihnen gefallen, was sie gesehen haben?“, widerholte er seine Frage. Sie spürte förmlich wie ihr die Röte ins Gesicht stieg. Ihr Unterbewusstsein kannte die Antwort, auch wenn sie sich sie nur ungerne eingestand. Nervös biss sie sich auf die Unterlippe: „Lassen Sie das“, fuhr Gavin sie an, was augenblicklich Erinnerungsfetzen ihres Traumes hervorrief. Wie konnte das sein? Mit einem Mal stand er unmittelbar vor ihr, hatte in ihren Gedanken nicht bemerkt, dass er sich ihr erneut genähert hatte: „Sie war eine schlechte Alternative“, erklärte er mit ruhiger Stimme. Perplex sah sie ihn an: „Wie bitte?“, entfuhr es ihr überrascht, worauf er sich ihr einen weiteren Schritt näherte, nun nur noch wenige Zentimeter vor ihr stand, ihr sein angenehmer Duft an die Nase drang: „Wären Sie nicht in einer Beziehung, Isabella, wären Sie es gewesen, die ich gepackt hätte aber….“, er zuckte mit den Schultern „….bedauerlicherweise tue ich so etwas bei vergebenen Frauen nicht.“ „Bedauerlicherweise?“, entfuhr es Isi, fassungslos über die Selbstverständlichkeit seiner Aussage, dennoch verspürte sie ein seltsames Gefühl, eine angenehm wohlige Wärme, die sich langsam in ihrem Körper ausbreitete. Er wollte sie also tatsächlich!? Er schmunzelte, leckte sich zaghaft über seine Lippen: „Allerdings, für einen Wildfang wie Sie wäre es eine Bereicherung, wäre ich eine Bereicherung“, erklärte er, während er ihr fest in die Augen blickte. Isi schüttelte den Kopf: „Verdammt, wie kann man so arrogant und überheblich sein?“, entfuhr es ihr beinahe lachend. Diesmal war er es, der sich auf die Lippe biss: „Wie kann sich eine dermaßen beeindruckende, faszinierende Frau so unter Wert verkaufen, ihr Potenzial derart ignorieren...“. Langsam näherte er sich ihren Lippen, stoppte wenige Millimeter davor, sodass sie seinen beschleunigten Atem deutlich auf ihrer Haut vernahm „….sich so kleinhalten lassen“, fuhr er beinahe tonlos fort. Isi schluckte schwer, spürte wie sich auch ihr Atem beschleunigte, spürte, wie die Luft zwischen ihnen zu glühen begann, sich binnen Sekunden eine unfassbare, kaum erträgliche sexuelle Spannung zwischen ihnen aufbaute. Fuck! Er war zum Greifen nah, musste lediglich die wenigen Millimeter zwischen ihnen überwinden, doch sie wartete ab, spürte wie sich langsam die Feuchte in ihren Slip schlich. „I will not do it“, flüsterte Gavin atemlos. Isi zögerte, haderte mit sich, bis sie seine Lippen kaum spürbar an ihren vernahm, lediglich ein Hauch, ein minimaler Kontakt, der wie ein Blitz durch ihren gesamten Körper schoss, eine kaum erträgliche Gänsehaut über ihren Körper jagte. Ihr Herz hämmerte gegen ihre Brust, ihr Atem überschlug sich beinahe. „Wir sollten zu den anderen zurückkehren.“, flüsterte sie kaum hörbar, ihre Stimme zittrig, angespannt. Gavin schluckte merklich, führte seine beinahe vollständig verglühte Zigarette an seine sanften, weichen Lippen. Gebannt beobachtete Isi wie sie sich zaghaft um die Zigarette schlossen, er genüsslich daran zog, bevor er sie in den Mülleimer neben sich schnippte und sie ohne weiteres Wort alleine zurückließ: „Ach du scheiße!“, fluchte sie leise.

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