Kapitel 103. Geheime Organisation

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Ora wachte am nächsten Tag kurz vor 8 Uhr neben Rewe auf.
Diese strich ihr sanft über die Schulter.
"Guten Morgen, Sonnenschein!", sagte sie, "Hast du deinen kleinen Rausch genug ausgeschlafen?"
"Ach was, Rausch, so viel hab ich dann doch nicht getrunken!", sagte das Mädchen, "Ich war nur etwas müde!"
"Anscheinend genug, dass du mich garnicht so spät Nachmittags bei offener Badezimmertür in das Badewasser von gestern geworfen und nicht sehr sanft entkleidet hast!", sagte die Frau, "Aber reden wir nicht darüber... hast du gut geschlafen? Wie fühlst du dich?"
"Ganz gut, aber... krieg ich meine Prothesen wieder?", fragte der Drache, "Schön und gut, dass sie beim schlafen etwas unbequem sind, aber ich fühle mich nicht besonders gut, ohne, verstehst du?"
"Wieso?", fragte die Erwachsene.
"Weißt du, ich... ich mag das Gefühl nicht, nicht weglaufen zu können!", sagte die Königin, "Das mit dem Fesseln ist doch noch etwas anderes als wenn ich mich bewegen aber nicht laufen kann, weißt du? Ich... ich bin ein ziemlich ängstliches Wesen und... ich vertraue dir, deshalb lasse ich mich von dir auch festhalten, aber... ich mag das Gefühl nicht, dass mir zwei meiner Gliedmaßen fehlen! Ich weiß, das ist nur Metall, aber ich fühle mich damit irgendwie sicherer... wenn du verstehst..."
"Klar verstehe ich!", sagte der Vogel, "Lass mich dir helfen!"
Sie hob die Prothesen vom Boden auf, die sie dort hin gelegt hatten.
"Ich wärme sie ein wenig auf, ja?", fragte sie, "Damit sie nicht so eiskalt sind!"
"Das wäre toll!", sagte die Drachin und lächelte.
"Möchtest du deinen Verband mal wechseln?", fragte der Papagei, "Der ist ja schon ganz gelb! Ich bring dir Verbände!"
Sie stand auf, legte die Prothesen vor den Kamin und holte Verbandszeug aus dem Bad.
Dann setzte sie sich wieder ins Bett.
Sie nahm ihrer Freundin den Verband ab und wickelte ihr Bein neu ein.
Dann half sie ihr beim Anlegen der leicht aufgeheizten Prothesen.
"So, jetzt siehst du wieder aus wie neu!", sagte sie und strich ihr über die Wange.
"Das ist schön!", sagte Ora und lächelte, "Aber sag mal... kannst du dich dran erinnern, was in dem Geschenk war, das wir von Paps bekommen haben? Ich weiß, dass wir es aufgemacht haben, aber nicht mehr, was drin war!"
"Ein einfaches starkes Seil war drin!", sagte die Frau, "Und ein Zettel auf dem stand, ich soll gut zu dir sein! Wir werden sehen, was wir damit machen! Und gut zu dir bin ich sowieso!"
Sie drückte ihr einen Kuss auf die Wange.
"Was machen wir heute?", fragte der Drache
"Was möchtest du machen?", fragte die Erwachsene zurück, "Heute entscheidest du!"
"Ich... ich möchte vielleicht in Troyes nochmal vorbei sehen!", sagte die Königin, "Nicht bei diesen Polizisten und Tierärzten, einfach so! Ich möchte Frankreich etwas besser kennenlernen!"
"In Ordnung!", sagte der Vogel, "Ich komme mit dir! Alleine in eine Stadt gehen darf mein Kleines nicht!"
Die Drachin kicherte.
Sie drückte ihre Freundin gegen das Kopfteil und küsste ihren Hals.
Der Papagei seufzte leise.
"Wir haben beide Tricks, nicht?", fragte sie, "Wir wissen beide, wie man den anderen weich macht!"
"Allerdings!", flüsterte Ora und grinste.
Sie drückte ihr einen Kuss auf die Lippen.
"Ich glaube, ich habe sogar schon eine Idee, was wir mit dem Seil machen!", sagte Rewe, "Ich könnte..."
Sie murmelte etwas unverständliches.
Das Mädchen legte die Ohren an.
"Ach egal, jetzt gehen wir erst in die Stadt!", sagte die Frau schließlich.
Der Drache schlug fröhlich mit dem Schweif.
"Gehen wir!", sagte sie und sprang aus dem Bett.
Die Erwachsene kicherte.
Sie stand ebenfalls auf.
Sie machten sich fertig und verschwanden nach einem Besuch bei Phoenix in Troyes.

"Also, was machen wir hier?", fragte der Vogel.
"Sehen wir uns um!", sagte die Königin, "Diese Stadt ist hier in Frankreich die Stadt der Romantik! Das ist doch perfekt für uns, nicht wahr?"
"Auf jeden Fall!", sagte ihre Freundin und lächelte.
Sie gingen weiter in die Stadtmitte.
Dort herrschte auch außerhalb des bestehenden Weihnachstmarkts großes Treiben.
"Wenn man's so nimmt, dann ist Weihnachten doch ganz schön!", sagte die Drachin, "Zumindest, wenn keine Priester in der Nähe sind!"
Der Papagei kicherte.
"Sehen wir uns um!", sagte sie.
Sie gingen etwas durch den Markt.
"Teilen wir uns auf!", sagte Ora nach einer Weile, "In fünf Minuten treffen wir uns wieder hier!"
Sie gingen in verschiedene Richtungen und trafen sich kurz darauf wieder.
"Hast du was gefunden?", fragte Rewe, "Nur Essensstände, oder? Du hast da Soße!"
Sie zeigte auf ihre eigene Wange.
"Da hat das Leckermäulchen wohl Überhand genommen, wie?", fragte sie.
"Ein bisschen!", sagte das Mädchen und grinste, "Hast du was Gutes gefunden?"
"Ich hab ein Riesenrad gefunden!", sagte die Frau, "Und damit will ich fahren!"
"Im Ernst?", fragte der Drache, "Wir können auch einfach fliegen!"
"Aber da müssen wir nicht selber fliegen!", sagte die Erwachsene, "Außerdem ist es unauffälliger! Und in diesen Kabinen hat man seine Ruhe zu zweit!"
Die Königin lächelte.
"Also gut!", sagte sie, "Dann fahren wir!"
Sie gingen näher an das riesige Rad heran.
Vor dem Eingang wurden sie aber von einer großen Menschenmenge aufgehalten.
"Was ist denn hier los?", fragte der Vogel.
"Irgend ein Wettbewerb, ich hab aber nicht verstanden, welcher!", sagte die Drachin, "Schätze, wir müssen warten!"
"Hmm... da uns hier niemand kennt, darf ich dir doch ein Küsschen geben, oder?", fragte der Papagei, "Zum Zeitvertreib!"
"Wenn du möchtest, kannst du mir ein Wangenküsschen geben!", sagte Ora, "Ein normales Küsschen ist zu auffällig!"
"Och!", sagte Rewe traurig.
Das Mädchen kniff die Lippen zusammen.
"Also gut!", sagte sie leise, "Aber nur ein ganz klein...mmf.."
Noch bevor sie fertig gesprochen hatte, hatte sie schon die Lippen ihrer Freundin auf den eigenen.
Auch, wenn sie kaum eine Sekunde so verharrten, wusste sie danach nicht mehr, was sie sagen wollte.
"Das war ein ganz kleines!", sagte die Frau und grinste.
Der Drache knurrte.
In diesem Moment wurden sie von einem grellen Licht geblendet.
Sie kniffen die Augen zu und sahen zu dem Riesenrad, von dem es kam.
Kurz darauf kam ein Mann zu ihnen.
"Hey, ihr zwei!", sagte er, "Ihr habt eine Tageskarte für alle Fahrgeschäfte auf dem Markt gewonnen!"
"Bitte?", fragte die Erwachsene ungläubig, "Wie denn das?"
"Habt ihr die Durchsage vorhin nicht gehört?", fragte der Fremde.
"Wir waren zu weit weg!", sagte die Königin.
"Dann erklär' ich's euch!", sagte der Erwachsene, "Wir haben für das süßeste Pärchen auf dem ganzen Platz eine Karte vergeben! Das machen wir jeden Tag mit verschiedenen Themen! Die Gewinner werden zu Marktprinzen oder -prinzessinen! Und ihr habt heute gewonnen! Die Jury hat euch gesehen und ihr wart sofort Gewinner! Da ihr nichts mitgekriegt habt, habt ihr euch keine Mühe gegeben, das war wahrscheinlich der Grund! Aber ihr zwei seid echt süß zusammen!"
"Wieso sagen immer alle, dass wir süß sind?", fragte der Vogel.
"Das habt ihr vielleicht so an euch!", sagte der Mann, "Kommt mit, dann dürft ihr mit jedem Fahrgeschäft fahren!"
"Das freut uns doch, oder?", fragte die Drachin und sah ihre Freundin an.
"Allerdings!", sagte der Papagei und lächelte, "Aber selber gelaufen wird hier nicht!"
Sie hob sie ohne Vorwarnung hoch.
Ora atmete erschrocken ein und hielt sich an ihr fest.
"Hey!", sagte sie belüstigt, "Ich kann immernoch selber laufen!"
"Sicher?", fragte Rewe, "Versuch's doch!"
Das Mädchen versuchte, sich aus ihren Armen zu zwängen, doch schaffte es nicht.
Sie verschränkte die Arme.
"Gemein!", sagte sie gespielt wütend.
Die Frau kitzelte sie, weshalb sie quiekte.
"Gehen wir!", sagte diese.
Der fremde Mann schmunzelte.
"Folgt mir!", sagte er.
Die drei gingen zusammen zu dem großen Fahrgeschäft.
Dort standen einige Leute, die ebenfalls schmunzeln mussten, als sie die beiden sahen.
"Da sind ja die Gewinnerinnen!", sagte eine ältere Frau, "Herzlichen Glückwunsch!"
Sie schüttelte dem Drachen die Hand.
"Das zählt für uns beide!", sagte die Erwachsene, "Sonst müsste ich sie runter lassen und das geht nicht!"
Die Menschen kicherten.
"Ihr habt Humor, das gefällt mir!", sagte die Frau, "Ich darf euch beiden die Auszeichnung überreichen und dann könnt ihr machen, was ihr wollt! Vorrausgesetzt, ihr stellt keine Dummheiten an!"
"Machen wir nicht!", sagten die Freundinnen gleichzeitig.
"Das dachte ich mir!", sagte die ältere Dame.
Sie setzte jeder von ihnen ein Diadem aus Plastik auf und überreichte ihnen die Karten.
"Jetzt seid ihr offiziell Marktprinzessinnen!", sagte sie und klatschte.
Die anderen Leute, die in der Nähe standen, stimmten mit ein.
"Also, was wollt ihr zuerst fahren?", fragte der Mann, der sie zuvor geholt hatte.
"Ihr habt doch nichts dagegen, wenn wir gleich hier rechts abbiegen, oder?", fragte der Vogel und zeigte auf den Eingang des Riesenrads.
"Natürlich nicht!", sagte der Erwachsene, "Aber da drin musst du deine Freundin runter lassen!"
"Klar doch!", sagte der Papagei, "Aber erst da drin!"
"Gut, dann kommt gleich mit!", sagte der Mann und führte sie zum Eingang, während sich der Menschenauflauf langsam auflöste und sich einige in eine Reihe hinter sie stellten.
Rewe ließ Ora erst hinunter, als sie eingestiegen waren.
"Bereit?", fragte der Erwachsene.
"Klar!", sagte das Mädchen.
"Dann sehen wir uns in einer halben Stunde!", sagte der Mann.
Er schloss die Tür und kurz darauf fuhren sie los.

Die Königin der DrachenWhere stories live. Discover now