|9|

118 18 34
                                    

Nachdem ich Vincent mein Herz ausgeschüttet habe und er mir versichert hat, dass alles gut werden wird, bin ich etwas beruhigter als vorher. Ich habe zwar keinen Job mehr, doch es ist nicht so, als würde es mich stören. Ganz und gar nicht. Ich bin sogar froh darüber. Diese Erleichterung, die ich in mir gespürt habe, als George mich gekündigt hat, war unbeschreiblich gewesen.

Ich kann wieder atmen und auch wenn ich richtig Scheiße gebaut habe, fühle ich mich gut. Weil ich weiß, dass es jetzt wieder bergauf geht. Kein Chef, dem ich irgendetwas schuldig bin.

Als ich mir gerade ein Wasser in meiner Küche einschütte, klingelt es an der Tür. Durch die Kamera kann ich sehen, dass es sich um Sophia handelt. Ich öffne ihr und kurz darauf kommt sie auch schon durch die Fahrstuhltür hindurch.

«Hey», sagt sie, während sie ihren Kopf seitlich legt und mich mit mitfühlendem Blick ansieht.

Weiß sie Bescheid?

«Hat George es etwa schon verkündet?»

«Nein», erwidert Sophia und legt ihre Hand auf meine Schulter. «Du musst da nicht alleine durch, Süße.»

Wenn es auf der Arbeit noch nicht breitgetreten wurde, woher weiß sie es dann?

Sophia macht einen Schritt in die Wohnung und schließt die Tür hinter sich, während ich seufzend in die Küche laufe und uns einen grünen Tee zubereite.

«Ich weiß es von Vincent.»

«Du hast Kontakt zu meinem Freund?», frage ich verwundert, woraufhin sie mich irritiert anlächelt. 

«Na klar. Ich kenne ihn länger als du.»

Ist das so? Stirnrunzelnd nicke ich,  obwohl mich diese Information gerade überfordert.

«Ich hab ihn dir empfohlen. Als Makler ... Schon vergessen?»

«Ja ... nein ... Sag mal, woher kennst du ihn nochmal?»

Vielleicht hat er ihr auch eine Wohnung vermittelt. Wer weiß?!

«Naja», belächelt sie die Frage. «Er ist doch mein Ex.»

Ihr Ex ... Ja na klar, was auch sonst? Obwohl sie getrennt sind und Sophia mir offensichtlich Vincent vorgestellt hat, stört es mich. Die beiden waren sicherlich intim miteinander und hatten, egal wie lange sie auch ein Paar waren, schöne Zeiten zusammen. Nun komme ich mir komisch vor, wenn ich mit einem von den beiden spreche. Vor allem, weil ich mich an weniger erinnern kann, als Sophia oder Vincent. Was diesem sagenhaften neuen Leben geschuldet ist.

«Also, was hast du jetzt vor?»

«Wenn ich das nur wüsste», schnaufe ich und lasse mich auf den Küchenstuhl nieder. 

Auch Sophia setzt sich zu mir und taucht den Teebeutel immer wieder in ihre Tasse. Wie immer sieht sie perfekt aus. Außergewöhnlich und äußerst modisch. Immer, wenn ich sie sehe, hat sie etwas extravagantes an. Kaum einer würde sich trauen, so mit Stoffen oder Farben zu experimentieren, aber sie hat ein Auge dafür und es steht ihr unheimlich gut. Was sie wohl in diesem Unternehmen macht, wenn sie doch eigentlich ein Händchen für Mode hat?

«Gott, du siehst alt aus», platzt es aus ihr heraus und gleichzeitig entschuldigt sie sich mit ihrem Blick.

«Tut mir leid, Vio, aber ich glaube, diese ganze Sache mit George hat dich einfach fertig gemacht. Guck dir mal deine Augenringe an und ... sind das Stressfalten auf deiner Stirn?»

Seufzend stehe ich auf, gehe in den Flur und sehe mich im Spiegel an. Tatsächlich sehe ich nicht mehr so strahlend und glücklich aus, wie vor ein paar Tagen, als ich in dieses neue Leben befördert wurde. Bedrückt gehe ich zurück und setze mich wieder an den Tisch.

Save MeWhere stories live. Discover now