#37 Ich bin schuld

41 4 0
                                    

18:24 Felix
'Treffen wir uns am Wochenende nochmal? Ich könnte Samstag und Sonntag.'

Kurz zuckten meine Mundwinkel nach oben, was aber nicht lange anhielt, obwohl ich mich schon irgendwo über seine Nachricht freute. Meine Freude hatte aber nicht den nötigen Platz, weil andere Gefühle sie gerade verdrängten. All die Selbstzweifel, die Ängste und die Vorwürfe, die ich mir machte, prasselten wie starker Hagel auf mich nieder, womit kein positiver Keim wachsen konnte.

Darum brauchte ich auch ein paar Minuten, um überhaupt zu antworten.

18:40 Ich
'Klar, von mir aus schon Samstag.'

Mit trauriger Miene sperrte ich mein Handy, das ich sanft auf meine Brust legte. Wie zu oft in letzter Zeit führte mich mein Weg ins Bett, anstatt an den Computer, der normalerweise mein Zufluchtsort Nummer eins ist. Die Zeit verging hier irgendwie anders. Nicht so radikal schnell, sondern sanfter, als wenn ich mich aktiv beschäftigte. Hier hatte ich den Platz um zu träumen, was ich auch jetzt tat.

In Gedanken versunken entging mir sogar, dass Felix direkt zurückgeschrieben hatte.

18:41 Felix
'Welche Uhrzeit?' 

Seine Nachricht fühlte sich kalt an, was sich von meinen wahrscheinlich auch sagen lässt. Stark überlegte ich darum, ob ich nicht mehr Enthusiasmus in meine Worte legen sollte, womit ich schon wieder etwas spielte, was nicht der Wahrheit entsprach. 

18:59 Ich
'Meine Tür steht den ganzen Tag offen, kannst kommen wann du willst :3'

Bei meinen Zeilen verzog ich das Gesicht. Die Art mich auszudrücken spiegelte nicht annähernd wider wie ich mich fühlte. Trotzdem zeigte genau das Wirkung. Glücklicherweise war es einfacher Emotionen über Nachrichten zu fälschen als in der Wirklichkeit, was mich zusätzlich auch weniger Energie kostete.

19:01 Felix
'13:30? Ist das okay? Wenn du magst, können wir vorher was Essen, ich geb aus :D'

Bei seiner Antwort entglitt mir ein Lächeln. Doch keines, das aus Freude oder Glückseligkeit entsprang, sondern eher ein spöttisches, leicht sarkastisches. Er ist nicht derjenige, der hier irgendwem das Essen zahlen sollte, was er auch ganz genau weiß. Darum versuchte ich einfach das Gegenteil zu bestimmen. So schrieb ich ihm, dass ich damit nicht einverstanden wäre und ich nicht mitesse, wenn er zahlt, was er widerwillig akzeptierte. Jetzt schlich sich doch ein ehrliches Lächeln auf meine Lippen, wonach ich ihm den Standort von einem Ort schickte, wo ich gerne essen würde.

19:12 Felix
'Alles klärchen! Ich freu' mich schon :)' 

19:13 Chan
'Ich mich erst :3'

Ob er sich wirklich freut? All die Emojis wirkten so gestellt, was aber auch an meinem heutigen Befinden liegen könnte. In diesem Zustand fühlte sich alles falsch an und auch war ich zu nichts Sinnvollem mehr zu gebrauchen. Darum ließ ich auch die Videos für heute unberührt und widmete mich meinem Netflix-Account, wo ich einen Film nach dem anderen anfing, bis ich endlich einen fand, den ich interessant genug fand, um ihn anzulassen.

Zum Kuscheln nahm ich mir die Decke, die ich mir mit Felix teilte, wobei ich die andere zum Zudecken nutzte. Damit hatte ich es kuschelig warm, während ich von einem Geruch umgeben war, der mir ein wärmendes Gefühl um mein Herz legte. Obwohl er nur eine Nacht hier geschlafen hatte haftete sein Beruf stark an dem Stück Stoff, was ich fest umklammerte.

Schneller als erwartet schlief ich so auch ein und wachte sogar mit mehr Energie auf, als ich gedacht hätte. 

Diese Chance nutzte ich, um die Videos zu bearbeiten, was mir gut gelang. Den ganzen Tag hatte ich damit zugebracht, womit unser Projekt so gut wie fertig wäre. Nur noch eine Fragerunde und das Handout mussten wir erstellen, was ich morgen zusammen mit Felix machen würde, den ich anfing schrecklich zu vermissen.

Dieses Wochenende wäre das Letzte der Ferien, was mir auch meine besten Freunde nochmal ins Gesicht drücken mussten. Sie waren inzwischen etwas sauer, weil ich mir für sie keine Zeit in den Ferien genommen hatte, wofür ich ihnen nicht einmal einen Grund nannte. Stattdessen ignorierte ich all ihre Fragen und viele ihrer Kontaktversuche. Spätestens wenn die Schule startet hängen wir eh wieder aufeinander, dann wird sich ihr Zorn schon wieder legen.

Anders als es mit Felix laufen wird.

Wahrscheinlich werden wir in der Schule kaum bis gar nicht miteinander reden, womit unser Kontakt vielleicht im Sande verlaufen könnte. Dieser Gedanke zerriss mir schon jetzt das Herz, was mir die Tränen in die Augen trieb, die ich mir unsanft rieb. Ich erlaubte mir selbst nicht zu weinen, weil ich für das was passiert selbst verantwortlich war. Niemand anderen außer mir traf die Schuld, weswegen mir diese Emotion nicht gegönnt war.

Allerdings waren genau diese Gedanken der Auslöser dafür, warum ich das Nass in meinen Augen nicht mehr unter Kontrolle hatte. Obwohl ich es nicht wollte und ich dagegen ankämpfte, entrann mir die salzige Flüssigkeit, die mehr und mehr die gut riechende Decke unter meiner Wange befeuchtete, in die ich mich genau wie gestern Abend eingekuschelt hatte. Mein Herzschlag war inzwischen schon so heftig schnell, dass meine Brust immer mehr wehtat, was sich bis in meine Magengegend ausbreitete. Kläglich versuchte ich diese Schmerzen loszuwerden, indem ich mich etwas zusammenkauerte, was mich nur noch mehr in den Strom der Trauer sog.

Mit einem schmerzverzerrten Gesicht vergrub ich mich immer mehr in meinem Bett und versuchte das Schluchzen zu unterdrücken, das sich in meinem Hals bildete, was mir erstaunlich gut gelang. So ließ ich die stummen Tränen einfach laufen, die mich langsam in den Fluss der Träume leiteten.

Lemme pay with my currency || ChanlixWhere stories live. Discover now