𝚔𝚊𝚙𝚒𝚝𝚎𝚕 9.2

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3. März 14:16 Uhr, Highschool, Halcolne

Wir hatten all die Leichen überquert. Es war grauenvoll die jungen und zum Teil auch älteren Menschen regungslos auf dem Boden liegen zu sehen und genauestens zu wissen, dass sie nie wieder aufstehen würden. Unter anderem sah ich sogar unsere Sportlehrerin, was mir einen besonderen Schauer versetzte, da sie mich bei jedem Basketballspiel immer unterstützt und angefeuert hatte.

Hand in Hand standen wir vor dem Ausgang. Ich sorgte mich sehr um Alice, denn ich hatte große Angst, dass sie gleich einen Fehler begehen würde, den anschließend bereuen würde. Vielleicht irrte sich mein Bauchgefühl auch. Allerdings hatte es dies noch nie getan.

„Bist du bereit?", fragte sie mich und neigte ihren Kopf nach unten, um mich besser ansehen zu können. „Wenn du es bist, dann zu jeder Zeit", sagte ich entschlossen zu ihr und so öffnete sie die riesige Eingangstür, die normalerweise immer ein Tor in die Freiheit gewesen war.

Stattdessen hatten sich dort zahlreiche Polizisten mit erhobenen Waffen positioniert, die sich augenblicklich auf uns richteten, als wir die Tür hinter uns schlossen.

Einige Schüler und Lehrer standen ebenfalls um uns herum und beobachteten genau, was wir taten.

Ich hatte Angst. Alice hatte Angst. Was war hier nur los? Ich suchte die Menschenmenge nach meinem Vater ab und konnte ihn tatsächlich weit vorn erkennen. Er trug keine Waffe bei sich, was mich sehr erleichterte.

Neben ihm stand ein weiterer Mann, der so etwas wie ein vorgesetzter war. Er zögerte keine Sekunde und nahm das Megafon in die Hand, in welches er nur brüllte. Nebenbei konnte ich meinen Vater sehen, der sich die Hand vors Gesicht schlug, weil das alles vermutlich nicht so laufen sollte.

„Alice Mayberry, du bist umstellt. Lass die Waffe fallen und das Mädchen gehen. Es ist vorbei, sieh es ein."

Alice rührte sich nicht sofort. Sie blickte stur geradeaus, was ich von ihrem Seitenprofil erkennen konnte. Ihre Hände zitterten stark, doch sie behielt ihre Hand fest in meiner. Auch ich dachte nicht daran, sie loszulassen. Ich hatte gesagt, ich würde ihr beistehen und genau das würde ich auch tun.

Plötzlich fiel es mir ein. Alice dachte nach. Sie war kein Bauchmensch wie ich. Sie dachte vollkommen rational und überlegte sich eine Strategie, um hier herauszukommen. Leider waren die Möglichkeiten begrenzt und mir viel wirklich keine ein, die sie hätte anwenden können.

Sie atmete tief durch und begann in die Hocke zu gehen, sodass ich mit ihr nach unten gehen musste. Doch statt die Waffe fallen und meine Hand loszulassen, hatte sie nicht nur mich, sondern auch die ganze Menge hier getäuscht.

Mit einem Schwung riss es mich von den Beinen und ich fiel nach vorn, konnte mich aber gerade so mit den Händen abstützen.

Danach fühlte ich nur noch die kalte Pistole in meinem Nacken und hörte Alice schweres Atmen über mir.

„Wenn ihr schießt, schieße ich auch. Es liegt an euch", teilte sie den Sachverhalt den Menschen vor uns eiskalt mit und ich fragte mich gerade, ob sie das ernst meinte oder das nur eine Taktik war, um uns beide hier rauszubekommen.

„Alice, bitte", rief nun eine neue, mir vertraute Stimme ins Megafon. Mein Vater hatte dem anderen Mann dieses entrissen und sprach nun selbst hinein. „Jane ist meine Tochter. Ich liebe sie. Bitte... lass sie gehen. Du hast auch eine Familie, die sich Sorgen macht. Wenn nicht für mich, dann für sie..."

Ich hatte ihn noch nie so verzweifelt reden hören. Also musste die Lage um mein Wohlergehen ernster sein als ich dachte.

„Meine Familie?", rief Alice zurück und ich war erstaunt, was für ein lautes Stimmorgan sie besaß.

„Hättest du gern! Meine Familie interessiert sich nich im Geringsten für mich! Niemand hier tut das!"

Daraufhin schrie die Menge auf, weil sie es nicht gewohnt waren, Alice so laut sprechen zu hören. „Ihr sorgt euch doch nur um Jane, was ich verstehen kann. Aber tut nicht so, als würde ich euch in irgendeiner Art und Weise interessieren."

Ich betete zu Gott, dass Alice och eine bessere Strategie im Gepäck hatte, doch es sah leider sehr schlecht aus. „Alice", flehte ich kaum hörbar für all die anderen. Leider hörte mich Alice nicht mehr. Sie war in ihrem Tunnel gefangen. Der Tunnel, in den jedes Lebewesen gelangte, solange es um sein Leben bangen musste.

Warum es bei mir nicht so war? Wahrscheinlich weil ich wusste, dass Alice mir nichts antun würde.

Und, als hätte mich ein göttliches Wesen erhört, meldete sich nun eine Stimme zu Wort, die Alice wieder aus dem Tunnel brachte.

„Alice, tu das nicht!"

____𝚗𝚎𝚞𝚗𝚞𝚑𝚛𝚣𝚠𝚊𝚗𝚣𝚒𝚐.Where stories live. Discover now