ein Hauch von zu Hause

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Ich bin außer Hörweite von den wilden Kerlen.

„Hey, Tante Lena? Ich bins"

„Hallo, Sarah! Wie ist dein Tag?"

„Ganz gut, wenn man davon absieht, dass ich in der Zeitung gelandet bin." Ich warte angespannt. Das sie die schlechte Nachrichten aufnimmt.

„Sarah! Wie konnte das passieren?! Du weißt, was das bedeutet! Jetzt musst du wo anderes hin."

„Nein! Hier gefällt es mir. Ich habe mich gerade eingewöhnt. Bitte lass mich in Grünwald bleiben. Vielleicht lesen diese Idioten das nicht, und wenn doch, mein Name steht nicht dort und vielleicht, lassen sie mich in Ruhe. Immerhin haben sie mich nur zum mittel des Zwecks bedroht. Ich bin nicht ihr Haupt ziel. Bitte Lena ..."

„Ich denke darüber nach. Aber wie konnte das passieren?! Du hattest eine Aufgabe. Nicht in die Medien zu kommen und jetzt wirst du von der Zeitung gedruckt? ..."

„Tante Lena. Kannst du deine Schimpftarade, wann anderes verschieben? Erstens bin ich nicht allein und zweitens hat es nicht die selbe Wirkung, als wenn du vor mir stehst."

„Okay, aber du kommst nicht so leicht davon."

„Ja Tante Lena. Bey."

„Pass auf die auf!"

Und schon hab ich aufgelegt und seufze laut. Ich habe mich während dem Gespräch total angespannt. Ich gehe wieder zurück zum Essen und habe kein Heimweh mehr und bin froh ganz weit weg von Tante Lena zu sein. So schnell kann es gehen. Ich wilden Kerle haben sicher gelauscht, doch als ich komme, versuchen sie so normal wie möglich weiter zu essen und fragen zum Glück nicht nach.




Wir, die wilden Kerle und ich, haben schon so viel gemacht bei dem Stadion, und das alles am ersten Tag!

Julie erzählte mir nach dem Essen wichtige Dinge über Handwerkliches, und ich lernte, wofür man die verschiedenen Werkzeuge braucht. Bei mir zu Hause holen wir uns immer Handwerker, da Tante Lena keine Ahnung von Bauarbeiten hat. Aber Hauptsache, sie flickt andere Menschen zusammen. Sie ist Chirurgin. Auf jeden Fall habe ich deshalb nicht so viel Ahnung von Sachenzusammenbauen. Nach dem Abendessen sind wir zum See gegangen, wo ich gestern schon oben auf der Schlucht mit Maxi war.

Joschka, Raben und ich sind Synchron geschwommen - na ja, wir haben es zumindest versucht. Ich habe wirklich Glück, dass ich nun auch ein bisschen in die Gemeinschaft gehöre! Gerade sitzen wir auf dem Gras und ruhen uns aus. Leon hat Musik aufgedreht und ich lasse mir die Haare vom Wind trocknen. Dann öffne ich meine Augen und treffe mit ihnen, mit Leons zusammen. Ich lächle leicht und frage. „Was riechst du?"

„ich rieche nichts." Meint er.

„Natürlich riechst du was, du hast doch wohl einen Geruchsinn." Leon verdreht daraufhin die Augen.

„Kacke verdammte, ja, aber ich rieche nur die Luft und die riecht für mich nach nichts."

„Schließe mal die Augen und atme tief ein." Versuche ich es anders. Er macht sogar mit.

„Soll das hier eine Meditation sein? Ach! Das bringt doch nichts!" er macht die Augen wieder auf und schaut mich trotzig an.

„Konzentriere dich und stelle keine Fragen, du weißt ganz genau, worauf ich hinaus will." Werde ich jetzt strenger.

„du bist nicht die Anführerin! "

„Ich rieche auch die Luft ..." meint Marlon auf einmal „Aber sie riecht nach Freiheit. Und ein bisschen nach Erdbeere." Er öffnet die Augen.

„Nach Erdbeere?"

„Ja, früher hat uns unsere Mutter immer einen Erdbeerkuchen gebacken, wenn das Schuljahr zu ende war und ich mit einem Zeugnis nach Hause gekommen bin. Ich habe mir dann immer ein Stück genommen und während ich es aß, stellte ich mir vor, was ich alles schönes in der Ferien machen könnte. Leon und ich hatten so viele Ideen, teilweise total verrückte, aber ich habe immer geglaubt, dass wir all das in den Ferien erleben. All diese Träume, könnten in diesen sechs Wochen endlich war werden."

Ich lasse mir das gesagte auf der Zunge zergehen. Ich weiß von deren Vater, dass deren Mutter tot ist.

„Das ist eine schöne Geschichte, ihr lernt dazu."

„Was lernen wir?" fragt Leon, nicht mehr ganz so feindselig.

„Die Sachen mit anderen Augen zu sehen. Nicht die Dinge zu beschreiben, die man offensichtlich sieht. Sondern das zu beschreiben, was du persönlich siehst. Was du fühlst. Was dein Herz sieht." Ich blicke mich wieder um und begegne Julis Blick. Ich weiß, dass er uns zugehört hat. Er schenkt mir ein lächeln und wendet sich wieder dem Gespräch zu. „Markus, du hast wirklich dein Rad selber zusammengebaut?" höre ich jemanden fragen.




Ich schiebe die Holztür von der Küche auf und sofort umfängt mich der Duft von Zitrone, Essen, Spülmittel und angenehmer Frische. Für einen Moment stehe ich im Windfang und atme tief ein. Ja, ich fühle mich hier schon langsam zu Hause, obwohl ich noch immer nur das nötigste mit Vanessa rede. >Vielleicht muss ich aber wieder wo anders hin< denke ich wehmütig. In diesem Moment dringt Bettys klare Stimme an mein Ohr. Sie steht im Flur und telefoniert. Ich muss unwillkürlich grinsen, denn wie immer schreit Vanessas Großmutter in den Hörer, als wäre die Person am anderen Ende entweder sehr schwerhörig oder sehr begriffsstutzig oder beides. Die alte Dame ist mir sehr ans Herz gewachsen. Wir sitzen öfter gemeinsam auf der Terrasse mit einem Glas Wasser und unterhalten uns. Sie erzählt mir immer sehr viel von den Menschen die in Grünwald leben. Das ist der Grund, wieso ich immer schon gut im Bilde bin bevor ich eine Person kennenlerne. Ich wusste daher, dass die Skater Flammenmützen heißen und ihre Fabrik die Nebelburg ist. Oder das Julie und Joschka nur von der Mutter großgezogen werden, die sich sehr schnell immer wieder in irgendwelche Männer verliebt. Es ist erstaunlich, was die alten Leute immer beim Schachclub alles austauschen.

„Das freut mich natürlich, im August kann ich ihnen einen Termin anbieten. Nein, leider, früher geht es nicht. ..." brüllt Betty gerade und blättert dabei in einem großen ledergebundenen Terminkalender. Als ich auf leisen Socken an ihr vorbeihusche lächelt sie mir zu, zeigt begeistert auf den vollen Kalender und gibt mir ein Daumen-hoch-Zeichen. Ich lächle zurück. Im Sommer bekommt Betty oft Reservierungen für ihr kleines Cafee für Feiern oder andern Veranstaltungen. Ich gehe in die Küche zurück und begebe mich auf Essens suche.

Das Mädchen, das Kleider trägtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt