Ein normales Familienleben

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Der Weg war schon vorbei, bevor die Pferde überhaupt in ihren Langstreckengalopp fallen konnten.

Anders als in Trost, hatten sie hier ein kleines Gehöft zu Verfügung. Mehrere Häuser, Ställe und Scheunen, die extra angemietet wurden. 
Auf diese Weise, war es möglich auch vor Ort zu übernachten ohne jemanden gänzlich zu Last zu fallen. 
Auch andere Familien lebten im direkten Umfeld um sich die Arbeit auf den Feldern zu teilen.
Morgen war der letzte freie Tag vor der Expedition. Sie alle würden hier bleiben, bis der Dienst sie übermorgen wieder rief. Bis dahin war dies, das näheste was einem normalen Leben glich. 

Die Begrüssung war herzlich wie immer. 
Glen war schon jetzt wie ein geliebter Schwiegersohn. Nur Cassy wusste, dass er Petra nach der Expedition bitten wollte ihn zu heiraten. 
Jetzt wartete sie nur auf seinen Wink um Petra zu beschäftigen, damit er ihre Eltern um Erlaubnis bitten konnte.
Finn freute sich seine Eltern zu sehen. Er schien Trost recht gut weg gesteckt zu haben, denn er verhielt sich normaler als sonst. 
Fern der Mauer und damit auch fern der Titanen wirkte er nicht mehr abwesend oder führte Selbstgespräche. Er schien das erste mal, wahrlich wie ein normales Kind. 
Er war aufgeweckter und schien das erste mal auch Interesse an anderen Kindern zu zeigen. 
Trotz seiner Freude und der Seltenheit seiner Eltern, war er am Nachmittag für ein paar Stunden mit seinen Freunden verschwunden. 
Weder Cassy noch Levi hatten ihn das absprechen wollen.
Nach einer gemeinsamen Tasse Tee mit Petras Eltern und ausgedehnten Gesprächen, spalteten sie sich ab. Bernd und Regina waren sicher froh über etwas Zeit allein mit Glen ihrer Tochter. 
Sie beide zogen sich in das kleine Hüttchen zurück, das sie bewohnten wenn sie hier waren. 
Regina tat ihr bestes um das Zimmer sauber zu halten. 
Das es Levis Ansprüchen nicht gerecht wurde, sagte ihr Cassy aus Dankbarkeit natürlich nicht. Stattdessen kümmerten sie sich selbst um die übrigen Handgriffe. 

Cassy hatte sich bereits umgezogen. Sie trug eine Bluse mit einem mittellangen grünen Rock, als sie in der Küche stand und das Abendessen vorbereitete.
Sie Sonne legte bereits einen roten Schimmer über das Land, als sie fertig war und den Topf vor sich hin köcheln lies.
Levi hatte gerade noch 2 Handgriffe getan, als er sah wie Cassy das Haus verlies. Interessiert folgte er ihr hinaus. 
Sie blieb vor den grossen Weizenfeldern stehen und sah der Sonne verträumt zu, wie sich zum Horizont neigte. 

Als Levi sie fand, stand sie bereits im roten Licht der Abendsonne. Ihre offenen Haare wehend im seichten Wind. 
Er stellte sich hinter sie; legte ihr beide Arme um die Taille und seinen Kopf über ihre Schulter. 
Liebevoll küsste er ihren Hals und lauschte ihren Worten.
Cassy sprach gedankenversunken: "In den hohen Mauern der Kaserne entgeht einem dieser Anblick... Dabei ist es doch schön zu wissen, das diese Welt auch sowas wundervolles zu bieten hat."
Levi wurde hellhörig. Die Wehmut in ihrer Stimme war ihm nicht entgangen. 
Einen Moment überlegte er sie darauf anzusprechen, doch dann drehte sie sich ihm zu. 
Immer noch in seinem Armen sah sie ihn mit eben jener Wehmut in den Augen an, die er gehört hatte. 
"Ich habe alle Expeditionslogs verfolgt. Keine war so gefährlich wie die, die uns bevorsteht...
Niemand musste jemals gegen intelligente Titanen antreten...
Auch wenn ich nicht darüber nachdenken möchte weiss ich, dass es unwahrscheinlich sein wird das alle die mir wichtig sind, gesund zurück kehren werden." 

Sie hielt kurz inne und musterte Levis Gesicht mit einem frustrierten schmunzeln ehe sie kurz über Schulter zurück zur Sonne blickte. 
"Am Ende sind wir alle so vergänglich, wie dieser Sonnenuntergang am Abend... Egal wie wundervoll er auch gewesen war... In ein paar Wochen, ist er in den meisten Köpfen vergessen.
Versteh mich nicht falsch. Ich habe keine Angst um mich. Auch du bist schlau und Erfahren genug um mit dieser Situation umzugehen...
Ich verstehe auch warum es nötig ist, niemanden etwas zu sagen... Aber es macht mich traurig, dass sie ihre Leben geben werden, ohne das man sich an sie erinnern wird...
Niemand weiss mehr, wer Ben, Max oder Ian gewesen waren... Ganz zu schweigen von Furlan oder Isabelle. Es ist, als hätten sie schlicht nicht existiert... und bald wird es den nächsten so ergehen."
Cassy dachte an ihre langjährigen Kameraden, aber genauso an die neuen Anwärter die sie ins Herz geschlossen hatte.

"Wir erinnern uns an sie." Levi hatte ihr eine Hand an den Kiefer gelegt und strich ihr mit dem Daumen über die Wange. Dabei blickte er ihr zuversichtlich in ihre Augen. 
"Und durch die Kraft die sie uns hinterlassen haben, waren wir in der Lage bis jetzt voran zu schreiten. Wir nehmen sie mit uns, bis zu unserem Ende... und bis dahin geben wir anderen ihren Mut in uns, mit auf dem Weg. 
Deine Verdienste in Trost gründen auf das Geschenk, was Ian und Max dir einst gemacht haben. Auch ihnen gingen Menschen voraus, die du nicht beim Namen kanntest, aber dessen Entschlossenheit du in beiden gesehen hast."
Er löste zum ersten mal den Augenkontakt und blickte zur fast untergegangen Sonne.
"Am Ende spielt es keine Rolle, ob dieser Sonnenuntergang oder ein anderer.
Er verewigt sich nicht durch seine Präsenz... sondern durch den Einfluss, den er in seiner kurzen Zeit gehabt hat."

Levi beendete seinen Satz mit einem weiteren tiefen aufmunternden Blick in Cass Augen, eher er seine Hand unter ihr Kinn schob und sie küsste.

Für einen Moment genoss Cassy einfach den Augenblick. Der Geruch der Felder; die warme Briese die sie umwehte und das rote Sonnenlicht, das langsam am Horizont verschwand.
Da schreckte sie panisch auf und Levi sah sie verwirrt an.
"Das Essen!" rief sie und lief wie von der Tarantel gestochen zurück zum Haus. 
Schmunzelnd schüttelte Levi den Kopf. Dann folgte er ihr. 
Auch Finn war mittlerweile zurück und so teilten sie einen der wenigen Familienabende. 
Levi war noch von der letzten Nacht sichtlich erschöpft und so waren die Lichter früher gelöscht als normal. Er kam nicht drum rum sich zur fragen, wie er solange ohne ausgekommen war. Aber seid Cassy ihn erdete, kam er endlich zur ruhe.

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Cassy schreckte aus dem Schlaf. Ein lauter Schrei zerriss die Stille. 
Augenblicklich sprang sie auf und schüttelte an Levis Schulter. Ohne etwas zu sagen stürmte sie aus der Bettniesche und überprüfte ob Finn in seinem Bett lag. 
Erleichtert atmete sie einmal durch und lief zurück zum Bett. Kramend nach einem Hemd und einer Hose hielt sie nicht inne, als ein weiter Schrei über die Felder hallte. 
Jetzt hörte auch Levi den Schrei und sprang augenblicklich aus dem Bett. 
Ihm reichte eine Hose und so war er genauso schnell fertig wie Cassy. 
"Was ist los?" fragte Finn müde.
"Du bleibst hier und verschliesst die Tür!" flüsterte Cassy ihm zu, während sie in der Küche nach einem Messer griff. 

Kurz darauf stürmten beide aus dem Haus hinaus ins freie. Auch Glen stürzte gerade durch die Tür, während Petra sich hinter ihm in einem Mantel wickelte.
Die Geräusche waren jetzt deutlicher zu hören. Sie kamen nicht von hier. Sondern von einem Gehöft etwas abseits an einem kleinen Bach. 
Cassy kannte die Familie die dort wohnte. Ein 7 jähriges Mädchen mit ihren Eltern.
Alle 3 wechselten schnelle Blicke. Dann liefen sie zusammen los. 
Je näher sie kamen, desto mehr konnten sie hören. Ein Gemisch aus einer weiblichen und einer männlichen flehenden Stimme war jetzt deutlich hörbar. Als ein junges Mädchen laut aufschrie verschnellerte Cassy ihre Geschwindigkeit.
Sie preschte voran so schnell sie konnte. 
Levi und Glen blieb nichts anderes übrig, als zuzusehen wie die Lücke zwischen ihnen und Cassy immer grösser wurde.


Cassandra bremste nicht mal wirklich ab. Sie stürzte durch die offene Tür; immer noch mit dem Messer in der Hand.
Im Raum standen mehrere Männer. Einer von ihnen drückte eine Frau auf der rechten Seite des Raumes mit seinem Körper gegen die Wand. 
Mittig, auf dem Boden lag der Vater der kleinen Tessa. Blut lief aus einer Wunde unterhalb des Brustbeins. 
Auf der linken Seite standen 3 Männer um ein kleines Mädchen.
Als sich der erste von ihnen umdrehte erstarrte Cassy für eine Sekunde. 
"Ohhow.. Freunde" es war tatsächlich Larson, der Cassandra breit angrinste. 
"Seht euch diese Überraschung an."
"Lasst sie in Ruhe!" knurrte Cassy wütend. Auch die anderen beiden erkannte sie. 
Den fettigen Schwarzhaarigen, genau wie den Blonden Muskelprotz.
Sie musterte kurz die Wunde des Vaters. Sie hatten keinen Schuss gehört. Aber der blonde musste seine Schusswaffe wie die letzten male bei sich haben. Das er sie noch nicht benutzt hatte, hiess nur das er im Vergleich zu den anderen besonders Gefährlich war. 

Brennende Wut stieg in Cassy auf, als sie die Schnitte auf dem Arm des Mädchens und das blutige Messer in Larsons Hand sah. 
Cassy kalkulierte... 4 Männer... eventuell nur 3. Je nach dem ob sie sie für bedrohlich genug hielten um die Mutter unbeirrt laufen zu lassen. 
"Was wollt ihr hier!" knurrte sie ein weiteres mal um die Aufmerksamkeit von dem kleinen Mädchen abzulenken.
"Wir haben einen Tipp über eine Etherische gekriegt, die hier lebt. Du kennst das doch. Auf dem Markt bringt sowas viel Geld ein." Larson klang süffisant.
"Aber jetzt wo du da bist, machen wir doch da weiter, wo wir damals aufgehört hatten." Cassy verstärkte den Griff um ihr Messer.
"Diesmal läuft das ganze ein bisschen anders!" entgegnete sie wütend.
"Sicher?" fragte Larson spielerisch. "Wenn du so an der kleinen hängst, dann willst du doch sicher nicht, dass ihr etwas passiert." Er drehte das Messer provokant in seiner Hand.

Sie dachte nach. Wenn sie wartete, bis die anderen hier waren würde die Situation eskalieren. 
Tessas Mutter könnte getötet und Tessa selbst, als Druckmittel benutzt werden. 
Wenn sie es aber schaffte, Tessa aus dem Fokus zu bekommen. Vielleicht sogar zu ihrer Mutter. Dann könnten Glen oder Levi sie mit Leichtigkeit beschützen.
Sie musste fast schmunzeln, als sie dieses Szenario an die Ausbildungszeit erinnerte.
Wann musste man sich schon unbewaffnet gegen einen bewaffneten Gegner stellen, dachte sie ironisch. 
"Lass sie zu ihrer Mutter und du bekommst was du willst." Cassy gab sich mühe aufrichtig zu klingen.
Sie warf ihr Messer aus der Tür und hob die Hände. 
Larson grinste breit, als Cassy langsam auf ihn zu kam. Bereitwillig deutete er dem schmierigen das Kind zu seiner Mutter zu lassen. 
Wie damals, standen nun alle 3 vor ihr. Sie ging einen Bogen um die Eingangstür in den Rücken der 3 zu legen. Jetzt konnte sie nur hoffen, dass die anderen schnell genug waren.
Mehr Zeit konnte sie nicht rausholen.

Levi wies Glen an das Tempo zu drosseln, als sie die Hütte fast erreicht hatten. 
Cassys Messer flog durch die Tür und er tastete sich vorsichtig an ein Fenster. 
Ein junge Mädchen verschwand gerade rechts aus seinem Sichtbereich. Gleichzeitig trat Cass hinein. Er zwang sich ruhig gegen die Wut zu atmen, als der die 3 erkannte die Cass jetzt umzingelten.  
Nur eine Sekunde beobachtete er Larson, wie er nach einer Haarsträhne von ihr griff und daran roch. Dann holte er sich das Messer, das nun ausserhalb ihres Blickfeldes lag.
Ob Absichtlich oder nicht. Cass hatte sie von der Tür weg gedreht.
Leise betrat er den Raum, als sich Larson gerade vorbeugte und seinen Kopf an Cassys Hals legte. 
Cass blickte Levi entschlossen in die Augen. Ihr Blick wanderte nach links zu den 4 von ihnen, der mit Tessas Mutter immer noch sein eigenes kleines Spielchen trieb. 

Levi nickte und Cassy hob ihr Knie in Larsons Weichteile. Augenblicklich schrie er vor Schmerz und sank auf die Knie. Cassy nutze diese Gelegenheit. Sie griff parallel nach seiner Hand; tauchte von der Wand weg und drehte ihm das Messer aus seinem Griff. 
"Verdammtes Miststück." fluchte Larson während er sich auf seinen Knien drehte.
Erschrocken sah er zu Tür und in Levis eiskaltes Gesicht. Glen tauchte gerade hinter Levi durch, zu Tessas Mutter. 
"Erinnerst du dich an mein Versprechen du Stück Scheisse?" fragte Levi in einem Ton und mit einem Blick, den Cassy noch nie bei ihm gesehen oder gehört hatte. 
"Diesmal spielen wir..."
Larson blickte zu seinem Blonden Komplizen. Dieser zog augenblicklich seine Waffe. 
Ein Moment auf dem Cassy gewartet hatte. 
Sie hatte ihre Verdichtung viel besser im Griff als damals. 
Dieses mal würde das Spiel anders ausgehen. Dieses mal würde sie die Kugel gänzlich stoppen. Sie schritt an Levi vorbei direkt auf den Blonden zu. 
Mit einem gelassenen Lächeln streckte sie ihre Hand aus und legte ihre Handfläche auf die Mündung der Waffe. 
Es war noch einfacher, wenn sie eine Körpernahe Verdichtung benutzte.
"Jetzt mach schon! Schiess verdammt!" fluchte Larson als er sich auf die Beine zog. 
Nur eine Sekunde später zog der blonde den Abzug. 
Ein lauter Knall hallte durch die Stille. Mit aufgerissenen Augen lies der blonde seine Waffe fallen. Die Kugel die er abgefeuert hatte, blieb jetzt sichtbar, nur wenige Zentimeter vor Cassys Hand in der Luft stehen.
"Das ist unmöglich." wimmerte er, während er rückwärts taumelte. 

Cassy hörte neben sich einen erstickten Schrei von Larson. Doch sie konzentrierte sich auf die anderen beiden.
Jetzt wo die Situation halbwegs im Griff war, kehrte ihre Vernunft zurück. Diese Verbrecher mussten sie der Militärpolizei übergeben. Sonst würden sie sich selbst strafbar machen.
Als Soldaten war es besonders wichtig nur das Mindestmass an Gewalt einzusetzen. 
Man ging davon aus, dass man seinem Gegner sowieso Haushoch überlegen war. Alles darüber hinaus hiess also Folter. 
Sie fand das Seil mit dem sie das Mädchen ursprünglich hatten fesseln wollten. 
Cassy hob es auf und ging auf den Blonden zu. Dieser hatte sämtlichen Kampfgeist verloren. Noch immer konnte er nicht fassen, was er da gerade gesehen hatte. 
Ein Windzug zog über Cassys Kopf hinweg und sie sah, wie Levi den schmierigen von ihr weg zog. "Dich hab ich nicht vergessen.. Wixer!" knurrte Levi schneidend.
Sorgfältig fesselte sie den Blonden, dann wendete sie sich endlich Tessas Vater zu. 
Er lebte... Gerade so. Seine Verletzungen waren derart schwer, dass sich nicht die Frage stellte, ob er das hier überleben konnte. Seine Frau kniete auf seiner anderen Seite und Tessa dicht neben ihr. 
Angst lag in ihren Augen und Tessa konnte ihren panischen Blick nicht von Levi lassen. Glen hielt den vierten fixiert auf den Boden.
 

Cassandra schloss die Augen. Sie verbot sich zu Larson zu gucken. Die Geräusche die von ihm und dem schmierigen ausgingen konnte sie jedoch nicht ausschalten. Weder das schmatzende Geräusch von Blut, noch die erstickten Schmerzensschreie.
Sie hasste diese Männer.. Für das, was sie ihr im Leben angetan hatten... Als sie das Haus betreten und gesehen hatte wobei sie sie störte, hatte sie alle Mühe nicht blind auf sie zu zu stürzen und alle 3 einfach nieder zu stechen. 
Lediglich die Sicherheit des kleinen Mädchens hatte sie davon abgehalten. 
Diese Männer waren der Grund, für ihre Abneigung gegen sinnlose Gewalt.
Denn viel zu häufig, hatte sie selbst sie durch ihre Hand erfahren. 
Sie verstand nur zu gut wie Levi sich fühlte, aber sie konnte es nicht länger zulassen. Nicht zuletzt, weil es Tessa und ihre Mutter daran hinderte von ihrem Mann und Vater in Ruhe Abschied zu nehmen. 

"Gefällt dir das Spiel? Ich hoffe du hast soviel Spass wie das letzte mal!"
Levi hatte sich noch immer nicht beruhigt. Er zog Larson am Kragen auf die Knie, als sich Cass Hand auf seinen Unterarm legte.
Er lies ihn los und warf ihr einen Seitenblick aus den Augenwinkeln zu. Ihr Gesicht war gezeichnet von Abscheu.
Es ärgerte ihn, dass sich Mitgefühl in ihre Augen mischte, als sie die beiden bewegungslosen Männer, die vor ihm auf den Boden lagen, musterte.
Dann musterte sie ihn von oben bis unten.
"Du vergisst dich!" sagte sie mit einem enttäuschten scharfen Ton in der Stimme. 
Ihre Worte lösten eine erneute Welle aus Wut in ihm aus.
Als er sich musterte, sah er was Cass meinte. Er war über und über mit Blut befleckt. Die Wände des Hauses bespritzt und der Abschaum zu seinen Füssen mehr Tod als lebendig. 
Ein Blick über Schulter lies ihn verharren. Die Angst in den Augen der Familie, während sie ihn anstarrten und Finn der gerade zur Tür herein schoss.
Augenblicklich verstand er, was sie meinte.

Auch Cassy wendete sich gerade wieder Tessa und ihrer Mutter zu, als sie laut aufschrie: "FiNN! NEIN!"
Doch Finn reagierte nicht. Mit geschlossenen Augen kniete er neben Tessas Vater und hatte ihm beide Hände auf die Brust gelegt. 
Cassandra lief so schnell sie konnte durch den Raum und zog Finn von Tessas Vater weg. 
Als sie die Hitze im Köper des Mannes spürte, wurde ihre Stimme fast panisch.
Sie kniete mit ihm auf den Boden.
"Finn! Wieso? Du weisst doch was passiert!" Sie nahm seinen Kopf in ihre Hände und redete aufgewühlt auf ihn ein.
"Tessa ist meine Freundin. Die Menschheit ist verloren, wenn wir uns nicht mal für unsere Freunde einsetzten... weisst du noch? Deshalb kann ich nicht zulassen, dass ihr Vater stirbt."
Ein kalter Schauer lief Cassy über den Rücken. Sie blinzelte die kleinen Tränen aus ihren Augen und riss Finn in ihre Arme. 
"Wir wissen doch nicht welche Auswirkungen das haben wird... und wir haben doch so schon, so viel Zeit verloren..." flüsterte sie mit zitternder Stimme.

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Während Glen zu Pferd die Militärpolizei rief, hatte Cassy Tessa und Finn zu sich nach Hause gebracht. Sie legte beide in ihr Doppelbett und setzte sich zu Tessa auf die Bettkante. 
Vorsichtig begutachtete sie Tessas Unterarme. 
Sie atmete einmal tief als sie mit einem Verband die 2 Schnitte verarztete, die zusammen ein "L" ergaben. 

Levi sorgte für eine problemlose Zusammenarbeit mit der Militärpolizei. Er lies Tessas Vater verschwinden und gab an, dieser würde für ein paar Tage auf Reisen sein.
Aus diesem Grunde, hatte er versprochen nach der Familie zu sehen.
Die Situation sei schlicht eskaliert, als sie glaubten sie hätten zu 4 eine Chance gegen ihn gehabt. 
Wahrscheinlich, war er der einzige der den Ruf genoss, einer solchen Geschichte gerecht zu werden. Zumindest fragten sie nicht weiter und nahmen alle 4 Verdächtigen mit. 
Tessas Eltern verbrachten die Nacht in der Scheune. Wie es schien, würde ihr Vater tatsächlich durch kommen.

Als Levi durch die Nacht zurück zu ihrem Haus ging, sah er ein schwaches Licht im Stall brennen. 
Cass war dabei die Ställe zu misten. Sie war hektisch und sichtlich aufgewühlt.
Levi griff in die Forke, als sie keine Anstalten machte zu reagieren. 
"Was wird das." seine Stimme war immer noch leicht von seiner kalten Wut gezeichnet.
Cassy hielt einen Moment inne.
Dann legte sie ihre Hand an die Stirn und fuhr in ihre Haare. 
Ihre Worte trugen sämtliche Verzweiflung mit sich, die sie innerlich aufwühlte..
"Tessas Vater... Er war praktisch Tod! Verstehst du!?"
Das hier, ging über kleine Prellungen oder Verletzungen hinaus.
Cassandra schien nicht fähig, still zu halten. Sie lies die Forke los und ging zum Heu.
Levi folgte ihr. Um dieses Spiel nicht nochmal von vorn zu starten, griff er harsch nach ihrem Arm und zog sie vor sich.
Er wusste das er ihr damit weh tat, aber endlich hielt sie still.
In ihren Augen lag pure Angst. Er verstand sie, doch zog er es vor analytisch an die Sache ran zu gehen.
Cassy setzte nach: "Sie waren wegen ihm hier... Sie wussten, dass es eines der Kinder ist..."

Levi schwieg und überdachte die Situation. Die Militärpolizei würde ein paar Tage brauchen um den Sachverhalt aufzuarbeiten. Einbruch war kein besonders schweres Delikt. Mord als Anklagepunkt hatten sie verhindert und Entführung lies sich leicht abstreiten. 
Wahrscheinlich waren sie nur ein paar Tage weg. Larson und der schmierige, würden jedoch länger brauchen um sich zu erholen. 
Bis dahin würde sich auch zeigen, welchen Auswirkungen Finn nun ausgesetzt war.
Erwin hatte mit ihm einen Notfallplan entwickelt, falls seine Fähigkeiten und sein alter zu auffällig werden würden. 
Als sich Cass Augen mit Tränen füllten, riss sie ihn aus seinen Gedanken.
"Ich hab einfach Angst um ihn..." flüsterte sie.
Er löste augenblicklich den Griff um ihren Arm und zog sie an sich. 
Seine Wut war nun gänzlich bei diesem Anblick verflogen.
Mit einem Arm um ihre Taille legte er seinen Kopf an ihre Schulter. Er legte ihr eine Hand an ihren Kopf und küsste sie unterhalb ihres Ohres.
"Mach dir keine Sorgen.. Ich kümmere mich darum!" sagte er leise.

Als Cassy ihre Arme um seinen Hals legte verharrten sie einen Moment eng umschlungen. 
Levi konnte förmlich spüren wie sie entspannte. Ihre Atmung beruhigte sich und ihre Anspannung löste sich in ihren Muskeln. 
Sie liessen sich Zeit, ehe sie zurück ins Haus gingen.

Das leise Wimmern unter der Bettdecke war kaum zu überhören. Langsam ging Cassy zu Tessa und setzte sich zu ihr auf die Bettkante. Sie griff mit einem Arm rüber zu Finn. Er schlief tief und fest, aber sein Arm glühte vor der unnatürlichen Hitze die er selbst ausstrahlte. 
Levi konnte Tessas ängstliche Augen schon aus Entfernung sehen und entschied auf Abstand zu bleiben. 
An die Wand gelehnt beobachtete er, wie Cass mit der kleinen sprach und sie beruhigte. Wie sie ihr ihre Haare von der Stirn strich und ihr mit wenigen Sätzen ein schwaches lächeln auf die Lippen zauberte. 
Als sie begann ihr ein Schlaflied zu singen, dass er noch nie von ihr gehört hatte, lauschte er gebannt.
Bisher hatte er sie nur ein paar mal singen gehört. Bei ihrem ersten Feuerbegräbnis oder vor ihrer ersten Expedition zum Beispiel. 
Finn hatte selbst als Baby nichts dafür übrig gehabt. 
Aber er liebte den Klang, den ihre Stimme dabei annahm. Die Gefühle, die sie damit ausdrückten konnte... Wie ein Ventil um sie los zu lassen, anstelle wie die meisten anderen bei jeder Kleinigkeit rum zu heulen.
Aber das hier war anders. Sie sang nicht für ihr Ventil, sondern für das der kleinen Tessa.
Die Wärme die ihn durchströmte, als er ihr lächeln in den verschiedenen Strophen förmlich hören konnte, war unbeschreiblich. 
Er war froh als Tessa sie dazu brachte, nochmal von vorne anzufangen als das Lied beendet war.

Tessa schien tatsächlich die Augen geschlossen zu haben, denn Cass flüsterte die letzte Strophe leise. 
Als sie vorsichtig aufstand und zu ihm kam, musste er sie einfach anlächeln. Er hob seine Hand und legte sie ihr an die Wange, während sie ihre auf seine Brust legte.
Vorsichtig schmiegte sie sich an ihm, während sie ihren Blick über sein Gesicht wandern lies. 
Keine Sekunde, wollte sie von diesem lächeln verpassen.
Der Vollmond reichte aus um durch das Fenster genug Licht ins Haus zu bringen.
So spürte er nicht nur, wie seine Haut unter der Berührung ihrer warmen Hände förmlich Feuer fing. Er sah auch das gleiche Feuer in ihren Augen lodern, von dem er wusste das es nur für ihn brannte. 
Es waren diese Momente in denen er sich fragte, wie sein Leben eine solche Wendung nehmen konnte. Womit hatte er diesen Anblick verdient.

Die restliche Nacht war kurz. Weder Levi noch Cassy war es nach Schlaf zu mute.
Eine Zeit lang beobachteten sie Arm in Arm, die Kinder beim schlafen. 
Doch als die Sonne langsam den Himmel erhellte, ging Cassandra in die Scheune.
Sie hatte die letzten Jahre genutzt und sich in Feldmedizin weiter gebildet; ähnlich wie Hanji. Das hatte ihr bei Holger, Tessas Vater, letzte Nacht gute Dienste geleistet. Jetzt wollte sie schonmal nach ihm sehen, solange die Kinder noch schliefen. 

Er lag ruhig atmend auf einem Bett aus Stroh. Seine Frau Tanja schlief an seiner Seite. Sie schreckte hoch, als Cassy die Tür der Scheune hinter sich schloss.
"Wie gehts ihm?" flüsterte Cassy. Tanja rieb sich über die Augen. Sie sah sichtlich abgekämpft aus. "Ich weiss nicht... Aber zumindest atmet er wieder ruhig." flüsterte sie besorgt.
"Tessa?" setzte sie nach.
Cassandra lächelte sie aufmunternd an. "Sie schläft im Haus."
Tiefe Dankbarkeit lag in Tanjas Augen als sie nickte. 
Vorsichtig löste Cassy den Verband und begutachtete die Naht, die die Wunde verschloss.
Sie fühlte seine Stirn; Handgelenke und die Haut oberhalb des Bauchnabels.
Tatsächlich glühte er verstärkt um den Rumpf. 
Was auch immer Finn angekurbelt hatte... Es wirkte immer noch. 
Cassy verband die Wunde sorgfältig, als ihr Tanjas merkwürdiger Blick auffiel.
Fragend hielt sie inne und blickte Tanja in die Augen. 
"Dann ist es wahr, dass dein Sohn die Gabe hat zu heilen?" fragte sie fast ehrfürchtig. 
Seufzend antwortete Cassy "Ja... Aber nichts gibts umsonst... Alles hat seinen Preis.." 
Ohne ein weiteres Wort stand sie auf und ging zum Tor. 

Gefrühstückt wurde anders als geplant, in einer grosser Gruppe. Die Geschehnisse und die neuen Informationen der Nacht wurden geteilt und diskutiert.
Cassy überzeugte Petra die Familie zu unterstützen und Tanja dabei zu helfen, das Haus in Ordnung zu bekommen. 
Denn so wie es dort aussah, konnte sie kaum mit ihrer Tochter zurück kehren.
Anschliessend warf sie Glen einen vielsagenden Blick zu. 
Diesen Tag hatten sich wahrscheinlich alle etwas anders vorgestellt. Aber wenigstens Glen sollte seine Chance erhalten.
Auch Finn machte allen beteiligten etwas Sorge. Er schlief nach wie vor so tief, das er sich nicht wecken lies. 

Als die kleine Putzkolone zum Mittag zurück zum Hof kam, grinste Glen zufrieden und Cassy stimmte augenblicklich mit ein.
Ein grosser Tisch stand auf dem Hof in der warmen Mittagssonne und er half Regina dabei die letzten Handgriffe fürs Mittagessen vorzubereiten. 
Dankbar setzten sich auch Tanja und Tessa dazu. Holger schlief genauso wie Finn tief und fest. 

Für Cassy war es etwas ganz neues nicht die zu sein, die Tagelang im Bett lag ohne aufzuwachen.
Sie fühlte sich nicht wohl dabei Finn gänzlich allein zu lassen. 
Immer wieder sah sie nach ob er noch schlief. Levi erkannte sich selbst in ihrem Verhalten.
Anders als für ihn, war das hier ihr erstes mal auf der anderen Seite.
Zum Glück waren sie der Kaserne so nahe, dass sie getrost auch in aller früh aufbrechen konnten. 
Weder er noch Cass hätten unter normalen Umständen schlafen können. Aber die letzten Nächte hatten es in sich gehabt. So war es kaum verwunderlich, dass sie im Bett aneinander geschmiegt in den Schlaf sickerten. 

"Verdammte Scheisse!" Cassy und Levi schreckte aus dem Schlaf. 
Wieder war es stockdunkel und jemand stand nahe der Tür am Tisch. 
Levi griff nach seinem Messer und schlich vorsichtig um das Bett herum. Cassy blieb verhalten sitzen. 
Sie musterte die Silhouette der Person, die sich sicher im Raum bewegte. 
Als Levi auf den richtigen Augenblick wartete um ihn zu überrumpeln, lief die Person am Fenster vorbei.
Der Mond strahlte immer noch hell genug um ihn zu erkennen. 
"Finn?!" fragte er ruhig, während er seinen Sohn musterte. Cassy sprang augenblicklich aus dem Bett. Auch sie blieb ruckartig stehen, ehe sie weiter auf ihn zustürmte. 
Levi machte Licht, während Cass ihren Sohn eindringlich musterte. 
Unter der Bettdecke und seinem dichten fast kieferlangem Haar, war seine Veränderung kaum aufgefallen. Jetzt war sie nicht zu übersehen. 

Laut seinen Personenunterlagen mussten Finn jetzt 7 sein. Minimum 2 Jahre verlor er in dieser Zeit durch verschiedenste Verletzungen und Krankheiten. Nicht zu vergessen den letzten Schub durch Cassys Verletzungen in Trost.
Ausgesehen hatte er also wie ein 9 jähriger. Ein Umstand, der sich durch Frühreife noch gut erklären lies. Grössentechnisch, war er etwas mehr als einen halben Kopf kleiner als Cassy gewesen.

Jetzt blickte sie fassungslos zu ihm auf. Er überragte sie, ähnlich wie Levi.
Seine Gesichtszüge hatten ihre Kindlichkeit zu einem grossen Teil abgelegt. 
Sie seufzte "Ach Finn..." Dann nahm sie ihn den Arm und musste sich mehrfach davon überzeugen das es wirklich er war. So anders, fühlte sich sein jugendlicher Körper nun an.
Finn lächelte entschuldigend , als er den Schmerz in den Augen seiner Mutter sah. 
Cassy legte ihm ihre Hand an die Wange und schmunzelte schwach.
"Du bekommst das gleiche Lächeln wie dein Vater.." 
Augenblicklich stimmten beide in ein leises Kichern ein. 

"Dad.." Finn sah etwas verlegen zu Levi. Als Cassy einen Schritt beiseite machte, streckte er wortlos den Arm aus und drückte ihn an sich.
Er war selten gut in Worten gewesen. Aber wie sonst auch sprachen seine Augen bände. 
Jetzt würde sich einiges ändern müssen.

Weil du es verdient hast Staffel1+2 // A Levi Love Story (PAUSIERT)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt