15

25 2 0
                                    


»Sieh nur, wer dich abholt!« Jenny feixte fröhlich, während Mel puterrot anlief im Gesicht. »Am Morgen der, am Nachmittag der andere Bruder. Was soll man davon nur halten?«

»Wer sagt, dass er mich abholt? Auf diese Schule gehen etwa zweihundert Schülerinnen.«

»Sein Blick sagt das. Er hat nur Augen für dich.«

Ich sah Sam ganz kurz an. Er stand an seine Harley gelehnt, einen Helm in der Hand und lächelte mich herausfordernd an. Ich schluckte schwer, als er mir winkte. In meinem Magen krampfte es bei der Erinnerung an meinen letzten nächtlichen Ausflug in die Vergangenheit. Ich konnte ihm unmöglich gegenübertreten. Nicht nachdem ich gewusst hatte, was er getan hatte.

»Nun geh schon. Schöne Männer lässt man nicht warten«, sagte Jenny kichernd und schubste mich in Sams Richtung. Meine Beine zitterten, als ich mich ihm langsam näherte.

»Ich habe die Nachmittagsschicht übernommen«, sagte Sam grinsend und hielt mir den Helm hin.

»Ich laufe.« Ich musste mich anstrengen, meine Stimme fest klingen zu lassen.

»Du fährst«, sagte Sam ruhig und bestimmt. »Adrian hat ein geschäftliches Treffen in München. Du wirst mit mir vorliebnehmen müssen. Auch, wenn dein Herz ihm gehört.« Er zwinkerte mir zu.

Ich räusperte mich. »Mel, Jenny und ich wollen Hausaufgaben zusammen machen.«

»Deine Freundinnen sind schon fast zu Hause.« Sam deutete zum Tor hinunter, durch das meine verräterischen Freundinnen gerade mit ihren Fahrrädern verschwanden. »Nun steig schon auf. Ich weiß, es geht um den Zeitungsartikel. Glaubst du wirklich, ich wäre dazu fähig?«

Ich wich seinem fragenden Blick aus und fixierte das blitzende Chrom des Motorrades. »Ich habe es gesehen«, flüsterte ich.

Samuel nickte verstehend. »Vielleicht sollte ich dir alles zeigen.«

»Zeigen?«

»Steig auf!«, forderte er. Ich kam seiner Forderung nur zögernd nach, aber die Neugier war zu groß. Ich musste mehr über mich wissen. Vielleicht würde Sam mir das nächste Puzzlestück zukommen lassen, und bisher war ich immer sicher bei ihm gewesen. Ich dachte an unseren Nachmittag am See und wie sehr er sich angestrengt hatte, Katie zu finden. Er hatte eine Chance verdient, mir alles zu erklären. Und Adrian würde bestimmt nicht ihn schicken, wenn er ihm nicht vertrauen würde.

Sam fuhr mit mir auf die kleine Lichtung. Der Bach plätscherte heute ruhig vor sich hin. Am Himmel verdeckten kleine graue Wolken immer wieder die Sonne. Es war warm, roch nach frischem Gras und die Vögel zwitscherten um uns herum. Alles war wie bei unserem ersten Treffen hier, nur ich nicht. Ich hatte mich verändert. Die letzten Tage hatten aus mir eine andere Person gemacht. Plötzlich war mir der Streit mit meiner Mutter egal. Er schien das Unwichtigste in meinem Leben zu sein. Ich wusste nicht einmal mehr, warum mir dieser kleine Krieg so wichtig gewesen war.

Wir setzten uns in das hohe Gras am Ufer des Baches, Sam streckte sein Gesicht der Sonne entgegen und wirkte vollkommen zufrieden mit sich. »Hättest du geglaubt, dass dein Leben sich so verändern wird, als du mich hier getroffen hast?«

Ich schüttelte den Kopf. In diesem Augenblick fragte ich mich, was mit mir geschehen wäre, wenn wir nicht nach Linden gekommen wären. Wären meine Kräfte je aktiviert worden? Oder wäre alles geblieben, wie es war? Ich hätte gelegentlich von Dave geträumt, der mit einem Flammenschwert in den Krieg zog, hätte mir aber nie wirklich Gedanken über diese Träume gemacht.

»Also, was weißt du? Was hat Adrian dir bisher erzählt?«

»Ich weiß von Uriel, von Anna, dass in mir Uriels Seele wiedergeboren wurde und dass Anna meine Vorgängerin war.«

Forever YouWhere stories live. Discover now