Kapitel 50 - Monokel-Welten

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Grund 2:... um den Menschen, die nie an dich geglaubt haben, zu beweisen, dass du stark genug bist.

Die neuen Unterhosen fühlen sich anders an unter meiner Jeans, als wir den Schneider wieder verlassen. Ich fühle mich anders, mit dem Gewissen, dass ich sie trage. Marlow hält in einer Hand unsere Outfits und in der anderen meine Hand. Fest und warm sind unsere Finger miteinander verschränkt und ich weiß nicht warum mich diese simple Geste so sentimental werden lässt, aber vielleicht ist es auch einfach das Gewissen, dass es noch nie so war- aber auch vermutlich nie wieder so sein wird. Ich umgreife mit meiner freien Hand seinen Oberarm und lehne mich an seine Schulter.

>Denkst du gerade, was ich denke?< Marlow betrachtet mich von der Seite, aber ich schaue trotzdem weiter auf den Gehweg...>...dass ich das hier vermissen werde...?< Ich löse meinen Blick von dem Asphalt obwohl ich das Gefühl habe, weinen zu müssen, wenn ich in Marlows Gesicht schaue. Noch nie habe ich mich bei einem Menschen so gefühlt, wie bei ihm. Noch nie hat sich ein Blick oder eine Berührung so angefühlt wie bei ihm. Nicht einmal die von Cooper und ganz bestimmt nicht die meiner Familie. >Bitte, denk nicht so viel darüber nach, die Momente sind so kurz und flüchtig und erst Recht, wenn einem die Zeit davon rennt, Lia. Ich möchte mich noch für einen Moment so fühlen.< Er legt seinen Arm um mich herum, sodass ich nun vor ihm gehe. >Und ich will dich gerne für immer so Lächeln sehen, wie vorhin bei Riverwood's...<

DANN GEH NICHT! Meine innere Stimme brüllt so laut, dass ich meine Augen schließen muss. Ich weiß, dass das nicht in seiner oder meiner Macht liegt- er hat keine Wahl. Als wir das Auto erreichen, lässt Marlow mich los und sofort überkommt mich am ganzen Körper Gänsehaut. >Alles okay?< Marlow stellt sich in meinen Weg, als er die Tür öffnet. Ich ziehe einen Mundwinkel zur Seite und presse meine Kiefer zusammen. >Ich will das hier nicht ruinieren...und ich will nicht daran denken, aber immer und immer wieder tauchen diese Zahlen vor mir auf, wie eine Bombe, die die Zeit runter zählt, die uns noch bleibt und ich weiß, dass ich nichts daran ändern kann, dass sie explodieren wird. Dass alles zerstört wird.< Marlow stellt die Tüte auf den Sitz und zieht mich wieder in seinen Arm und vergräbt sein Gesicht in meinen Haaren. Ich muss unwillkürlich schlucken. >Wenn ich weg bin, dann findest du mich in ganz vielen Dingen wieder, in einem Sonnenstrahl, einem Satz, der das Schweigen bricht, in einer Umarmung, wie dieser hier. Und ich will nicht dass du etwas bereust- etwas nicht gesagt oder getan zu haben, also bitte Lil. Lass uns die Zeit nutzen mit allem was wir wollen, okay?< Ich nicke an seiner Wange und trotzdem laufen mir schon wieder die Tränen die Wangen herunter. Er nimmt mein Gesicht in seine großen Hände, streicht mit seinen rauen Daumen über meine Wangen die Tränen bei Seite und lächelt mich an. Mit seinem Lächeln. Wie kann ein Mensch nur so unglaublich stark sein?

***

Okay, ich bin bereit. Ich streiche mir meine Haare aus der Stirn und stecke sie hinter meinen Ohren fest, bevor ich ein letztes Mal in den Spiegel schaue. Ich sehe aus wie ich- aber irgendwie auch ganz anders. Erwachsen, professionell, irgendwie hübsch? Ich drehe mich vor dem Spiegel und betrachte meinen Rücken. Meine Schulterblätter stehen weniger raus als noch vor ein paar Monaten auf der Hochzeit von Kellys Schwester und auch meine Wirbelsäule sieht nicht mehr aus wie die eines knochigen Drachens. Und ich bin bereit. Vor dem kleinen Samtsofa steht eine Auswahl an Loafers, Ballerinas und Pumps- alle natürlich passend zu meinem Kleid. Und mit einem Mann wie Marlow an meiner Seite, kann ich es mir sogar erlauben die Pumps anzuziehen. Gerade als ich mir das Riemchen über die Ferse ziehe, klopft es an der Tür.

>Miss Parker, das Auto steht bereit, sind sie fertig?< Ich kann genau hören, dass es Marlow ist, der mich ruft. >Mr. Wallis, bitte ich brauche ihre Hilfe!<, rufe ich mit einem verzweifelten Unterton und muss mir das Lachen verkneifen, als er sich zu mir in das Zimmer schiebt und seinen Kopf schief legt. Er trägt einen schlichten, schwarzen Anzug mit Manschettenknöpfen und einem dicken Baumwollhemd darunter. >Ich glaube ich brauche auch Hilfe...<, flüstert er als er die letzten Schritte auf mich zu macht und vor dem Sofa stehen bleibt. >ich hab keine Ahnung, wie ich dich so unter Menschen lassen soll- die werden dich noch entführen oder schlimmeres, wenn du so wunderschön aussiehst.< Ich kann nicht anders als ihn anzustarren. >...aber wenn ich dich hier vor der Menschheit verstecke, dann wird das nichts mit der Überraschung. Kommst du mit mir?< Er streckt mir seine Hand entgegen und grinst. >Na gut, weil du es bist...< Er zieht mich elegant auf meine Füße und ich harke mich bei ihm ein- so gut bin ich nicht darin in Pumps sicher zu gehen. >Sollen wir noch flache Schuhe mit ins Auto nehmen?< Marlows Blick ist verunsichert, als er bemerkt, dass meine Stirn nun auf seiner Augenhöhe ist und nicht mehr auf der seines Kinns. Ich nicke kurz und greife mir die Sandalen, bevor ich Marlow zunicke. >Ich denke, wir können los.< >Ich würde auch den ganzen Abend und die ganze Nacht mit dir hier verbringen, ich hoffe das weißt du. Wenn du gehen willst oder es dir nicht gefällt, dann hauen wir sofort ab, versprochen.< Marlow wirkt nervös und knibbelt an meinem Armband herum. >Es wird mir bestimmt gefallen...< Ich schlinge meinen Arm um seine Taille und wir verlassen das Anwesen der Wallis'.

TRUST ISSUES (Toxic Traits Band 1)Donde viven las historias. Descúbrelo ahora