"Ich werde dir helfen"

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Seit einer Woche hatte ich nichts mehr von Marco gehört. Es war merkwürdig. Erst bombardierte er mich mit Anrufen und Nachrichten, und von einen Tag auf den anderen höre ich nichts mehr. Kein einziges Lebenszeichen.
Und obwohl ich wusste, dass es besser so war, vermisste ich ihn. Ich vermisste ihn schrecklich. Doch daran war jetzt nicht zu denken.
Heute war Mittwoch und meine Schicht war gerade beendet. Es war 16 Uhr, also beschloss ich noch schnell einzukaufen. Ich fuhr also mit dem Bus zum Supermarkt und kaufte das nötigstes, darunter leider Katzenstreu. Ich freute mich schon das die Treppen raufzutragen. Sarkasmus lässt grüßen.
Ich stieg also aus dem Bus aus und ging in Richtung meiner Wohnung. Doch vor der Tür stand jemand, der mir so viel bedeutete. Der mich so aus Fassung bringen konnte. Marco.
"W-was machst du hier?", fragte ich als ich ihm näher kam.
"Du hast dich nicht gemeldet und mich andauernd weggedrückt. Was ist los?"
"Nichts ist los." Und wie was los war. "Ich kann jetzt nur nicht", dabei ging ich zu Tür und öffnete sie, ehe ich eintrat. Er folgte mir, das hörte ich, versuchte es aber zu ignorieren.
"Lass mich das Katzenstreu nehmen", sagte er.
"Nein, ich kann das alleine", gab ich zickig zurück.
Ich schleppte mich nur so die Treppen hoch, doch konnte nach 6 Stufen nicht mehr. Mit meiner langjährigen Last war es nicht so schlau auch noch eine weitere mitzutragen.
"Gib her", erwiderte er und war dabei mir das Katzenstreu abzunehmen, als ich das Katzenstreu wieder zurückzog.
"Nein, hab ich gesagt." Ich sah ihm in die Augen. Einige Sekunden lang. Keiner sagte was.
"Was ist passiert, Sophie?"
Okay, ich brauchte eine Lüge. Anders kam ich da nicht raus.
"Marco, ich hab einen Freund. I-ich kann nichts mehr mit dir unternehmen. Es tut mir leid, es ist wirklich nicht deine Schuld. Du hast nichts falsch gemacht."
"S-seit wann?", fragte er verunsichert.
Oh Gott, was sollte ich sagen. Ich durfte nicht zu lange überlegen. Das würde auffallen.
"Seit ungefähr einer Woche. Wir kennen uns schon lange und jetzt ist es.. halt passiert."
"Das glaube ich dir nicht." Toll, ich hatte zu lange überlegt. "Ich werde schon herausfinden", fuhr er fort, "was los ist. Das verspreche ich dir. Irgendetwas scheint dir im Weg zu stehen und ich werde dir helfen es los zu werden. Weil ich dich mag, Sophie. Sehr gerne sogar."
Er machte eine Pause, wartete darauf, dass ich etwas sagen würde. Aber ich wusste nicht was. Es war süß, was er gesagt hatte, aber er konnte mir nicht helfen. So sehr er es auch wollte. So sehr ich es auch wollte.
Er nahm mir schnell das Katzenstreu ab und ging die Treppen rauf. Ich sah ihm bloß verärgert und belustigt hinterher.
Er hatte die Chance genutzt, dass ich zu sehr am überlegen war. Raffiniert, Herr Reus, raffiniert.
"Kommst du oder willst du Wurzeln schlagen?", fragte er mit einem Lächeln, in der Hoffnung ich würde es erwidern.
Ich tat es, nur konnte er es nicht sehen, da ich meinen Kopf gesenkt hatte und die Treppen raufging. Er ging weiter und ich folgte ihm.
Vor der Wohnungstür ließ er mich vor, sodass ich aufschließen und die Sachen in die Küche tuen konnte. Ich bat ihn das Katzenstreu ins Badezimmer zu stellen. Ich lehnte mich an der Küchentheke ab und starrte gedankenverloren auf den Boden.
"Geht es dir gut?", fragte Marco plötzlich.
Ich sah hoch und überlegte. Ging es mir gut? Mir war irgendwie schlecht und ich hatte das Gefühl gleich spucken zu müssen.
"I-ich.. mir ist schlecht. Ich hab das Gefühl mein Herz rast." Dabei fasste ich mir an mein Herz.
"Hast du das öfter?"
"Nein, eigentlich nie."
Er schien nachzudenken, ich ebenfalls.
Ich ahnte schlechtes. Sehr schlechtes.
"Könntest du bitte gehen, Marco? Ich muss alleine sein."
"Wieso? Ich kann.."
"Geh Marco", unterbrach ich ihn energisch. Ich sah seinen verletzten Ausdruck, ehe ich noch flehte: "Bitte."
"O-okay, aber bitte melde dich ja? Ich weiß, dass du mich angelogen hast. Ich weiß zwar nicht wieso, aber ich hoffte du bist bald soweit mir die Wahrheit zu sagen." Er legte seine Hand an die Türklinke, sah mich nochmals an und lächelte. "Ich hoffe, bis bald."
Er ging. Ich hoffte, dass es das jetzt war. Ein für alle Mal. Ein beendetes Kapitel. Aber das war es nicht.
Die Übelkeit stieg wieder in mir. Ich ging schnell ins Badezimmer, öffnete eine besondere Schublade und suchte mein Medikament. Es war fast alle, aber würde für heute noch reichen. Schnell schluckte ich die Tabletten runter und trank ein Schluck Wasser hinterher, ehe ich auf den Balkon ging und frische Luft schnappte. Marco's Auto war weg.
Er war also wirklich gegangen. Es war gut so. Insgeheim hatte ich aber gehofft, er würde bleiben.

Die Sache mit Marco und meiner Übelkeit war jetzt zwei Wochen her. Ich hatte mich nicht bei ihm gemeldet, so wie er gehofft hatte.
Vor drei Tagen hatte ich Herz-Kreislauf-Probleme. Ich wollte eigentlich mit dem Bus zur Uniklinik fahren, doch diese Last überrannte mich, weshalb ich mir einen Krankenwagen rief. Alles schien so schnell zu gehen. Und jetzt?
Jetzt lag ich seit drei Tagen im Krankenhaus. Meine Mutter wollte sich bereits zu mir aut den Weg machen, aber da ich heute entlassen werden sollte, sagte ich ihr, dass alles in Ordnung war. Nach ewigen hin und her könnte ich sie überreden. Das waren diese Nächte, in denen ich nicht mehr alleine war. Ständig kamen Ärzte und Krankenschwestern rein, um meinen Gesundheitszustand zu überprüfen. Jedesmal befürchtete ich die nächste Hiobsbotschaft zu erhalten. Zum Glück war das nicht der Fall. Naja, bis jetzt noch nicht.
Die ersten zwei Tagen ging es mir so schlecht wie noch nie. Seit gestern hatte es sich jedoch gelegt, also durfte ich heute wieder gehen und alles würde wieder bergauf gehen. Das hoffte ich jedenfalls.
Doch diese Hoffnung wurde zerschlagen, als ich den Gesichtsausdruck des hereinkommenden Arztes sah.
"Frau Stahl?" Er trat näher an mein Bett heran.
"Ja?", fragte ich ängstlich.
"Sie wissen ja, sie dürfen heute gehen. Ich muss ihnen jedoch noch etwas mit auf dem Weg geben. Ihre Werte werden schlechter. Sie brauchen dringend eine neues Organ. Spätestens in einem Jahr. Vielleicht auch ein-einhalb.
Sonst wissen wir leider nicht mehr, wie lange ihr Organ es noch schafft. Und ein einzelnes kann den Betrieb nicht alleine am Laufen halten.
Bitte achten sie auch wieder mehr auf ihre Ernährung. Also viel Eiweiß, Kalzium. Das was sie sonst auch sollten. Und ich bitte Sie sich so wenig wie möglich körperlich anzustrengen.
Ich gebe Ihnen noch Medikamente mit, die Sie bitte einmal abends und einmal morgens nehmen.
Sie können dann jetzt auch gehen. Ich wünsche Ihnen alles Gute, Frau Stahl. Ich hoffe, wir haben bald eines neues Organ für Sie." Das hoffte ich auch.
Fertig angezogen und mit meinen wichtigsten Sachen bepackt, verließ ich das Krankenhaus Richtung Bushaltestelle.
Das erste Mal seit 3 Tagen schaltete ich mein Handy wieder an. Ich sah mehrere Nachrichten, doch eine ganz besondere.
Die nächste schlechte Nachricht.
Doch die darauf folgende Woche sollte etwas schönes bringen. Das schönste, was ich bis dahin je erlebt hatte.

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- T

Alles hat einen Grund (Marco Reus Ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt